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Ueli Prager schrieb Gastro-und Hotelgeschichte

Nicht nur in der Gastronomie, sondern auch in der Hotellerie, vor allem in Ägypten, war Ueli Prager ein Pionier. Keystone

Mitte Oktober 2011 ist mit Mövenpick-Gründer Ueli Prager eine der kreativsten und umtriebigsten Unternehmer-Persönlichkeiten der Schweizer Nachkriegszeit gestorben. Ausser der Regelung der eigenen Nachfolge ist ihm fast alles geglückt.

Alles, was heute als unternehmerisch gilt, hatte der Schweizer Gastro- und Hotelpionier Ueli Prager bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts angewandt:

Eine eigene Marke mit durchschlagender Wirkung (“Mövenpick”), ständiges Neuerfinden und Weiterentwickeln der eigenen Kompetenzen (Gastronomie-Typen, Food-Markenartikel und Hotellerie), Globalisierung (Trends importieren und Wachstum exportieren), modernes Methoden der Finanzierung mit lokalen Partnern, Immobilien- und Freizeitspezialisten sowie Nutzung der Kapitalmärkte.

Während Mitte des 20. Jahrhunderts in der Schweizer Gastronomie und Hotellerie noch ein gewerblich-konventioneller und etwas standesdünklerischer Geist vorherrschte, führte Prager sein Unternehmen bereits in industriellen Strukturen. So wurde die schnelle, aber von der Qualität her hochstehende Art der Systemgastronomie (“Erste Klasse für jedermann”) rasch erfolgreich.

Für die Gäste in der Schweiz war auch neu, dass sie den Mövenpick-Restaurants ausserhalb der gängigen Essenszeiten warme Speisen erhielten.

Hotelier, aber auch Kaufmann und Gastronom

“Pragers Wissbegier und seine Neugier führten dazu, dass er meist in seinen Ferien noch irgendwelche Rezepte auflas, die er zuhause seinen Spezialisten ans Herz legte”, sagt Urs Kneubühl, der in den 80er-Jahren Leiter der internen PR und der Gästezeitung war, gegenüber swissinfo.ch .

Als bekannteste Adaption eines exotischen in ein Mövenpick-Rezept gilt wohl Riz Casimir – Curry war damals in der Schweiz noch wenig bekannt und seine Schärfe  für den helvetischen Gaumen noch nicht bekömmlich. Dank den vorgelagerten systemgastronomischen Prozessen vermochte Mövenpick auch bisher teure Ware wie Fische und Scampi günstiger anzubieten. Dazu kamen Tisch-Sets statt Tischtücher, Tellerservice statt 3-Gang-Menüs, Salatbüffets, Wein und Champagner im Offenausschank statt Zwang zur ganzen Flasche.

Kaderschmied und Förderer

“Ich hatte eigentlich eine recht freie Hand bei Prager – er war mein direkter Ansprechpartner”, sagt Kneubühl. “Wesentliche Themen wie Kaderinformation besprach er direkt mit mir. Er wusste über alles Bescheid. Es war sehr schön, mit ihm zusammen zu arbeiten.”

“Sein immenses Wissen hat er nicht für sich behalten. Geheimnisse kannte er keine, er gab sein Wissen gerne weiter, was aus ihm dann nebenbei noch einen grossen Kaderschmied machte. Als Folge davon waren wir Mitarbeiter immer sehr nahe an den von ihm entwickelten Ideen.”

Das habe dann oft zu Anrufen noch um 23 Uhr abends geführt. Kneubühl, damals in der Nähe von Prager wohnhaft, fuhr jeweils noch schnell zu Pragers nach Hause, um die neuen Projekte zu bereden. “Viele Ideen stammten auch aus seiner Belesenheit. Wir fragten uns immer, woher er die Zeit auch dafür noch nahm.” Dank Pragers Charisma habe es Kneubühl auch nichts ausgemacht, um Mitternacht nochmals aktiviert zu werden.

“Manchmal kamen Ideen auf, die zu riesigen Rennern wurden:” Produktemarken wie Kaffee oder Glacé, die sich über Lizenznehmer auch im Detailhandel verkaufen liessen,   Silberkugel, Marché oder Cindy, die Adaptierung der Brunch-Idee auf Schweizer Verhältnisse, und viele mehr.

Ein Hotel am Flughafen?

Prager war der erste, der in den 70er-Jahren in Zürich-Kloten ein Airport-Hotel eröffnete. Keiner ausser ihm glaubte damals, auf einem Flughafen brauche es ein Hotel. Auch als er 1986 ein Hotel in Peking eröffnete, glaubte niemand an einen Erfolg in diesem Land.

Er sei seiner Zeit oft um 20 Jahre voraus gewesen, sagt Hans-Peter Dürr, der während 18 Jahren bei Mövenpick, und davon viele Jahre als CEO der Mövenpick Hotelgruppe tätig war. “1973 stiess ich zum Konzern und fand schon modernste Management-Methoden vor”, sagt er gegenüber swissinfo.ch . “So war ich mit Abstand der jüngste Hoteldirektor eines Stadthotels, meine Kollegen waren alle mindestens 20 Jahre älter.”

“Die ganze Schulung, Aus- und Weiterbildung, Business Pläne, Budgeterstellung etc. waren bei Prager schon zu jener Zeit selbstverständlich. Damals kamen acht von zehn Leuten, die in der Gastronomie und Hotellerie wirklich Karriere machten, aus Pragers Küche”, so Dürr.

Globalisierung an Hand der Familie Sawiri

Dass Samih Sawiris heute ausgerechnet in der Schweiz in Andermatt etwas Ähnliches aufzuziehen versucht wie Prager vor 40 Jahren in Ägypten, ist kein Zufall. Die Familie Sawiris war ein langjähriger Partner von Prager, als dieser seine Hotelformel im Nahen Osten auf Ägyptens Destinationen Gizeh, Luxor und dann das Rote Meer ausweitete: Die Besitzer der Hotelimmobilien und des Baulandes waren Inländer, Mövenpick übernahm dabei nur das Management.

Vor Pragers Zeiten wäre es wohl keinem Ägypter in den Sinn gekommen, am Roten Meer Ferien zu machen. Auch Andermatt gehört in der Schweiz kaum zu den populären Skiorten. Ein Urlaubs-Resort, so zeigte Prager, lässt sich auch aus dem Boden stampfen.

Doch gegen Ende der 80-er Jahre zeichnete sich im Konzern eine Stagnation ab. Prager, bereits über 70-jährig, hatte sechs Kinder von drei Ehefrauen, und dennoch keine Nachfolgeregelung zur Hand. So übernahm 1989 Jutta, seine dritte Ehefrau und ehemalige Chefsekretärin, die alles schon kannte und wusste, das Direktionspräsidium.

Prager musste als VR-Präsident zusehen, wie seine Kaderleute Mövenpick unter Jutta verliessen und der Konzern Probleme bekam. 1991 schliesslich setzte er Jutta ab und verkaufte die Aktienmehrheit an August von Finck. Kurz darauf wanderte er mit seiner Frau nach London aus.

“UP” wurde 1916 in Wiesbaden geboren und starb am 15. Oktober 2011.

Prager, dessen Vater das Zürcher Hotel Carlton Elite führte, studiert Ökonomie an der Uni Zürich.

In London war er Page im Luxuhotel Savoy und Rezeptionist im Mayfair, wo er das Beobachten lernte.

Aus seinem ersten Mövenpick-Restaurant in Zürich entwickelte sich ein grosser, börsenkotierter Gastro-, Hotel- und Food-Konzern.

Das Logo von “Mövenpick” leitet sich aus dem zum V verkürzten W einer Möwe ab, die ihr Essen im Flug aufpickt und einen modernen Menschen mit wenig Zeit darstellt.

An der Dreikönigsstrasse in Zürich wird 1948 das erste Mövenpick-Restaurant eröffnet.

1954 wird der “Wein des Monats” als Mövenpick-Institution eingeführt.

1958 beschäftigt Mövenpick bereits 600 Mitarbeitende.

1962 wird die erste Silberkugel in Zürich eröffnet.

1963 wird der erste Markenartikel, ein Kaffee, lanciert.

1965 erstes Restaurant in Deutschland eröffnet.

1968 erste Autobahn-Raststätte in Deitingen (SO).

1969 Mövenpick Ice Cream wird entwickelt.

1973 Start zum Aufbau der Hotelgruppe (Zurich-Airport, Zürich-Regensdorf).

1975 Erste Hotels in Ägypten, 1980 in New York und Toronto.

1983 Geburt der Marché Restaurants.

1989 Ehefrau Jutta Prager übernimmt die Leitung.

1991 Verkauf der Aktienmehrheit an den Bayerischen Baron August von Finck.

2003 Verkauf der Icecream-Marke an Nestlé.

2007 Die Mövenpick-Aktien werden dekotiert (d.h. sie sind nicht mehr handelbar), Mövenpick wird zum privaten Familienunternehmen. 

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