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Schweizer Zahlungs-Disziplin lässt nach

Schweizer Langsamkeit: Beim Bezahlen der Rechnungen. (Foto swissinfo) swissinfo.ch

Mit der Zahlungsmoral steht es in der Schweiz seit einiger Zeit nicht mehr zum besten.

Rechnungen werden auch hier zu Lande – auch im europäischen Vergleich – immer später beglichen.

In einer kürzlich erfolgten Umfrage der “Intrum Justitia” bei 30’000 Unternehmen in sieben europäischen Ländern zur Zahlungsmoral in der Wirtschaft ist die Schweiz im Vergleich zu einer ähnlichen Erhebung von 1997 weiter zurückgerutscht.

Bittere Schlussfolgerung: Die Zeit, in der die Schweiz als Vorbild galt, ist definitiv Vergangenheit. Sie befindet sich im besten EU-Durchschnitt und ist kein Insel-Musterland mehr. Die EU hat schon 2000 Direktiven für den Zahlungsverkehr erlassen – in einzelnen Ländern ist man daran, sie durchzusetzen.

Einen Rang zurückgefallen

Laut “Intrum Justitia” bezahlen die Schweizerinnen und Schweizer ihre Rechnungen im laufenden Zeitraum rund 14 Tage zu spät. Mit anderen Worten: Sie zahlen durchschnittlich 14 Tage nach dem landesüblichen Vertragsstandard-Zeitraum von 30 Tagen. 1997 betrug diese Verzögerung erst 10 Tage.

Nur Deutschland verhinderte weitere Verschlechterung

Mit diesen 14 Tagen belegt die Schweiz nach dem Bestwert in Österreich (10,8 Tage zu spät), Deutschland (11), Spanien (13) neu den vierten Rang. Nur die Niederländer und Portugiesen belegen mit je 19 Tagen Verspätung und die Italienerinnen und Italiener mit 28 Tagen noch schlechtere Werte. 1997 lag die Schweiz noch auf dem dritten Rang.

Von diesen sieben Vergleichsländern konnte seit der 97-er Studie nur Deutschland eine weitere Verschlechterung der Zahlungsmoral verhindern. In allen anderen Ländern ist der durchschnittliche Zahlungsverzug seither gestiegen.

Spanien fiel am meisten zurück

Am schlechtesten ist die Moral in Spanien zurückgefallen, das 1997 mit 6 Tagen Verzögerung auf die eigentliche Zahlungsfrist noch den ersten Rang besetzt hielt.

Auch beim Anteil verspäteter Zahlungen an allen ausgestellten Rechnungen schneidet die Schweiz schlecht ab. So wird mittlerweile fast jede zweite Rechnung erst nach Ablauf der ordentlichen Zahlungsfrist und Erhalt einer Mahnung beglichen.

Italiens geringe Überalterung der Schulden

Beim Anteil überfälliger Forderungen bei den Schuldenportfolios der Unternehmen liegt die Schweiz mit einer Quote von 47% an zweitletzter Stelle im 7-Länder-Vergleich. Schlechter steht in dieser Rangliste nur Portugal mit 56 Prozent da. Vor der Schweiz liegen Österreich (42%), Deutschland (38%) und Italien (34%).

Das heisst, dass Italien zwar die längste Zahlungsfrist und die höchste Verzugsdauer der sieben Länder aufweist, aber hinsichtlich des Portfolios an überfälligen Rechnungen mit 34% an erster und bester Stelle steht.

Debitorenverlust und Administrativprobleme

Auch beim Debitorenverlust steht Italien mit einer Quote von 1,4% an bester Stelle, gegenüber 1,6% in der Schweiz, oder gar 1,9% in Österreich und Deutschland. Wobei bei diesen Forderungsverlusten gemäss “intrum justitia” die Werte in allen Ländern bei den einzelnen Unternehmen stark voneinander abweichen.

Was die Gründe betrifft, weshalb die Zahlungen verspätet kommen, führt bei der Angabe “administrative Probleme” die Schweiz mit 36%. Mit anderen Worten, mehr als ein Drittel der Säumigkeiten in der Schweiz seien (auch) administrativ bedingt. In Italien macht dieser Grund nur 7% aus. Dafür stecken bei 80% der Säumigkeiten finanzielle Probleme.

Liquiditäts-Engpässe und bedrohte Existenz

Die verzögerte Rechnungs-Begleichung verursacht laut den Studien-Autoren wegen den notwendigen Refinanzierungs- und Mahnkosten Einbussen bis zu 4 Umsatzprozenten.

Die allgemein schlechte Zahlungsmoral führt bei den befragten Unternehmen zu Liquiditäts-Engpässen. In Italien klagten 82 Prozent der Firmen über fehlende flüssige Mittel wegen zu spät bezahlter Rechnungen. In Spanien waren es 45 Prozent, in Deutschland 44, in der Schweiz 43, in Österreich 39 und in Portugal 33 Prozent.

Doch nur 2% der italienischen Unternehmen sind wegen der schlechten Zahlungsmoral ihrer Kundschaft in ihrer Existenz bedroht. In der Schweiz sind es einiges mehr, nämlich 9% – der höchste Wert in den sieben verglichenen Ländern.

Das mag mit der Firmenstruktur im Land zusammenhängen: Die Schweiz ist, was KMUs betrifft, statistisch ein “südeuropäisches Land”: Ihr Anteil an Firmen mit einer Beschäftigungszahl von unter 250 Mitarbeitenden beläuft sich auf über 70%, wie Italien und Spanien. Österreich, Deutschland und Holland haben signifikant kleinere Anteil an KMUs, und dafür mehr Grossunternehmen.

swissinfo, Alexander Künzle und Agenturen

Die Schweiz ist bei einem Vergleich der Zahlungsmoral vom dritten auf den vierten Rang von sieben Ländern zurückgerutscht.

Die schlechte Zahlungsmoral führt bei den befragten Firmen zu Liquiditäts-Engpässen.

Der Vertragsstandard beträgt in der Schweiz 30 Tage Zahlungsfrist – in Italien hingegen 60 bis 90 Tage.

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