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Schweizer Karikaturisten nehmen Frankreich aufs Korn

Chapatte's Chirac ist ein eitler Staatsmann.

Wie sehen helvetische Karikaturisten den Kampf um die französische Präsidentschaft? Barrigue und Chappatte, zwei Stars dieses Metiers, geben Antworten.

Dieser Tage erscheint die Publikation “La France vue par les Suisses”, in dem neun bissige Westschweizer Karikaturisten ihre Sicht von Frankreich darstellen.

“1995-2007: les annés Chirac en dessins”, heisst der Untertitel des Werkes, das der französische Verlag Glénat am 21. März anlässlich des Salon du Livre in Paris herausgibt. Im Band sind politische Zeichnungen von neun Westschweizer Karikaturisten vereint, darunter von Chappatte, dem Star der Tageszeitung Le Temps, der das Projekt lanciert hat.

Chappatte arbeitet auch für die Neue Zürcher Zeitung und den International Herald Tribune. Mitautor ist auch Barrigue, der 1979 Paris verlassen und sich in der Schweiz niedergelassen hat. Seither arbeitet er für Le Matin.

“Es ist auch ein wenig die Revanche der Kleinen aus der Provinz”, sagt Chappatte. “Es amüsierte uns zu zeigen, wie es von der anderen Seite aus aussieht.” Jedes Mal, wenn die Schweiz ins Visier Frankreichs gerate, gebe es zahlreiche Karikaturen. “In Paris sieht man die Schweiz nur, wenn es um Steuern oder Banken geht”, so der Genfer.

Die Zeichnungen im Buch drehen sich vor allem um die Jahre unter Chirac. Thema heute ist jedoch die Präsidentschaftswahl, die Ende April und Anfang Mai stattfinden.

“Sarko vs. Sego”

Zwar sind die Protagonisten nicht ganz neu. Trotzdem bringen das Duo Sarko-Sego (Nicolas Sarkozy und Ségolène Royel) und “der dritte Mann”, François Bayrou, unbestreitbar viel Neues für die Karikaturisten. Wie setzt man sich mit diesen neuen Persönlichkeiten auseinander?

“Das bedeutet Mehrarbeit”, schildert Barrigue. “Man muss sie studieren, Fotos anschauen, ihre Haltung beobachten. Doch das geht recht schnell. Es gibt eine Art Partnerschaft zwischen dem Karikaturisten und der Karikatur, die sich ziemlich rasch einstellt.”

“Bei neuen Personen ist man am Anfang etwas ungeschickt, man sieht sie noch nicht richtig. Man findet die Konturen erst nach einer bestimmten Zeit”, hält Chappatte fest. Er findet, dass die beiden Neuen ziemlich schwierig zu zeichnen seien.

Schrittweise Aneignung der öffentlichen Person

Man könne schrittweise vorgehen, sich von Einflüssen leiten lassen: “Mit Chirac zum Beispiel konnte man dank der französischen Satiresendung Guignol de l’Info Gesichts- und Charakterzüge schnell verinnerlichen. Nach einiger Zeit inspirieren sich die Zeichner auch gegenseitig. Man ist etwas gefangen in einer kollektiven Sicht”, räumt Chappatte ein.

Erstaunlicherweise nimmt Barrigue einen fast gegenteiligen Standpunkt ein: “Zuerst versucht man, die Person möglichst ähnlich darzustellen. Hat man sie einmal erfasst, vereinfacht und verinnerlicht man sie. Dann heisst es: Das ist Chappates Sarkozy, de Plantus Ségolène…”

Das Problem mit der Frau

Bei den Präsidentschaftswahlen 2007 gibt es eine Novität: Erstmals ist eine Frau im Rennen. Man kommt also nicht um die Frage herum: Darf sich der Karikaturist bei einer Kandidatin das Gleiche erlauben wie bei einem Kandidaten?

“Nein, da bin ich ein Kavalier alter Schule!”, ruft Chappatte aus, der zudem betont, dass er Royal hübsch findet, was aber alles kompliziere. Und dann gibt er seiner Antwort noch eine politische Dimension: “Man hält sich ein wenig zurück, weil die Kandidatur einer Frau ein ganz neues Phänomen ist. Wenn es einmal mehr Frauen an der Macht gibt, kann man sich ganz gehen lassen.”

Auch von Barrigue kommt ein klares Nein, aber seine Begründung fällt anders aus. “Es ist alles so heuchlerisch: Die Frauen sind den Männern gleichgestellt, trotzdem muss man sich ihnen gegenüber anders verhalten”, so der Wahlschweizer. “Man bat mich – und übrigens nicht nur mich – freundlich zu sein zu Ségolène, weil sie eine Frau ist und man die Leserinnen nicht verlieren will. Ich finde aber, sie kann keine besondere Behandlung erwarten, wenn sie schon ein hohes politisches Amt anstrebt.”

Dankbare “Opfer”

Es lebe die Pressefreiheit! Wie auch immer, am 6. Mai wird Frankreich das Gesicht des neuen Staatschefs oder der neuen Staatschefin kennen. Gibt es aus Sicht des Karikaturisten Präferenzen? “Das ist das Bush-Drama! Als Bürger konnte man seine Wiederwahl ablehnen, als Karikaturist ist man begeistert”, meint Chappatte.

Und kommt zum Schluss: “In Frankreich war die Classe politique doch immer durch die alten Männer geprägt. Diesmal gibt es auf jeden Fall etwas Neues und Interessantes zu zeichnen. Die drei wichtigsten Kandidierenden zeigen, dass Frankreich etwas Neues will, etwas Spannendes. Es fegt ein neuer Wind durchs Land: Eine Frau an der Spitze, oder – noch verrückter – ein Mann der Mitte an der Macht. Nun, wir werden sehen, wie es ausgeht.”

swissinfo, Bernard Léchot
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)

Am Rande der französischen Präsidentschaftswahlen bringt swissinfo eine Serie von Artikeln mit Blick über die Grenzen zum westlichen Nachbarn.

Sie gehen von Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Schweiz und Frankreich aus.

Patrick Chappatte wird 1967 in Karatschi geboren, seine Eltern kommen aus der Schweiz und aus dem Libanon. Wächst in Singapur und Genf auf und lebt einige Jahre in New York.

Heute arbeitet er als Karikaturist für die Zeitung Le Temps, die NZZ am Sonntag (Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung) und den International Herald Tribune. Früher arbeitete er auch als Illustrator für die Literaturbeilage der New York Times.

Thierry de Barrigue de Montvalon ist französisch-schweizerischer Doppelbürger. Er wird 1950 in Neuilly-sur-Seine geboren. Seit 1972 arbeitete er als Karikaturist und Journalist für zahlreiche französische Zeitungen und Zeitschriften.

Seit September 1979 ist er Karikaturist der Schweizer Tageszeitung Le Matin. Seine “Barricatures” werden jedes Jahr auch als Buch herausgegeben.

“La France vue par les Suisses”, ein Buch mit 112 Seiten, kommt am 21. März 2007 beim Verlag Glénat heraus.

Am Gemeinschaftswerk mit dem Untertitel “1995-2007: les années Chirac en dessins” haben 9 Westschweizer Karikaturisten mitgearbeitet.

Es zeigt die besten Karikaturen zu Frankreich während der Ära Chirac, die in der Schweizer Presse erschienen sind.

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