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Waadtländer Kantonalbank in Schieflage

Die Waadtländer Kantonalbank am Tropf der Staatskasse. Keystone

Die Waadtländer Kantonalbank kämpft mit massiven Problemen. Der Staat als Hauptaktionär muss 1,25 Mrd. Franken einschiessen. Die Aktionäre sind empört.

Die Bank ist durch faule Kredite in Schwierigkeiten geraten und unterkapitalisiert.

Der Kanton Waadt greift seiner Waadtländer Kantonalbank (BCV) erneut kräftig unter die Arme: 1,25 Mrd. Franken werden zur Sanierung der Bilanz und zur Erfüllung gesetzlichen Anforderungen eingeschossen.

Eine Analyse der Risiken im Zusammenhang mit den Geschäfts-Aktivitäten der BCV habe dazu geführt, dass eine weitere Kapitalerhöhung unumgänglich sei, sagte die Waadtländer Regierungsrätin Jacqueline Maurer an einer mit der BCV veranstalteten Medienkonferenz.

Insgesamt fliessen der durch Risiko-Geschäfte in Schieflage geratenen Bank 1,25 Mrd. Franken zu. Bereits im Sommer musste der Kanton eine Kapitalerhöhung von 611 Mio. Franken übernehmen.

Höhere Eigenkapitalisierung nötig

Der neue Betrag teilt sich einerseits in 670 Mio. Franken für zusätzliche Rückstellungen sowie 180 Mio. Franken für Wertberichtigungen auf. Weiter fliessen 400 Mio. Franken in die Erhöhung des Eigenkapitals, damit die Bank den gesetzlichen Bestimmungen der Schweiz wieder genügt.

Die Eigenkapitalerhöhung erfolgt durch die Emission von Partizipations-Scheinen. Diese werden durch den Kanton vollumfänglich gezeichnet. So wird sich die Verschuldung des Kanton weiter erhöhen.

Auf jeden Einwohner des Kantons Waadt fallen somit 2000 Franken Schulden. Regierungsrätin Jacqueline Maurer betonte, dass die Abwälzung der Schulden auf die Steuerzahler damit verhindert werde, indem die Bank auf die Partizipations-Scheine eine Vorzugs-Dividende gewähre.

Empörung ist gross

Die Aktionäre der Waadtländer Kantonalbank haben am Mittwoch an einer ausserordentlichen Generalsversammlung empört auf die neuesten Ereignisse reagiert.

Unterstützt von teilweise heftigem Applaus forderten mehrere der 1043 anwesenden Aktionäre Erklärungen zum erneuten Finanzbedarf der BCV. Insbesondere der kantonale Zuschuss von 1,25 Mrd. Franken warf Fragen auf.

Experten untersuchen Debakel

Der Kanton Waadt und die BCV setzen ein neutrales Expertenteam ein, welches die finanzielle Misere unter die Lupe nehmen soll. Dieses wird bestimmen, ob gegen die Verantwortlichen zivil- oder strafrechtliche Verfahren eingeleitet werden.

Die Rolle des ehemaligen BCV-Verwaltungsrats-Präsidenten Gilbert Duchoud wird dabei wohl genau durchleuchtet. Ihm hatte der Kanton im letzten April das Vertrauen entzogen. Dennoch kassierte Duchoud eine Abgangsentschädigung von 2,02 Mio. Franken.

In die Schlagzeilen geraten war das Finanzunternehmen, nachdem für das vergangene Jahr ein Gruppenverlust von 390 Mio. Franken ausgewiesen worden war. Revisions-Stellen hatten Kreditgeschäfte der Gruppe durchleuchtet. Die Folge: Auf die notleidenden Darlehen mussten Wertberichtigungen in Milliardenhöhe vorgenommen werden. Zudem stellte die Eidgenössische Bankenkommission eine Unterdeckung fest.

BCV unter den grossen Vier und am Schluss des Klassements

Die BCV ist das viertgrösste Bankinstitut der Schweiz – hinter UBS, Credit Suisse und der Zürcher Kantonalbank.

Die BCV ist nicht die erste Kantonalbank, die in die roten Zahlen gerutscht ist. Der Kanton Bern musste 1992 für 6,5 Mrd. Franken faule Kredite gerade stehen. Die Kantonalbanken von Solothurn und Appenzell Ausserrhoden wurden an die UBS verkauft.

In einer Klassierung der 24 Kantonalbanken haben die Kantonalbanken des Waadtlandes und Genf am schlechtesten abgeschnitten.

Die Kantonalbanken bilden einen wichtigen Bestandteil des gesamtschweizerischen Bankensystems. Sie wurden im letzten Jahrhundert zur Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung in den einzelnen Kantonen geschaffen. Damit sind sie auch Ausdruck kantonaler Souveränität.

Die halbstaatlichen und staatlichen Kantonalbanken sollten im schweizerischen Bankensystem Lücken füllen sowie den Wettbewerb beleben. Die einzelnen Kantonalbanken weisen jeweils eine eigene historische Entwicklung auf, und ihre kantonalen Rahmenbedingungen weichen zum Teil erheblich voneinander ab.

Ein Dorn im Auge

Verschieden geartete Staatsgarantien federn das Geschäftsrisiko der Institute ab. So können Banken mit voller Staatsgarantie von Sondervorschriften zur Reservenbildung profitieren. Auch die Unterstellung unter die Eidgenössische Bankenkommission ist unterschiedlich geregelt.

Der EU und dem Internationalen Währungsfonds sind Banken mit Staatsgarantie ein Dorn im Auge. Man ist dort der Ansicht, dass solche Finanzinstitute den Wettbewerb verzerren. Der Bundesrat möchte ebenfalls das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen einem internalen Standard anpassen.

swissinfo, Etienne Strebel und Agenturen

Der Kanton Waadt schiesst in seine marode Staatsbank 1,25 Mrd. Fr. ein:
670 Mio. Fr. für zusätzliche Rückstellungen, 180 Mio. Fr. für Wertberichtigungen und 400 Mio. Fr. für das Eigenkapital.

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