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Weniger Bildung – mehr Gewalt

Körperverletzung steht in der Skala der von Jugendlichen verübten Gewaltverbrechen an zweiter Stelle. Am häufigsten ist der Raub. Keystone Archive

Jugendliche mit schlechter Schulbildung sind tendenziell gewalttätiger als solche mit guter Ausbildung. Dies zeigt eine Untersuchung aus dem Kanton Zürich.

Über 33 Prozent der im Kanton Zürich erfassten Gewaltdelikte von Jugendlichen werden von ehemaligen oder gegenwärtigen Realschülerinnen und -schülern verübt. Weitere 31 Prozent stammen von Absolventen der Oberschule, wie die Studie einer Soziologin der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit der Zürcher Jugend-Staatsanwaltschaft zeigt.

Ausgewertet wurden sämtliche von den Jugendanwälten erhobenen Daten aus den Jahren 1995 bis 1997. Insgesamt sind dies 757 wegen Gewaltdelikten erfasste Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 18 Jahren. Knapp 92 Prozent davon sind männlich.

Häufigstes Delikt: Raub

Der Anteil der gewalttätigen Jugendlichen aus den übrigen Schulstufen ist vergleichsweise gering: Von Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule stammen nur 9 Prozent der erfassten Gewaltdelikte, von den Gymnasiasten etwas mehr als 1 Prozent.

Über 8 Prozent werden Primarschülerinnen und -schülern zugeordnet. Zu den übrigen 17 Prozent gibt es keine Angaben.

Damit sind die Absolventen der Real- oder Oberschule gemessen an ihrem Anteil an der gesamten Zürcher Schülerschaft in der Gewaltstatistik stark übervertreten, die Oberschüler beispielsweise um das Sechsfache. Mit 18,5 Prozent überdurchschnittlich hoch ist auch der Anteil der Schulabbrecher bei den jungen Straftätern.

Das häufigste von den Jugendlichen verübte Gewaltdelikt ist mit einem Anteil von 40 Prozent der Raub, gefolgt von einfacher Körperverletzung (14,3 Prozent) und Tätlichkeit (13,5 Prozent). Zu Tötungsdelikten kam es in den drei untersuchten Jahren nur zweimal (0,26 Prozent).

Tiefe Bildung der Eltern

Ein Grossteil der jugendlichen Gewalttäter stammt aus Familien mit einem eher tiefen Bildungsniveau. Bei knapp 22 Prozent ist der Vater Hilfsarbeiter von Beruf, bei 17,6 Prozent Handwerker. Im Gegensatz dazu haben nur 2,4 Prozent der straffälligen Jugendlichen einen Vater mit einem Hochschulabschluss. Bei fast 30 Prozent der Täter gibt es zum Beruf des Vaters keine Angaben.

Die Mutter ist bei über 31 Prozent der erfassten Jugendlichen Hausfrau und bei weiteren rund 17 Prozent Hilfsarbeitskraft. Auch hierzu sind bei einem grossen Teil der jungen Gewalttäter (rund 32 Prozent) keine Angaben vorhanden.

Etwa 36 Prozent der wegen Gewaltdelikten Verurteilten sind Schweizer. Fast gleich viele stammen aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, alle übrigen Nationalitäten sind mit weniger als 9 Prozent vertreten.

Fast die Hälfte der erfassten Jugendlichen sind in der Schweiz geboren worden. Lediglich ein Prozent war zum Zeitpunkt der Tat seit weniger als einem Jahr in der Schweiz.

Deutschunterricht als Prävention

Feststellbar ist ferner, dass die Gewaltdelikte tendenziell schwerer ausfallen, je schlechter die Sprachkenntnisse der Jugendlichen sind. Die Jugendanwälte attestieren zwar knapp 80 Prozent der Jugendlichen genügende Kenntnisse der deutschen Sprache.

Zu berücksichtigen sei allerdings, dass die Delinquenten wegen einer zum Grossteil tiefen Schulbildung doch vielfach über bescheidene sprachliche Ausdrucks-Fähigkeiten verfügten, sagt die Autorin der Studie. Bildungsprogramme mit einem Schwerpunkt auf dem Erwerb der deutschen Sprache hätten also indirekt gewaltpräventive Wirkung.

Keine Überraschung

Der stellvertretende Zürcher Jugend-Staatsanwalt Marcel Riesen zeigte sich von den Ergebnissen der Studie nicht besonders überrascht. Die statistischen Angaben bestätigten im Wesentlichen die praktischen Erfahrungen und Einschätzungen der Jugend-Anwältinnen und -Anwälte im Kanton Zürich, sagt er.

swissinfo und Michael Furger (sda)

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