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Schweizer Spitzenkoch verzaubert Polen

Spitzenkoch Kurt Scheller legt gerne selber Hand an. Norbert Ruetsche

In Polen ist der Schweizer Kurt Scheller ein Star, bekannt aus beliebten Fernseh-Kochsendungen. Seehundschnauz und schwarzes Beret sind seine Markenzeichen. Seit sechs Jahren führt er in Warschau mit Erfolg eine eigene Koch-Akademie.

“Eine Zwiebelsuppe muss man pflegen, mit ihr reden, ihr mindestens eine Stunde Zeit widmen”, sagt Kurt Scheller schon fast beschwörend, während er in seiner Akademie-Küche im Herzen Warschaus das Gemüse für den abendlichen Kochkurs vorbereitet. Das Kochen ist für den 56jährigen Luzerner nicht nur ein Beruf, sondern vor allem eine Leidenschaft.

Diese hat Kurt Scheller seit seiner Lehre im Hotel Luzernerhof nicht mehr losgelassen – und ihn als Koch rund um den Erdball geführt: Er arbeitete in renommierten Hotels in London, Madrid und Amsterdam, dann in Jamaika, Ecuador, Kuwait und Ägypten und war für bis zu 120 Köche verantwortlich.

In Polen hängen geblieben

Vor 17 Jahren, gleich nach der politischen Wende, kam Kurt Scheller nach Warschau – wo er bis heute geblieben ist. Das traditionsreiche Hotel Bristol war als 5-Sterne-Haus wiedereröffnet worden und holte den international anerkannten Spitzenkoch als Küchendirektor in die polnische Hauptstadt.

“Es reizte mich, erstmals in einem 5-Sterne-Hotel zu arbeiten”, erinnert sich Scheller. Nach vier Jahren und einem Abstecher nach Bahrain übernahm er schliesslich die kulinarische Verantwortung im neu eröffneten Warschauer Luxushotel Sheraton, bevor er 2002 sein eigenes Gourmet-Restaurant, das “Rialto”, aufmachte.

Geheimtipp Kochakademie

Im selben Jahr gründete der Schweizer auch seine Kochakademie, bis heute sein Aushängeschild in Warschau. Ursprünglich als Ausbildungsstätte für junge polnische Berufsköche gedacht, hat sich die Akademie zusehends zu einem Geheimtipp für Amateure entwickelt, die etwas für Zuhause lernen wollen. Auch Firmen und Vereine buchen immer häufiger für einen Abend: “Anstatt ins Restaurant zu gehen, kommen sie hierher, wo alle gemeinsam kochen und essen”, erklärt Kurt Scheller.

Für diesen Abend haben sich 16 Personen angemeldet – fünf Gänge in eineinhalb Stunden stehen auf dem Programm. Als Hauptgericht gibt es Kalbfleisch mit Frühlingszwiebeln, dazu Teigwaren mit getrockneten Aprikosen. “Es sind immer einfache Gerichte, welche die Kursteilnehmer auch zu Hause zubereiten können”, so der Starkoch.

Fondue…

Gehören auch Schweizer Spezialitäten zum Angebot der Akademie? “Am Anfang ja, aber die Nachfrage war zu gering. Die Warschauer essen das Fondue lieber in der Schweiz als hier”, schmunzelt Kurt Scheller.

Auf grosses Interesse stossen dagegen seine Themen-Abende, zum Beispiel zu arabischer Küche, Sushi, Kochen mit Bier, Thai-Küche oder Barbeque.

Endgültiger Durchbruch mit Kochsendung

Eine eigene Kochsendung von 2003 bis 2007 auf Polsat, dem grössten Privatfernsehsender des Landes, machte den Schweizer Spitzenkoch über den Kreis der Warschauer Gourmets hinaus in ganz Polen bekannt und beliebt.

“Ich sehe eben ein bisschen anders aus als andere, das hat dem Sender offenbar gefallen”, lacht Scheller. Sein markanter Seehundeschnauz ist zusammen mit dem schwarzen Beret, das er in der Akademie und bei allen öffentlichen Auftritten trägt, zu seinem Markenzeichen geworden; wie sein Polnisch, das, so gibt Scheller lachend zu, “nicht jeder sofort versteht”.

Nichtsdestotrotz hat er für den polnischen Markt mehrere Kochbücher geschrieben, die sich alle ausgezeichnet verkaufen.

Heimat Polen

Für den weit gereisten Koch gibt es keinen Zweifel: “Polen ist meine Heimat – nach 17 Jahren will ich nicht mehr weg von hier.” Dennoch zieht es ihn bald wieder mehr in Richtung Schweiz – zumindest kulinarisch.

In den nordostpolnischen Masuren, einer Ferienregion mit Seen und ausgedehnten Wäldern, plant er die Eröffnung eines “Swiss Chalet” mit bodenständigen Spezialitäten wie Raclette und Fondue, Rösti, einer eigenen Bratwurst, Geschnetzeltem oder “Kügelipastetli”.

In Warschau, so ist Scheller überzeugt, hätte er damit keinen Erfolg, “die Hauptstadt ist schon übersättigt mit Restaurants”. Aber in einer Erholungsregion für ganz Warschau und immer mehr auch für Ausländer, werde das klappen: “Rustikal, mit grossen Portionen und nicht zu teuer – ein Bauernessen eben.”

Sandwich

Doch Kurt Scheller hat nicht vor, sich in den Masuren selbst die Kochschürze umzubinden, das wird ein Angestellter übernehmen. Schon im letzten Jahr übergab er sein Luxus-Restaurant “Rialto” in Warschau, um sich voll und ganz der Koch-Akademie zu widmen.

Sein persönliches Lieblingsessen? “Ein Sandwich”, lacht der Schweizer Starkoch, “das kann man auch im Gehen essen, deshalb mag ich das so!” Sagt’s – und holt die Crevetten für eine der drei Vorspeisen vom Abend aus dem Kühlschrank. Die ersten Teilnehmer klingeln schon.

swissinfo, Norbert Rütsche in Warschau

Zusammen mit neun weiteren Staaten trat Polen am 1. Mai 2004 der Europäischen Union bei.

Mit 38,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist Polen das Land mit der sechstgrössten Bevölkerung innerhalb der EU. Polen ist mit 312’685 Quadratkilometern mehr als siebeneinhalb Mal so gross wie die Schweiz und nimmt in der EU hinter Frankreich, Spanien, Schweden und Deutschland den fünften Platz ein.

Die Schweizer Kolonie in Polen besteht aus rund 600 Personen. Ende 2007 waren 7336 Polinnen und Polen ständig in der Schweiz wohnhaft. Dazu kommen rund 2500 bis 3000 Kurzaufenthalter für vier bis zwölf Monate und internationale Funktionäre.

Nach einer Volksabstimmung dehnte die Schweiz per 1. April 2006 das Freizügigkeits-Abkommen mit der EU auf die 2004 beigetretenen Mitglieder und damit auch auf Polen aus. Dadurch wurde der Schweizer Arbeitsmarkt für die Länder Ostmitteleuropas geöffnet, allerdings bis 2011 noch mit beschränkten Kontingenten. Diese sind allerdings bislang nie vollständig ausgeschöpft worden.

Im Juni beschloss das Schweizer Parlament die Weiterführung des Personenfreizügigkeits-Abkommens mit der EU und dessen Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien. Dieser Entscheid untersteht dem fakultativen Referendum.

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