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Sondersession zur SNB verläuft im Sand

Kritische Blicke: Die beiden SVP-Nationalräte Caspar Baader und Oskar Freysinger während der Debatte. Keystone

An der Unabhängigkeit der Nationalbank (SNB) wird nicht gerüttelt. Die Parlaments-Sondersession zur Affäre Hildebrand gab viel zu reden, bleibt jedoch ohne Folgen. Bereits im Vorfeld hatte der Bankrat das SNB-Reglement für Eigengeschäfte verschärft.

In der Geldpolitik, also bei Interventionen am Geldmarkt, bei der Zinspolitik, der Geldmenge oder der Unterkursgrenze zum Euro, ist die Nationalbank alleine zuständig.

Die Politik kann Ziele bestimmen, bei der Umsetzung muss die Notenbank unabhängig und frei handeln können. So steht es in der Verfassung.

Die SNB sei “so unabhängig”, dass sie “machen kann, was sie will”, sagte Christoph Blocher am Donnerstag im Rahmen der Sondersession zur SNB. Der SVP Nationalrat und Chefstratege der Partei unterstellte der SNB “Verfilzung”. Man habe sie sogar noch dann “vergöttert”, als die Krise längst offensichtlich gewesen sei.

Die Krise, das war der unfreiwillige Rücktritt von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand am 9. Januar 2012, das waren die mit Blochers Hilfe und dank gestohlener Bankdaten publik gewordenen Devisentransaktionen von Hildebrands Frau, und das war die teils missglückte Krisen- Kommunikation der Aufsichtsorgane.

Nötig wurde die Sondersession wegen einer Reihe parlamentarischer Vorstösse, die zum Ziel hatten, die Nationalbank enger an die Leine zu nehmen, ihre Unabhängigkeit zu beschneiden und den Kantonen mehr Mitspracherecht einzuräumen.

Einzelne Vorstösse verlangten eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), welche die Rolle der Aufsichtsorgane, namentlich des Bankrates und des Bundesrates in den Tagen vor dem Rücktritt Hildebrands, genauer untersuchen sollte.

Euros aus einer Erbschaft

Bereits im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass die Interventionen keine Mehrheit finden würden. Hildebrand hat die Konsequenzen gezogen. Der interimistische Präsident der SNB und Kron-Favorit für die Hildebrand-Nachfolge, Thomas Jordan, hat eine weisse Weste. Das hat eine am 7. März publizierte Untersuchung der Prüfgesellschaft KPMG ergeben.

Die KPMG hat die in den vergangenen Jahren getätigten Eigengeschäfte aller Mitglieder des Erweiterten Direktoriums der SNB einer Analyse unterzogen und grundsätzlich keine Regelverletzungen festgestellt.

Bei näher untersuchten Transaktionen – darunter auch solche von Hildebrand – fanden die Prüfer der KPMG keine Hinweise auf Interessenskonflikte oder darauf, dass vertrauliche Informationen zum persönlichen Vorteil ausgenützt worden wären.

Dennoch versuchten Blocher und andere SVP-Exponenten eine Transaktion von Jean-Pierre Danthine zu einem Skandal hochzufahren. Der Erfolg hielt sich in Grenzen, denn SNB-Direktoriumsmitglied Danthine hatte lediglich Euros, die aus einer Erbschaft in Belgien stammten, in Franken gewechselt und sich damit in die Pensionskasse eingekauft. Ein zweiter Wechsel war auf Verkäufe europäischer Aktien nach seinem Eintritt in die SNB zurückzuführen.

Auch Wohnpartner betroffen

Um künftig Grauzonen zu vermeiden und im Interesse der Glaubwürdigkeit der SNB, hat der Bankrat der SNB zu Beginn dieser Woche das Reglement für Eigengeschäfte von Direktoriums-Mitgliedern verschärft.

Das Regelwerk erlaubt private Finanzgeschäfte lediglich noch in einem stark eingeschränkten Rahmen. So müssen alle Geschäfte, die über Spar-Konten bei der SNB, Einlagen in die Pensionskasse oder in die Dritte Säule oder einen Hauskauf hinausgehen, einem unabhängigen Vermögensverwalter anvertraut werden.

Dieser muss sich an eng gesteckte Vorgaben halten und darf nicht in Anlagen investieren, die “im Hinblick auf die Aufgaben der Notenbank problematisch erscheinen könnten”, wie das Reglement festhält. Für Personen, die im gleichen Haushalt leben wie die Nationalbank-Kader, gelten dieselben Einschränkungen.

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Schweizerische Nationalbank

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik der Schweiz. Ziel ihrer Politik ist Preisstabilität, die laut ihren Angaben eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand ist. Die SNB stützt ihre geldpolitischen Entscheidungen auf eine mittelfristige Inflationsprognose ab. Der Referenz-Zinssatz ist der Dreimonats-Libor (London Interbank Offered Rate). Die Nationalbank verfügt über…

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Emotioneller Schlagabtausch

Grundsätzlich müsse die Aufsicht über die SNB so bleiben wie sie sei: Zu diesem Schluss kam im Februar ein Gutachten des Rechtsprofessors Paul Richli, das der Bundesrat in Auftrag gegeben hatte. Richli bezog sich dabei auf die Verfassung, die der Nationalbank in der Geld- und Währungspolitik ausdrücklich ihre Unabhängigkeit garantiert.

Das Gutachten, das verschärfte Reglement und die Entlastung des Direktoriums durch die KPMG hatten der Sondersession schon im Voraus jegliche gesetzgeberische Brisanz genommen.

Die Live-Übertragung des Fernsehens, das die Gemüter bewegende Thema des gut verdienenden Philipp Hildebrand, dessen Frau mit Devisen gehandelt und damit eine ansehnliche Rendite eingefahren hat, veranlasste die Parteien jedoch zu einem rhetorischen und emotionellen Schlagabtausch über Geldpolitik und die fehlende, oder je nach Sichtweise, intakte Moral von Notenbankern.

“Mit System inszenierte Polemik”

Linke, Grüne und die Mehrheit der bürgerlichen Mitte verteidigten die Unabhängigkeit der SNB. Die SVP verlangte Einschränkungen, Kontrollen, zog die Glaubwürdigkeit des Bundesrates und des Bankrates als Aufsichtsorgane in Zweifel und forderte eine genaue Untersuchung der Vorgänge.

Finanzministerin Eveline Widmer Schlumpf sprach von einer “mit System inszenierten Polemik”, der zum Trotz die SNB ihren “ausgezeichneten Ruf zum Glück” habe halten können. Hildebrand habe “einen guten Job gemacht”, sei aber für “verschiedene politische Kräfte zu wenig beeinflussbar” gewesen”.

Die dringenden Motionen wurden mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Am Tag danach befasste sich der Ständerat mit dem Thema. Der Rat war sich einig, dass kein Handlungsbedarf bestehe, die Aufsicht über die SNB zu ändern.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält an ihrer expansiven Geldpolitik weiterhin fest. So belässt sie das Zielband für den massgeblichen Dreimonats-Libor unverändert bei 0,0 bis 0,25%.

Auch am Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken will die SNB festhalten. Ausserdem bekräftigte sie, den Mindestkurs mit aller Konsequenz durchsetzen zu wollen. Sie sei bereit, unbeschränkt Devisen zu kaufen.

Für das laufende Jahr rechnet die SNB mit einem realen Wirtschaftswachstum von gegen einem Prozent. Die Durchschnittsteuerung für 2012 wird gemäss den Berechnungen der SNB 0,6%  betragen.

Für 2013 prognostizieren die SNB-Ökonomen eine Inflation von 0,3 Prozent. 2014 wird die Teuerung gemäss SNB-Schätzung 0,6 Prozent betragen.

Im National- und im Ständerat wurde wiederholt die Forderung an den Bundesrat gerichtet, nun die Führungsspitze der SNB rasch neu zu besetzen, damit diese wieder voll handlungsfähig sei.

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wies die Befürchtungen zurück, wonach ein weiteres Zuwarten dem aussichtsreichsten Kandidaten für das SNB-Präsidium, Thomas Jordan, schade.

Ihre Kontakte im Ausland zeigten, dass das Vorgehen des Bundesrats nicht als Misstrauen empfunden werde.

Der Bundesrat werde wie angekündigt erst Anfang April entscheiden. Es seien nicht nur das Präsidium neu zu besetzen und ein neues Mitglied ins Direktorium zu wählen, sagte sie. Es seien auch zwei neue Bankratsmitglieder zu ernennen und das Präsidium und Vizepräsidium des Bankrats neu zu besetzen.

Der Bundesrat erachte es als falsch, eine Funktion nun vorwegzunehmen.

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