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Viele Schweizer Jugendliche sind kapitalismusfeindlich

Gewisse linksextreme Ideologien wie eine kapitalismusfeindliche Einstellung finden unter Schweizer Jugendlichen hohe Zustimmung. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage mit rund 8300 Jugendlichen. Nur eine Minderheit befürwortet jedoch linksextreme Gewalt. (Symbolbild) Keystone/KEYSTONE/TI-PRESS/ALESSANDRO CRINARI sda-ats

(Keystone-SDA) Gewisse linksextreme Ideologien wie eine kapitalismusfeindliche Einstellung finden unter Schweizer Jugendlichen hohe Zustimmung. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage mit rund 8300 Jugendlichen. Nur eine Minderheit befürwortet jedoch linksextreme Gewalt.

Fast jeder zweite Jugendliche ist dem Kapitalismus gegenüber feindlich eingestellt, rund jeder fünfte auch gegenüber Polizei und Staat. Andere Aspekte einer linksextremen Ideologie finden jedoch deutlich weniger Zuspruch bei jungen Schweizern. Dies ist eines der Ergebnisse der Studie “Verbreitung extremistischer Einstellungen und Verhaltensweisen unter Jugendlichen in der Schweiz” der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Haute École de Travail Social Fribourg (HETS-FR).

Die Umfrage mit 8317 Jugendlichen im Alter von 17 bis 18 Jahren in zehn Kantonen zeigt, dass Linksextremismus unter Jugendlichen in der Schweiz verbreiteter ist als Rechtsextremismus oder Islamismus, wie die ZHAW am Dienstag mitteilte. Einzelne linksextreme Ideologien finden hohe Zustimmung, Gewalt als Mittel lehnt die grosse Mehrheit jedoch ab. Dieses Muster findet sich auch für die beiden anderen extremistischen Ausrichtungen.

Trotz der hohen Ablehnung gegenüber Kapitalismus (47,1 Prozent), Polizei und Staat (21,7 Prozent) unter allen befragten Jugendlichen, befürworten nur 5,6 Prozent den Kommunismus und 8,1 Prozent Gewalt gegen Polizisten, wie es in der Mitteilung hiess. Insgesamt können 7 Prozent aller Studienteilnehmenden als linksextrem eingestellt gelten. Tatsächlich linksextreme Gewalt verübt hatten dabei nur 4,4 Prozent in den zurückliegenden zwölf Monaten.

Jeder Vierte gegen Ausländer

Als rechtsextrem einzustufen sind der Studie zufolge knapp 6 Prozent der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, die knapp die Hälfte der Befragten ausmachten. Die Auswertungen zu Rechtsextremismus bezogen sich nur auf diese Gruppe, da diese Form des politischen Extremismus aus Sicht der Einheimischen die eigene Gruppe aufwertet und verschiedene Zuwanderergruppen abwertet, wie es im Bericht heisst.

Unter den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund fand sich bei jedem Vierten eine ausländerfeindliche Einstellung. 21,1 Prozent waren nationalistisch eingestellt, hiess es weiter. Gewalt gegen Ausländer befürworteten aber nur 4,8 Prozent, 5,4 Prozent waren für eine Diktatur. Gewalt oder Sachbeschädigung gegenüber Ausländern oder Linksextremen hatten jedoch nur 2,6 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten verübt.

Wenig Schweizerfeindlichkeit

Unter den muslimischen Jugendlichen gelten nur 2,7 Prozent als islamistisch extrem eingestellt, jedoch sind 43 Prozent der Jugendlichen gegenüber westlichen Gesellschaften abwertend eingestellt, schrieb die ZHAW in der Mitteilung. “Denn aus ihrer Sicht werden Muslime durch den Westen unterdrückt und die Ausbeutung durch die westliche Welt ist in ihren Augen verantwortlich für Gewalt und Krieg in den islamischen Ländern”, liess sich Dirk Baier von der ZHAW zitieren.

28,8 Prozent der befragten Muslimen zeigten sich ausserdem feindlich gegenüber nicht-traditionellen Muslimen. Eine Schweizerfeindlichkeit stellten die Forschenden allerdings nur bei 3,7 Prozent fest, eine Gewaltbereitschaft gegenüber nichttraditionellen Muslimen nur bei 5,1 Prozent.

Als Extremismusdefinition verwendete die Studie Einstellungen und Verhaltensweisen, die sich durch Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaats auszeichnen und anstreben, diesen auch durch Gewalt zu überwinden und eine andere politische Ordnung zu ersetzen.

Da die zehn einbezogenen Kantone jedoch bewusst ausgewählt wurden und es zahlreiche Absagen von Schulen gab, an der Befragung teilzunehmen, könnten die Ergebnisse allerdings nicht so einfach auf die gesamte Schweiz verallgemeinert werden, heisst es im Bericht.

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