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Schweizer Windenergie mit vollen Segeln

Die grösste Windkraftanlage der Schweiz steht auf dem Mont Crosin im Berner Jura.

Ab nächstem Jahr profitieren Windstrom-Produzenten von staatlichen Förderungsmassnahmen. Diese sollen einen Innovationsschub im High-Tech-Bereich auslösen.

Obwohl Windenergie als neue erneuerbare Energie in der Schweiz ein Nischenprodukt bleiben wird, bescheinigt ihr auch der Bund ein gewisses Potenzial.

Klimaerwärmung, ausgehende fossile Brennstoffe, drohender Stromengpass: Die erneuerbaren Energien sind im Aufwind. Auch die Windenergie. Eine Fachtagung von Suisse Eole, der Vereinigung zur Förderung der Windenergie, segelte jüngst unter dem folgerichtigen Titel “Windwärts! Schweizer Windenergie im Aufbruch”.

“Das gestiegene Interesse an der Windenergie zeigt sich auch in den zunehmenden Anfragen an unseren Verband”, sagt Geschäftsführer Robert Horbaty gegenüber swissinfo. Suisse Eole berät und unterstützt Interessierte bezüglich Standortwahl, Planungs- und Bewilligungsverfahren sowie dem Bau von Windkraftanlagen.

Wirklich sauber

“Windenergie ist mit der Wasserkraft eine sehr kostengünstige erneuerbare Energie und die emissionsärmste der neuen erneuerbaren Energien”, hebt Horbaty hervor.

Auch beim Bundesamt für Energie (BFE) klingeln die Telefone. “Wir erhalten täglich Anrufe von Interessenten – nicht nur von Landwirten, die eine kleine Windkraftanlage erstellen wollen, sondern auch von Banken und grossen Anlegern, die jetzt in erneuerbare Energien investieren wollen”, sagt Vizedirektor Michael Kaufmann.

Ausbau-Pläne auf dem Mont Crosin

Für beide hat Windenergie in der Schweiz Potenzial, obwohl das Land mangels Meeresküsten nicht für diese Energieform prädestiniert ist. Den Anteil von Windstrom am gesamten Stormverbrauch der Schweiz sehen sie deshalb mittel- bis langfristig bei maximal eineinhalb bis zwei Prozent.

Der Aufwind drückt sich auch in den Ausbauplänen der Juvent SA aus, welche auf dem Mont Crosin im Berner Jura die grösste Windkraftanlage der Schweiz betreibt. Gemäss einer im April vorgestellten Studie ist die Erweiterung der bisher acht Windturbinen auf 15 bis 20 Rotoren möglich.

Regulationsenergie und Know-how vorhanden

Das Potenzial begründen sie einerseits auf der traditionell starken Stellung der Wasserkraft im “Wasserschloss Schweiz” mit ihren Stauseen und Pumpspeicherwerken. Denn Wasserkraft stellt die benötigte Regulationsenergie dar, wenn die grossen Windpropeller in der Flaute ruhen.

Andererseits ist die Schweiz mit ihren zahlreichen innovativen Unternehmen und Instituten für Spitzenforschung bestens gerüstet, die zur Herstellung von Windstrom benötigte Hochtechnologie zu entwickeln.

Was es jetzt noch braucht, ist der initiale Windstoss. Dieser kommt ab Anfang 2008 in Form einer so genannten kostendeckenden Einspeisevergütung. “Mit diesem System zahlt der Staat den Produzenten einen kostendeckenden Preis für deren Windstrom”, erklärt Michael Kaufmann.

Alle tragen mit

Die Kosten, welche durch die Vergütung entstehen, werden auf sämtliche Konsumenten abgewälzt. Kaufmann spricht deshalb von “einer Art Solidarisierung des Zubaus von erneuerbarer Energie”.

Mit dem neuen Förderinstrument soll das Windenergie-Entwicklungsland Schweiz den Anschluss an Europa schaffen, nicht quantitativ, sondern qualitativ. Denn der Graben wurde in den letzten Jahren weit aufgerissen: Während in den westlichen Ländern der Europäischen Union die Windkraftanlagen dank Einspeisevergütungen auf Hochtouren rotieren, und Länder wie Deutschland und Frankreich Know-how in die ganze Welt exportieren, liefern die wenigen Schweizer Windturbinen Strom für gerade mal 4000 Haushalte.

Drei Fliegen auf einen Streich

Bei Suisse Eole ist die Ankündigung aus Bern Musik in den Ohren. “Windenergie ist ein Symbol von angepasster Technologie, welche die Klimafrage mit High-Tech verbindet”, beschreibt Robert Horbaty. Es sei absolut notwendig, dass sich die Schweiz in dem Bereich entwickle.

Kaufmann spricht von einem dreifachen Trumpf, den die Schweiz mit der Einführung der Einspeisungsvergütung ausspiele: einem energiepolitischen, wirtschaftspolitischen und technologischen Trumpf.

Geht die Rechnung von BFE und Suisse Eole auf, wird das neue Instrument für einen Innovationsschub sorgen, gerade bei spezialisierten kleineren und mittleren Betrieben. “Das ist eine Riesenchance, und wenn die Schweiz sie packt, werden wir auch wirtschaftlichen Erfolg haben”, glaubt Michael Kaufmann.

swissinfo, Renat Künzi

Produktion 2006: +84% (11’600 Megawatt, Verbrauch von ca.4000 Haushalten).
Der Bund will die erneuerbaren Energien bis 2010 um 500 GWh ausbauen, davon 100GWh aus Windenergie.
Vorgesehen sind 28 Standorte für grössere Windparks und 68 für kleinere Anlagen.
Gemäss Kyoto-Zielen muss die Schweiz bis 2030 erneuerbare Energien im Umfang von 5400 GWh zubauen.

EU-Länder haben so ihre Branchen-Unternehmen zu Weltführern gemacht.

In der Schweiz richtet sich die Vergütung nach Referenzanlagen mit neuester Technologie (Innovations-Motivation).

Kleinere und höher gelegene Windkraftanlagen erhalten mehr, grössere Werke im Mittelland weniger.

In der Schweiz gibt es trotz hoher Akzeptanz erst wenige Anlagen. Gründe: Vorherrschaft der Wasserkraft, komplizierte Planungsverfahren.

Um einem “Wildwuchs” an Windkraftanlagen vorzubeugen, ist die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz gegen grössere Projekte.

Im letzten Sommer wies das Bundesgericht einen Rekurs der Stiftung gegen ein Projekt im Neuenburger Jura ab. Begründung: Der einheimischen Windstromproduktion komme grosses Interesse zu.

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