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Übergewicht schon vor der Geburt bekämpfen

Bewegung ist unerlässlich, um leichten Schrittes durchs Leben zu gehen.

Schon Neugeborene können übergewichtig zur Welt kommen. Während in vielen Ländern das Geburtsgewicht steigt, sinkt es in der Schweiz seit einigen Jahren. Die Gründe dafür sind noch nicht eindeutig geklärt.

Übergewicht kann bereits im Mutterleib zu einem Thema werden. Während der Schwangerschaft kann mit Ultraschall das Gewicht des Babys zwar nur geschätzt werden. Exakt bestimmen lässt sich das Gewicht erst nach der Geburt.

Allerdings sei die Geburt nur ein Messzeitpunkt, erklärt Katharina Quack Lötscher, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Klinik für Geburtshilfe des Universitätsspitals Zürich. “Vieles geschieht nach der Geburt. Wer sich zu einem übergewichtigen Kind entwickelt, kann man nur schwer gleich bei der Geburt sagen.”

Laut der Ärztin gibt es zu wenig Zahlen von Kindern, die man systematisch über 20 Jahre hinweg verfolgt hat. “Man weiss, dass ein Geburtsgewicht über 4000 Gramm ein gewisses Risiko darstellt, übergewichtig zu werden. Es gibt aber auch Kinder, die leichter sind und übergewichtig werden.”

Dass bereits Neugeborene übergewichtig sein können, hat verschiedene Ursachen. Es sei ein Zusammenspiel von Genen und Umwelt, erklärt Quack Lötscher.

“Neben den Genen gibt es äussere Faktoren wie etwa das Gewicht der Mutter vor und während der Schwangerschaft, ihr Alter oder die soziale Schicht. Es ist aber schwierig herauszukristallisieren, wie gross der Einfluss der einzelnen Faktoren ist.”

In einer Studie des Bundesamtes für Statistik (BFS) aus dem Jahr 2007 zu Totgeburten und Säuglingssterblichkeit in der Schweiz wurde unter anderem das Geburtsgewicht ausgewertet.

Quack Lötscher, Mitautorin dieser Studie, erklärt, dass es in der Studie nur grobe Angaben zu den verschiedenen Faktoren gebe. Aus den Zahlen gehe nicht hervor, in welcher Schwangerschaftswoche das Kind geboren wurde, denn auch das habe einen Einfluss auf das nationale durchschnittliche Geburtsgewicht.

Sinkendes Geburtsgewicht in der Schweiz

Vergleicht man Daten über das durchschnittliche Geburtsgewicht in der Schweiz mit anderen Ländern, zeigt sich Erstaunliches: Während in den meisten Ländern das Geburtsgewicht seit Jahren steigt, nimmt es in der Schweiz seit 1994 ab.

Laut der Studie des BFS sank das mittlere Geburtsgewicht in der Schweiz zwischen 1994 und 2002 jährlich um durchschnittlich 3 Gramm. Dies ist auffällig, denn zwischen 1979 und 1994 war es ebenso kontinuierlich um 2.5 Gramm jährlich angestiegen.

Stellt die Schweiz hier eine Ausnahme dar? Die Wissenschafterin mahnt zur Vorsicht bei voreiligen Schlüssen aus solchen Ländervergleichen: “Man muss aufpassen, welche Zahlen man miteinander vergleicht. In der Studie beziehen sich die Zahlen auf die Gesamtgeburtenzahl, d.h. egal ob das Kind in der 22. oder in der termingerechten 40. Woche zur Welt kommt.”

Es gibt verschiedene Gründe, die für den Rückgang des Geburtsgewichts in Betracht zu ziehen sind: “Zum einen sind die Mehrlingsgeburten gestiegen. Diese Kinder haben ein leichteres Geburtsgewicht als Einlinge.”

Ausserdem lässt sich bei den Zahlen vermuten, dass im Vergleich zum letzten Jahrzehnt heutzutage schneller interveniert wird: “Ein Teil der Schwankungen beim Geburtsgewicht geht auf diese Interventionen zurück. Das heisst, ein Kind wird vorsichtshalber frühzeitig mit einer Geburtseinleitung oder per Kaiserschnitt zur Welt gebracht, weil es später unter Umständen zu Komplikationen kommen könnte.”

Nationale, kantonale und individuelle Prävention

Die Wissenschafterin geht davon aus, dass es künftig eine Art Schere geben wird: “Schwere und leichte Kinder werden prozentual zunehmen. Aber beides ist nicht gut: weder zu schwer noch zu leicht.”

Auf kantonaler und nationaler Ebene gibt es verschiedene Programme und Massenahmen im Kampf gegen Übergewicht. Mitte März wurde im Kanton Zürich ein Aktionsprogramm gegen Übergewicht lanciert. Ein Teil des Programms zielt dabei direkt auf die Schwangeren.

Zu erwähnen sind auch die Bemühungen von Suisse Balance oder von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. Beide stellen viele Informationen zum Thema Ernährung und Kinder online zur Verfügung.

Laut der Ärztin ist es wichtig, dass ein präventiver Ansatz möglichst schon vor der Schwangerschaft beginnt: “Man muss die Frauen ermuntern, mit Normalgewicht in eine Schwangerschaft zu gehen und während der Schwangerschaft nur in einem normalen Rahmen zuzunehmen, d.h. essen für zwei ist definitiv nicht nötig. Nach der Geburt wirkt insbesondere das Stillen präventiv gegen Übergewicht.”

Weiter betont Quack Lötscher die Wichtigkeit der Vorbildfunktion der Eltern: “Ein gesunder Lebensstil der Eltern ist einer der besten präventiven Ansätze, um schwergewichtigen Kindern frühzeitig zu helfen, beziehungsweise sie gar nicht erst schwergewichtig werden zu lassen.”

swissinfo, Sandra Grizelj

Am Termin geborene Kinder schwanken zwischen 2500g und 4000g.

Ein termingeborenes Kind, das über 4000g wiegt, ist übergewichtig. Gemessen an der Normalverteilung des Geburtsgewichts in der Bevölkerung heisst das, dass diese Kinder schwerer als 90% aller Kinder sind.

10% aller Kinder sind wegen ihrer Konstitution und Genetik über 4000g schwer. Diese Kinder gelten als makrosom.

(Quelle: Katharina Quack Lötscher)

Im Jahr 2002 brachten rund 30% der Erwachsenen in der Schweiz zu viele Kilos auf die Waage.

Fast 7% davon waren adipös, das heisst stark übergewichtig.

Jedes fünfte Kind in der Schweiz ist heute zu dick.

Gemäss einer Studie des Bundesamts für Gesundheit (BAG) verursachen die Folgen von Übergewicht in der Schweiz jährlich Kosten von rund 2,7 Mrd. Franken.

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