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“Nein zur Revision des Waffenrechts, weil es die Schweizer entwaffnet”

Swissinfo Redaktion

Luca Filippini bekämpft die Revision des Waffengesetzes. Seiner Meinung nach verfehlt die Angleichung der Schweizerischen Gesetzgebung an die EU-Waffenrichtlinie ihr erklärtes Ziel, den Terrorismus wirksam zu bekämpfen. Zudem sei diese Änderung mit der Schweizer Verfassung und dem Volkswillen nicht vereinbar, meint der Präsident der Interessengemeinschaft Schiessen Schweiz (ISS), welche das Referendum ergriffen hat. Schliesslich warnt Filippini: "Sollte das Schweizer Volk der Anpassung an die EU-Waffenrichtlinie am 19.Mai in der Volksabstimmung zustimmen, bedeutet dies de facto ein Verbot für den privaten Waffenbesitz."

Ich bin gegen diese Waffenrechtsrevision, weil ihre Bestimmungen zutiefst ungerecht und freiheitsgefährdend sind. Sie bringen absolut nichts in Bezug auf die Bekämpfung des Terrorismus, obwohl dies als erklärtes Ziel dieser Gesetzesrevision ausgegeben wird. Sie verstossen auch gegen das Prinzip der Verhältnismässigkeit staatlichen Handels, wie es im Artikel 5 Absatz 2 der Schweizerischen Bundesverfassung verankert ist.

Die Europäische Union (EU) hat vier islamistische Terroranschläge angeführt, die mit Hilfe von Schusswaffen durchgeführt wurden, um die Verschärfung des Gesetzes zu rechtfertigen. Aber keine der Waffen, die bei diesen Massakern verwendet wurden, waren legal beschafft worden. Keine einzige!

Standpunkt

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Doch die Unvereinbarkeit mit der Verfassung ist nicht das einzige Problem. Im Jahr 2011 lehnte der Schweizer Souverän die radikale Volksinitiative “Für den Schutz vor Waffengewalt” ab, welche im Grund die gleichen Bestimmungen beinhaltete, die nun in der Anpassung an die EU-Waffenrichtlinie zu finden sind. Mit anderen Worten: Das jetzt von der Parlamentsmehrheit beschlossene Gesetz steht in Widerspruch zum Volkswillen.

Weitere Verschärfung in der Hinterhand

Im Jahr 2005 versicherte der Bundesrat den Bürgern in Zusammenhang mit der Abstimmung über den Beitritt zum Schengen-Raum, dass es im Rahmen dieser Vereinbarung nicht zu einer drastischen Verschärfung des Waffenrechts kommen würde und auch die Einführung einer Bedürfnisklausel für den Besitz einer Waffe nicht in Frage käme.

Haben die Bundesverfassung, der Volkswillen und die damaligen Erklärungen des Bundesrats also keine Gültigkeit mehr? Es geht hier nicht nur um eine Schusswaffen-Problem, sondern vor allem um ein gravierendes rechtsstaatliches Problem.

Luca Filippini a mezzo busto
Luca Filippini ist Generalsekretär des Innen- und Justizdepartements des Kantons Tessin. Er studierte Ingenieurwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Dort absolvierte er auch einen Nachdiplom-Studiengang in Wirtschaftswissenschaften. Im Militär war er Stabschef der Gebirgsinfanteriebrigade 9. Der 51-jährige Tessiner ist Präsident des Schweizer Schiesssportverband (SSV) und der Interessengemeinschaft Schiessen Schweiz (ISS), welche die Übernahme der EU-Waffenrichtlinie und somit die Revision des Schweizerischen Waffenrechts bekämpft. Über die Vorlage wird am 19. Mai 2019 in einer Referendumsabstimmung abgestimmt. © Keystone / Peter Schneider

Die Bestimmungen sind freiheitsfeindlich, da es in Tat und Wahrheit um ein Verbot des privaten Waffenbesitzes geht. Im Artikel 17 der Richtlinie behält sich die EU vor, das Waffenrecht alle fünf Jahre auf seine Wirksamkeit zu prüfen und es im Falle einer Notwendigkeit zu verschärfen.

Da dieses Gesetz als Anti-Terror-Massnahme nutzlos ist, muss man kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass eine weitere Verschärfung im Grunde schon beschlossen ist. Mit diesen weiteren Schritten ist insbesondere zu rechnen: Ein absolutes Verbot von halbautomatischen Waffen und die Einführung von psychologischen Tests auf allen Ebenen. Danach werden die Jagdgewehre an der Reihe sein, und so weiter…

Nein zur Entwaffnung

Das Recht auf Waffenbesitz gehört zu den wichtigsten Freiheiten. Die westliche Zivilisation ist die Zivilisation der Menschenrechte. Diese basiert auf der Idee, dass jeder Mensch unveräusserbare Grundrechte besitzt, die eben gerade sein Menschsein ausmachen. Diese unveräusserbaren Rechte müssen unter allen Umständen gelten, sonst wären sie nämlich weder unveräusserbar noch Rechte.

Wenn ein Staat einem unbescholtenen Bürger verbieten kann, eine handelsübliche Schusswaffe zu besitzen, verwandelt er die Menschenrechte einfach in staatliche Privilegien: Ohne die Unterstützung des Staates oder, schlimmer noch, angesichts der Macht eines Staates, der nicht rechtsstaatlich ist, ist eine Bürgerin oder eine Bürgerin völlig wehrlos und damit auch ohne Rechte.

Unverzeihliche Naivität

Leider ist auch in der Schweiz das Argument immer öfter zu hören, wonach das Recht auf den Besitz einer Waffe einen unnützen Anachronismus in einer modernen und aufgeklärten Demokratie darstellt. Doch dieser Standpunkt spiegelt eine unverzeihliche Naivität. In der Logik all jener, welche das Recht auf Waffenbesitz für überflüssig halten, könnten wir auch die Gewaltenteilung und das Militär abschaffen. Denn ohne Parlament, Gerichtsbarkeit und Armee würden wir jedes Jahr viele Milliarden Franken sparen.

Das Recht auf privaten Waffenbesitz ist jedoch eine Art Mechanismus, der die Rechte eines Individuums vor möglichem Missbrauch durch den Staat oder die Gemeinschaft schützt. Es ist kein Zufall, dass im Laufe der Geschichte jedes totalitäre Regime mehr oder weniger mit der Abschaffung des Rechts auf privaten Besitz von Schusswaffen begonnen hat.

Aus all diesen Gründen gibt es nur eine Schlussfolgerung: Nein zum Waffengesetz am 19.Mai!

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

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(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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