Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer Markenartikler: Ärger mit Grossverteilern

Promarca-Direktorin Anastasia Li-Treyer: Auch Swissness brauchts für die Schweizer Marke, aber nicht nur. swissinfo.ch

Für die Markenindustrie stellen sich zurzeit zwei grosse Herausforderungen, sagt Promarca-Direktorin Anastasia Li-Treyer. Die erste sei die Beziehung der Schweiz zur EU, die zweite der Binnenmarkt, sprich die Beziehung zu den Grossverteilern.

Früher war die Welt der Marken noch übersichtlich: Grosse Mode kam aus Frankreich, das solide Auto aus Deutschland und genaue Uhren kamen aus der Schweiz.

In der globalisierten Wirtschaft wird alles überall produziert und verkauft. Die Folge: Viele “Brands” werden immer weniger als Produkte bestimmter Länder wahrgenommen.

Zwar hätte die Schweizer Markenindustrie auch dank der Qualitätsbezeichnung “Swiss Made” ihre Eigenständigkeit bisher bewahren können, sagt Anastasia Li-Treyer, Direktorin des Schweizerischen Markenartikelverbands Promarca.

Aber Swissness allein werde auch in Zukunft nicht genügen, um die Spitzenposition von Schweizer Produkten in der Welt halten zu können, betont sie.

swissinfo.ch: Wie denken die Schweizer Markenartikler über die Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union?

Anastasia Li-Treyer: Sicher weniger politisch als vielmehr pragmatisch, denn die Markenartikler müssen nach Europa exportieren, egal für welche Variante sich die Politik entscheidet. Promarca hat die Direktoren seiner rund hundert Mitgliedsunternehmen befragt.

48% sprechen sich im gegenwärtigen Moment für eine Weiterverfolgung der bilateralen Verträge aus, 36% wären lieber Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums EWR und immerhin 9% möchten der EU direkt beitreten.

swissinfo.ch: Welche weiteren Herausforderungen stellen sich der Schweizer Markenindustrie?

A.L.-T.: Eine Herausforderung ist Europa, eine andere der Binnenmarkt. Markenartikler sind stark von den Veränderungen auf Europas Märkten abhängig, da sie noch exportlastiger als ihre Konkurrenz im Ausland sind.

Der Grund dafür ist der kleine und komplizierte Inlandmarkt mit seinen Sprachregionen, Zöllen, Sonderwünschen des Detailhandels und speziellen Anforderungen.

Doch damit nicht genug. Der Detailhandelsmarkt wird von zwei grossen Abnehmern dominiert, welche einen grossen Anteil an Eigenmarken in ihrem Sortiment führen.

Einer davon, Coop, hat etwas weniger als 50% Markenartikel. Das ist das Nadelöhr, durch das Markenhersteller als Lieferanten müssen, wenn sie auf dem Schweizer Markt sein wollen.

Die Kosten, um bei den Grossverteilern im Gestell zu stehen, sind sehr hoch. Neben Listungsgebühren werden auch spezielle Verpackungsgrössen mit spezieller Beschriftung erwartet.

Im Gegensatz zum Detailhandel ist der Wettbewerb unter den Markenherstellern immens. Daran hat auch der Eintritt von Lidl und Aldi nicht viel geändert. Kommt dazu, dass die Grossverteiler zusätzlich Konkurrenten ihrer Markenproduzenten sind, weil sie Eigenmarken herstellen.

swissinfo.ch: Was ist der Unterschied zwischen einer Marke und einer Eigenmarke?

A.L.-T.: Eigen- oder Handelsmarken sind oft Kopien von Originalmarken. Indem sich die Eigenmarke an das Original anlehnt, wird versucht, den Ruf einer Originalmarke auszubeuten.

Eigenmarken behaupten meistens, so gut wie das Original zu sein, ohne es mitentwickelt zu haben, ohne es lange Jahre beworben zu haben, ohne die eigene Qualität bewiesen zu haben. Verkauft wird diese Eigenmarke dann zu einem etwas tieferen Preis, was hohe Profite ermöglicht.

swissinfo.ch: Die besondere Swissness am Schweizer Markenartikel besteht auch darin, dass die Produkte mit der “Marke Schweiz” verbunden sind. Hält sich dies trotz Globalisierung und Auslagerung?

A.L.-T.: Es gibt Schweizer Marken, aber nicht alle, die zu ihrer Botschaft hinzufügen: “Wir sind aus der Schweiz.” Das ist dann fast schon eine Art Co-Branding.

Solange sich die Schweiz so gut positioniert wie heute, als vertrauenswürdiges Präzisionsland beispielsweise, ist sie auf dem richtigen Weg.

swissinfo.ch: Wie schaut das Ausland auf die Schweizer Markenartikel?

A.L.-T.: Im Ausland gilt dieselbe Wahrnehmung, wenn auch mit grossen Unterschieden. Ein Franzose sieht es anders als ein Asiate. Je weiter man sich von der Schweiz entfernt, desto mehr rückt das Klischee in den Vordergrund: Heidi, Berge und Kühe – darauf reduzieren eher Asiaten denn Europäer die Schweiz.

Hätte die Schweiz ein weniger gutes Image, würden die Marken-Hersteller das Schweizerkreuz auf ihrem Produkt verkleinern oder weglassen. Aber es genügt nicht, einfach ein Schweizerkreuz aufs Produkt zu kleben, um erfolgreich zu sein. Ein Brand kann nur überleben, wenn er stark ist.

Schweizer Produkte vermitteln im Ausland Tradition, Emotion, heile Welt. Wenn der ausländische Konsument spürt, dass die Qualität gleich bleibt, interessiert ihn das. Die politischen Probleme hingegen, denen die Schweiz in den letzten Jahren ausgesetzt war, werden von ihm kaum wahrgenommen.

swissinfo.ch: Wären viele der Schweizer Markenartikel so erfolgreich, wenn die Schweiz nicht gleichzeitig so ein bekanntes Reiseland wäre?

A.L.-T.: Natürlich hilft der Schweizer Tourismus, Botschaften und neue Produkte ins Ausland zu tragen. Betrachtet man aber Produkte aus anderen Ländern, sieht man, dass eine vom Unternehmen richtig angegangene Markenführung und Markenarbeit letztlich zum Erfolg führt.

Dann steht weniger das Land als das Produkt selbst im Vordergrund.

swissinfo.ch: Dann würde also ein Japaner eher Ferien in dem Land machen wollen, wo auch Uhren produziert werden, anstatt eine Schweizer Uhr kaufen zu wollen, weil er dort in den Ferien war?

A.L.-T.: Die Uhrenindustrie hat sich ihre Reputation über Jahre aufgebaut und konnte diese bis heute auch halten. Um dies zu erreichen, sind auch laufend Investitionen in das Marketing und in Verkaufsförderungs-Massnahmen erforderlich.

Höchstleistungen müssen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette bis hin zum Konsumenten spürbar sein. Es gibt somit historische Gründe, weshalb eine Schweizer Uhr weltweit so begehrt und geschätzt wird.

Der 1929 gegründete Markenartikel-Verband vertritt die Interessen von 97 Mitglieder-Unternehmen.

Diese erziehlen einen Nettoumsatz von mehr als 12 Mrd. Franken.

Die Unternehmen beschäftigen rund 18’500 Mitarbeitende und investieren jährlich mehr als 180 Mio. Franken in den Standort Schweiz.

Marken kennzeichnen Produkte und Dienstleistungen.

Sie schaffen beim Konsumenten Vertrauen (Qualität, Kontinuität), und geben eine Orientierung.

Markenartikel sind Originale.

Marken spiegeln auch den Zeitgeist, vermitteln Erlebnis, bilden Stil und ermöglichen Gruppenzugehörigkeit.

In der Schweiz geht mehr als jedes zweite Produkt als Handelsmarke über den Ladentisch.

Damit werden vor allem die Eigentumsrechte und Patente des Herstellers geschützt.

Auch marketingmässig hat dies grosse Auswirkungen.

Migros hat in ihren Anfängen den teuren Handelsmarken Eigenmarken entgegengesetzt, die günstiger waren.

Inzwischen sind die Migros-Marken längst selbst im Bereich der Handelsmarken angekommen (Konsumentenvertrauen).

Heutige Newcomer wie Aldi oder Lidl setzen auch auf Eigenmarken (Herstellermarken). Diese sind oft auch Billigstmarken.

Demgegenüber gibt es auch Premium-Handelsmarken, die im teuren Marktbereich agieren.

Mit einem Co-Branding eines Produkts mit Swissness (Schweizer Kreuz) lassen sich bedeutend höhere Preise erzielen, sagte Felix Addor, Vizedirektor am Institut für geistiges Eigentum.

Er vergleicht den Effekt des Schweizer Kreuzes etwa mit dem Effekt eines Bio- oder Öko-Labels.

Im Ausland würden Schokoladen, Uhren und ähnliches bis 20% teurer abgesetzt, sogar Industriegüter (Maschinen) können teurer verkauft werden.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft