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Tschernobyl-Auswirkungen auf Atomdiskussion

Die Katastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986 hat auch in der Schweiz die Atomdiskussion nachhaltig beeinflusst. Sie trug zur Annahme der Moratoriums-Initiative und zur Aufgabe von AKW-Projekten bei.

Hier eine Chronologie der Ereignisse:

28. April 1986:

Erste Meldungen über das Unglück von Tschernobyl.

29. April 1986:

Die Alarmorganisation mit der Überwachungszentrale (heute Nationale Alarmzentrale) tritt in Funktion und wird durch Militärpersonal verstärkt. Zunächst wird die Verstrahlungsgefahr als gering eingeschätzt.

Ab 30. April 1986:

In verschiedenen Landesteilen werden erhöhte Strahlenschutzwerte gemessen.

3. Mai 1986:

Die Kommission zur Überwachung der Radioaktivität veröffentlicht Vorsichtmassnahmen. Unter anderem sollen Schwangere keine Frischmilch trinken, frisches Gemüse sei zu waschen.

25. Mai 1986:

Nur noch im Südtessin werden höhere Strahlenwerte gemessen. Die meisten Vorsichtsempfehlungen werden aufgehoben.

Mitte Juni 1986:

Der Nationalrat (grosse Parlamentskammer) behandelt 20 dringliche Interpellationen zu Tschernobyl.

21. Juni 1986:

Über 20’000 Personen nehmen an der Anti-AKW-Demo in Gösgen teil.

27. Juni 1986:

Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten fordert vom Bund 10 Mio. Franken Schadenersatz für Ausfälle im Zusammenhang mit Tschernobyl. Erst nach jahrelangem Rechtsstreit bis vor das Bundesgericht muss der Bund Ende 1990 schliesslich 8,7 Mio. zahlen.

3. Sept. 1986:

Für den Luganersee wird ein Fischereiverbot wegen erhöhter Strahlenwerte erlassen (bis Juli 1988).

12. September 1986:

Der Bundesrat setzt die Verordnung über die Konzentration von Radionukliden in Lebensmitteln in Kraft.

Okt. 1986:

Sondersession der eidgenössischen Räte zu Tschernobyl. Der Bundesrat gibt die Ausarbeitung eines Energieartikels sowie eines Berichts über Ausstiegszenarien in Auftrag.

1. Nov. 1986:

Chemieunglück bei der Sandoz AG bei Basel – die Schweiz hat ihr Tchernobâle.

1988:

Angesichts des wachsenden Widerstandes in der Bevölkerung werden die AKW-Projekte Graben BE und Kaiseraugst AG vom Bund beerdigt.

Sommer 1990:

Erste Ferienaktion in der Schweiz für Kinder aus den verstrahlten Gebieten der Sowjetunion.

23. Sept. 1990:

In einer eidgenössischen Abstimmung werden der Energie- Artikel und die Moratoriums-Initiative für einen zehnjährigen AKW-Baustopp angenommen, die Atom-Ausstiegsinitiative verworfen.

22. März 1991:

Die eidgenössischen Räte verabschieden das auf Grund der Tschernobyl-Erfahrungen ausgearbeitete Strahlenschutzgesetz mit Verordnung (in Kraft ab 1. Oktober 1994).

20. Nov. 1997:

Die Schweiz erklärt sich an einer internationalen Konferenz in New York bereit, 6,4 Millionen Franken für die Renovation der Schutzhülle des Kernkraftwerkes Tschernobyl zur Verfügung zu stellen.

22. Oktober 1998:

Die Landesregierung spricht sich grundsätzlich für einen “geordneten Rückzug aus der Kernergie” aus. Die derzeitig aktiven AKWs sollten nach einer noch festzulegenden Betriebsdauer stillgelegt werden.

2000:

Das Ende des 10-Jahre-Moratoriums und das neue CO2-Gesetz bringen eine Wende in der Atom- Diskussion. Atomkraft-Befürworter sehen in der Atomenergie nicht zuletzt wegen der CO2-Frage eine saubere Alternative zu fossiler Energie.

18. Mai 2003:

Die Atominitiativen “Strom ohne Atom” (für einen Atomausstieg) und “Moratorium Plus” (für ein weiteres zehnjähriges AKW-Moratorium) werden klar verworfen.

1. Feb. 2005:

Das revidierte Kernenergie-Gesetz, ein indirekter Gegenentwurf zu den 2003 verworfenen Initiativen, tritt in Kraft. Es hält die Option Kernenergie offen und unterstellt neue AKW dem fakultativen Referendum.

swissinfo und Agenturen

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