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Chocolaterie

Unsere Leseempfehlung der Woche

Liebe Schweizerinnen und Schweizer im Ausland

Mein Kollege Luca Beti hat in Neuseeland eine Auslandschweizerin getroffen, die an einem Küstenort eine Chocolaterie eröffnet hat, wo sie Schweizer Spezialitäten verkauft. Eine Geschichte zum Dahinschmelzen!

Liebe Grüsse aus Bern

Ein Paar vor einem Laden
Ines Hasler und Adrien Willa vor dem Schokoladenladen “Chez moi” in Waihi Beach, im Norden Neuseelands. Luca Beti

Eine Schweizerin verführt Neuseeländer mit SchokoladeInes Haslers Konditorkunst hat den Gaumen der Neuseeländer erobert. In Waihi Beach eröffnete die junge Walliserin ein Schokoladengeschäft, in dem sie Schweizer Spezialitäten verkauft: Pralinen, Trüffel, Karamellschokolade und künstlerische Kompositionen. Eigentlich wollte sie in Waihi Beach bloss surfen. Ein Porträt.

von Luca Beti, Motueka (Neuseeland)

“Schweizer essen vor allem im Winter Schokolade, Neuseeländer hingegen dann, wenn ihnen danach ist, also immer”, sagt Ines Hasler und lacht. Ein Glück für sie, denn sie verkauft Schokolade. Ihr Schokoladenladen liegt nur einen kurzen Spaziergang vom Meer entfernt in Waihi Beach, einem Dorf mit knapp 2000 Einwohnern in der Bay of Plenty auf der Nordinsel Neuseelands.

Wir sind ihr auf dem Weg zur Coromandel-Halbinsel begegnet. Eine Freundin hatte uns von der Chocolaterie erzählt, und so liessen wir uns die Gelegenheit nicht entgehen, den Geschmack der Heimat – Schokolade – zu kosten.

Ines’ Schokoladenladen liegt etwas versteckt, etwa zwanzig Meter von der Hauptstrasse entfernt. Dort hat die 28-jährige Walliserin im Jahr 2016 ihr Geschäft eröffnet. “Chez moi”, so heisst ihr kleiner Laden mit der roten Decke, dem Matterhorn an der Wand und einem Schaufenster, in dem die Schweizer Köstlichkeiten ausgelegt sind: Truffes, Pralinen, Schokoladentafeln in tausend Geschmacksrichtungen und, je nach Jahreszeit, Weihnachtsbäume oder Osterhasen.

“Ich bin froh, dass ich nicht in der Innenstadt bin. Sonst hätte ich keine Minute Zeit”, sagt Ines. “Im Winter sind es vor allem Leute vom Ort, die mich besuchen, im Sommer Touristen und Neuseeländer. Zum Glück ist Adrien hier, um mir zu helfen.

Waihi Beach ist acht Monate im Jahr ein verschlafener Ferienort. In den Sommermonaten zieht es dann Zehntausende von Feriengästen an die Strände.

Eine Reihe von Zufällen

Ines entdeckte Waihi Beach eher zufällig. 2010 reiste sie mit ihrem Partner Adrien Willa durch Neuseeland. Auf dem Dach ihres Busses lagen zwei Surfbretter. In Waihi Beach wollten sie ihre Leidenschaft ausleben und auf den Wellen reiten.

“Aber das Meer war völlig ruhig. Glatter als der Genfer See”, erinnert sich Ines lachend. “Auf dem Rückweg von der Coromandel-Halbinsel machten wir erneut Halt in Waihi Beach. Nicht den Hauch einer Welle.”

Die beiden entdeckten jedoch einen Laden, der Surfbretter verkaufte. Adrien bestellte eines, das erst drei Wochen später fertig sein würde. “Und so gingen wir ein drittes Mal nach Waihi Beach.” Das Surfbrett war nicht da, ebenso wenig der Verkäufer. “Der hatte sich in Luft aufgelöst”, erzählt Ines.

In der Zwischenzeit hatten die jungen Globetrotter in Waihi Beach Freunde gefunden. Und das Meer bescherte ihnen unvergessliche Momente beim Reiten auf den Wellen.

Zurück in der Schweiz arbeiteten Ines und Adrien eineinhalb Jahre. Nachdem sie genug Geld für eine neue Reise zur Seite gelegt hatten, flogen sie zurück nach Neuseeland. Diesmal dauerte der Aufenthalt drei Monate. “Das Schicksal brachte uns wieder nach Waihi Beach”, erzählt die junge Frau aus Siders im Kanton Wallis. “Die Geschäftsführerin eines Cafés von hier bot mir einen Job an. Sie wollte in ihrem Lokal eine Chocolaterie eröffnen.”

Bei ihrer Rückkehr ins Wallis bemühen sich die beiden Jungen daher, eine Aufenthaltsgenehmigung für Neuseeland zu bekommen. Das war im März 2014. Das Verfahren dauerte länger als erwartet. “Anfang 2015 teilten uns die Behörden mit, dass unser Antrag abgelehnt wurde. Zwei Monate später schrieben sie uns erneut, dass wir stattdessen ein Visum bekommen. Wir waren überglücklich.”

Es war inzwischen März 2015. Ines und Adrien kauften sofort ein Flugticket, verabschiedeten sich von Siders und Vétroz, von Familie und Freunden. Mit zwei Koffern begannen sie ihr neues Lebensprojekt im “Land der Kiwis”.

An den Herd, um Spiegeleier zu braten

In Waihi Beach erwartete sie allerdings eine Überraschung. Die Geschäftsführerin des Cafés, in dem Ines arbeiten wollte, hatte inzwischen die Meinung geändert: Statt einer Chocolaterie eröffnete sie ein Restaurant. Die junge Schweizerin fand sich deshalb hinter einem Herd wieder. Und Adrien in einer Schürze: Er arbeitete als Barkeeper und bediente die Gäste an den Tischen. “Während eineinhalb Jahren bereitete ich Spiegeleier mit Speck zu”, erinnert sich Ines. “Ich koche gerne, aber nicht jeden Tag dasselbe.”

So kam der Wunsch auf, etwas Eigenes zu eröffnen. Und die Gelegenheit bot sich kurz darauf. Eine Bekannte zog um, wodurch ein kleiner Geschäftsraum frei wurde. “Adrien und ich beschlossen, es zu versuchen. Wir renovierten das Lokal, so wie es uns gefällt”, sagt die junge Walliserin.

“Die Formalitäten zur Gründung eines eigenen Unternehmens waren ein Kinderspiel”, sagt Ines. Es genügt, auf einer Internetplattform den Namen des Unternehmens einzugeben und 120 Dollar zu bezahlen und die Sache ist geritzt. “Im ersten Winter blieben die Kunden aus. Aber danach sprach es sich herum und nun vergeht kein Tag, an dem ich nicht weiss, was ich tun soll.”

In diesen drei Jahren ist das “Chez moi” zu einem Muss geworden für Feriengäste von Waihi Beach. “Ferienhausbesitzer kommen als Erstes bei mir vorbei, um sich zu vergewissern, dass es den Laden noch gibt. Das ist eine grosse Genugtuung für mich”, sagt Ines.

Die Konditorin aus Siders träumte schon immer von einem eigenen Laden, zumindest seit sie mit 15 Jahren Lasse Hallströms Film “Chocolat” sah. “Da habe ich beschlossen, den Beruf der Konditorin zu erlernen.”

Natürlich hätte Ines nie gedacht, dass sie ihren Schokoladenladen auf der anderen Seite der Welt, in Neuseeland, eröffnen würde, wo sie ihrer zweiten Leidenschaft, dem Surfen, nachgehen kann.

Auf die Frage, ob sie jemals in die Schweiz zurückkehren wird, antwortet sie: “Jetzt bin ich hier. Wer weiss, was morgen sein wird. Ich fühle mich nicht als Emigrantin. Das wäre etwas Definitives. Ich lebe im Moment. Das ist der ‘Kiwi way’.”


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