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Schweizer leitet schwierige OSZE-Mission im Kosovo

Der Schweizer Diplomat freut sich, nach drei Jahren an der Universität wieder im Feld aktiv zu sein.

Der Entscheid über den künftigen Status der Provinz Kosovo kann nur in Partnerschaft mit der internationalen Gemeinschaft erfolgen, sagt der Schweizer Diplomat Tim Guldimann.

Der neue Leiter der OSZE-Mission im Kosovo sagt gegenüber swissinfo, wieso er nach ersten Kontakten mit lokalen Führungskräften einen gewissen Optimismus für die Provinz hegt.

Die in Serbien liegende Provinz Kosovo bleibt politisch in der Schwebe. Seit eine NATO-Intervention die serbischen Truppen 1999 zum Rückzug gezwungen hatte, steht die Provinz unter UNO-Verwaltung.

Unter der Leitung von Diplomaten aus den USA, der Europäischen Union und Russland läuft zur Zeit eine neue Verhandlungsrunde für eine Lösung über den Status der Provinz. Die Kosovo-Albaner fordern die Unabhängigkeit der Provinz von Serbien, wogegen sich Belgrad bis heute wehrt. Die Kosovo-Troika soll der UNO bis zum 10. Dezember über den Stand der Verhandlungen berichten.

Am 17. November finden im Kosovo Parlaments- und Lokalwahlen statt. Die serbische Führung in Belgrad hat die Kosovo-Serben zum Boykott der Wahlen aufgerufen.

swissinfo: Welches sind die vermutlich grössten Herausforderungen bei Ihrer neuen Aufgabe?

Tim Guldimann: Höchste Priorität hat die Unterstützung Kosovos bei den Parlaments-, Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen vom November.

Wir arbeiten zusammen mit der zentralen Wahlkommission, in der ich den Vorsitz habe. Aber ich möchte unterstreichen, dass dies Kosovos Wahlen sind. Es ist also nicht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), welche die Wahlen durchführt.

Daneben gibt es die neuen Gespräche über den künftigen Status Kosovos, doch dabei spielt die OSZE keine Rolle. Wir wissen nicht, wie das Resultat aussehen wird. Die Hoffnungen sind eher gering, dass es bis zum 10. Dezember zu einem Durchbruch kommt, dem die EU, die USA und Russland zustimmen können.

Die EU bereitet sich auf die Entsendung einer Mission vor, welche die UNO-Mission ablösen soll. Es ist möglich, dass diese EU-Mission bald beginnen könnte, auch wenn die Status-Frage noch nicht gelöst ist.

Eine der Aufgaben der OSZE ist also, dass wir uns auf die neuen – vorerst nur angenommenen – neuen Umstände im nächsten Jahr vorbereiten. Die jetzige Mission ist integraler Bestandteil der UNO-Mission. Wenn die EU an Stelle der UNO aktiv wird, würde die OSZE-Mission unabhängig werden. Vorausgesetzt, dass die Staaten, welche die Mission tragen, sich für eine weitere Präsenz hier entscheiden.

swissinfo: Was sind die ersten Eindrücke, die Sie bei Ihren Anfangskontakten im Kosovo gewonnen haben?

T.G.: Ich fühlte bei den kosovarischen Politikern, die ich bisher getroffen habe, einen starken Willen, vorwärts zu kommen und das Schicksal der Provinz in die eigenen Hände zu nehmen, ohne sich weiter zu beklagen und andere für die Probleme verantwortlich zu machen, die in einer sehr schwierigen Vergangenheit gründen. Es herrscht gewissermassen eine neue, erfrischende Haltung mit Blick auf die Zukunft.

Für den internationalen Ruf der Provinz ist wichtig, wie die Interessen der serbischen Gemeinde im Kosovo und jener Serben, die die Provinz verlassen haben, gewahrt werden sollen. Die Politiker sind sich dessen bewusst und unterstreichen, dass sie sich um eine positive Integration der serbischen Gemeinde im Kosovo einsetzen wollen.

swissinfo: Was wird Ihrer Ansicht nach passieren, wenn der Status der Provinz nach dem 10. Dezember in der Schwebe bleibt – oder Kosovo einseitig seine Unabhängigkeit erklärt?

T.G.: Natürlich sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass in den kommenden Wochen eine Lösung gefunden wird. Aber wir müssen uns auch Gedanken machen über die möglichen Konsequenzen, falls es zu keiner einvernehmlichen Lösung kommt.

Die OSZE-Mission unterstreicht, dass man die kommenden Wahlen unabhängig von der Status-Diskussion sehen muss. Es ist wichtig, dass die Wahlen stattfinden. Denn Kosovo braucht demokratisch gewählte Institutionen, was auch immer in der Status-Frage passiert. Die Wahlen dürfen nicht dazu missbraucht werden, Positionen zu vertreten, welche die Status-Diskussion beeinflussen könnten.

Wir hoffen auch, dass jegliche Schritte, welche die kosovarischen Politiker im Zusammenhang mit der Status-Frage unternehmen, im Einverständnis mit den internationalen Partnern erfolgen. Kosovo ist keine Insel und seine Zukunft hängt von der Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft ab. Ein unilaterales Vorgehen könnte zu politischen Konflikten führen, die sich auf die Interessen Kosovos auswirken.

swissinfo: Haben Sie Sorgen, was die Sicherheit der Provinz angeht?

T.G.: Gegenwärtig ist die Situation ruhig, zumindest an der Oberfläche. Das gilt auch für den Norden Kosovos mit seiner serbischen Mehrheit. Wir spüren, dass sich die führenden kosovarischen Politiker stark darum bemühen, mit Blick auf die Wahlen und die Status-Diskussionen die Sicherheit im Kosovo zu gewährleisten. Sie sind sich bewusst, dass der politische Prozess darunter leiden würde, wenn die Sicherheit aufs Spiel gesetzt wird.

Natürlich erwartet die albanische Mehrheit im Kosovo einen raschen Entscheid zur Unabhängigkeit. Sie verstehen gleichzeitig, dass, was immer auch passiert, nur produktiv für die Entwicklung Kosovos sein kann, wenn es im Rahmen einer Abmachung mit den internationalen Partnern erfolgt.

Die Hauptaufgabe ist also jetzt, ein Szenario zu finden, das für die albanischstämmige Mehrheit akzeptabel ist, und zwar im Rahmen einer internationalen Einigung mit der EU, den USA, Russland und Serbien.

swissinfo-interview: Simon Bradley
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Der Schweizer Diplomat Tim Guldimann ist seit dem 1. Oktober der neue Leiter der OSZE-Mission im Kosovo.

Guldimann arbeitet seit 1982 für das Schweizer Aussenministerium. Am Anfang seiner diplomatischen Karriere war er unter anderem in Kairo, Genf und Bern tätig.

Von 1996 bis 1997 leitete er die OSZE-Unterstützungsgruppe in Tschetschenien, 1997 bis 1999 war er Chef der OSZE-Mission in Kroatien.

Anschliessend war er bis 2004 Schweizer Botschafter im Iran.
Seit Mitte 2004 war er vom diplomatischen Dienst beurlaubt und als Professor für Politikwissenschaft an der Universität Frankfurt in Deutschland tätig.

Die OSZE bemüht sich um Konfliktprävention und Krisenmanagement in Europa, inklusive Kaukasus und Zentralasien.

Der Sitz der OSZE ist in Wien, doch viele ihrer rund 3500 Angestellten arbeiten in Ausseneinsätzen. Zur Zeit ist die OSZE vor allem in den Staaten des früheren Jugoslawien und in den Kaukasus-Republiken aktiv.

Das Mandat der Organisation ist breit gefasst. Ihr Ziel ist es, die Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten zu fördern und regionale Konflikte einzudämmen. Das tut sie, indem sie politische und gesellschaftliche Reformen wie Dezentralisierung, Minderheitenschutz, Medienvielfalt unterstützt.

Die OSZE hat keine eigenen Friedenstruppen, kann aber bei Bedarf von anderen internationalen Organisationen wie der UNO oder der NATO Unterstützung anfordern.

Die OSZE-Mission im Kosovo wurde mit einem Beschluss des Ständigen Rates vom 1. Juli 1999 geschaffen. Sie ist integraler Bestandteil der UNO-Übergangs-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) und übernimmt vor allem Aufgaben in den Bereichen Demokratisierung, Menschen- und Minderheitenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Medienvielfalt und Wahlen.

Mit rund 1000 Personen ist die Mission im Kosovo zur Zeit die grösste der insgesamt 19 OSZE-Missionen.

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