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Schweizer Hotels haben Raum für Verbesserungen

Ungewöhnliches, aber erfolgreiches Konzept: Das Whitepod Hotel im Wallis. Keystone

Sind Suiten in Iglus oder andere ungewöhnliche Unterkünfte eine mögliche Antwort auf die Nöte der Schweizer Hotellerie, die unter dem starken Franken und dem Eindruck, wenig für viel Geld zu bekommen, leidet?


Das Hotel WhitepodExterner Link liegt an einem Hang mit Blick auf die Berge und den Genfersee in der Gemeinde Les Cerniers im Wallis. Das Luxus-Resort besteht aus 15 zu Kuppeln geformten Zelten mit einer eigenen Terrasse. Als Ausgleich zur exklusiven Atmosphäre müssen die Gäste zu Fuss zum Essen oder ins Spa gehen.

Die Attraktionen umfassen private Skipisten, Schlittenhunde-Fahrten, Mountainbike-Touren und Bergsteigen. Dazu gibt es Konferenzräume, die bis zu 30 Personen fassen. Die Buchungsraten sind mit 85% im Winter und 65% im Sommer ausgezeichnet. Gesamtschweizerisch liegt der Schnitt bei 50%.

Die Preise für eine Familiensuite beginnen bei 420 Franken pro Nacht. Hoteldirektor Emilien Sommier sagt, der Preis sei gerechtfertigt, wenn man die Qualität des Services und die Extras in Betracht ziehe. “Wir haben den Standard eine 5-Sterne Hotel. Wir haben einen Angestellten pro Kuppel. Damit erreichen wir einen sehr hohen Service-Standard. Wir wissen, dass es teuer ist, aber das ist der Preis für eine aussergewöhnliche Erfahrung.”

Besser, nicht billiger

Im vergangenen Januar, als die Nationalbank den Mindestwechselkurs des Euro zum Franken aufgab, befürchteten die Schweizer Hoteliers das Schlimmste, denn die Schweiz war damit zur noch stärker ausgeprägten Hochpreisinsel in Europa geworden. In der Tat gingen die Übernachtungen im ersten Halbjahr 2015 um 0,6% Prozent zurück, und es kamen 2% weniger Gäste aus dem Ausland.

Im Juli brachte das ausserordentlich schöne Wetter eine Zunahme von 3,7% Übernachtungen mit 145’000 mehr gebuchten Zimmern, als im verregneten Juli 2014. Laut den offiziellen Statistiken gingen die Buchungen zwischen 2009 und 2011 fast um 5% jährlich zurück, währendem sie 2013 um 2,5% anstiegen.

In einem Tweet schrieb Jürg Schmid, der Direktor von Schweiz TourismusExterner Link, nach der Veröffentlichung der Zahlen zum Juli 2015, dass vor allem die Hotels in den Städten mehr Übernachtungen zu verzeichnen gehabt hätten, währenddem zahlreiche Hotels in den Bergen stagnierten.

“Wenn Sie nicht billiger werden können, müssen Sie besser werden”, sagte Schmid kürzlich gegenüber swissinfo.ch. “Touristen, die in die Schweiz kommen, wissen, dass hier alles seinen Preis hat, und sie erwarten dafür höchste Qualität.”

Qualitätskontrolle

Schweiz Tourismus räumt ein, dass die Schweizer Hotels bezüglich Gastfreundschaft besser sein könnten. “In internationalen Gästeumfragen erhält die Schweiz keine schlechten Bewertungen, aber unglücklicherweise erhält sie auch keine überdurchschnittlichen Noten”, schreibt Schweiz Tourismus in der Einführung zum Prix Bienvenue, einer jährlich stattfindenden Auszeichnung der 100 freundlichsten Hotels der Schweiz.

Für Hotels und Restaurants, die besser werden wollen, hat der Schweizerische TourismusverbandExterner Link ein Qualitätssteigerungs-Programm ins Leben gerufen. “Ziel ist es, die Service-Qualität in der Schweiz zu verbessern. Wir bewerten keine Hotels, aber wir geben ihnen Werkzeuge in die Hand, um den Service zu verbessern”, sagt Chantal Beck, Sprecherin des Verbandes: “Wir bewerten nicht die Grösse der Räume, sondern die Freundlichkeit der Angestellten, die Sauberkeit und wie leicht der Kunde an Informationen und Buchungsmöglichkeiten kommt.”

Die Hotels werden mit verschiedenen Labels und Qualitätsstufen ausgezeichnet. Von den rund 5000 Hotels in der Schweiz nehmen etwa 700 am Programm teil. “Das Label selbst ist bei internationalen Gästen nicht sehr bekannt. Sie fragen auch nicht danach”, sagt Beck. “Unser Ziel ist es, dass der Gast die Qualität fühlt.”

Raum zum Wachsen

Rory Byrne, der Gründer eines Londoner Operators für Luxus-Ferien sagt, die Gastfreundschaft in der Schweiz sei in den vergangenen zwei Jahrzehnten besser geworden. Er hat aber immer noch Vorbehalte: “Die Hotels geben zu viel Geld in falschen Bereichen wie Wellness-Infrastrukturen aus, aber sie kümmern sich zu wenig um die Schlafzimmer. Für mich sind Schlafzimmer wichtig, und ein gutes ist nicht so teuer”, so Byrne gegenüber swissinfo.ch.

Der Hotelverband HotelleriesuisseExterner Link geht davon aus, dass die Hotels in den vergangenen Jahren grosse Summen in Renovation und Unterhalt gesteckt haben: 643 Millionen im Jahr 2012, 668 Mio. 2013 und 676 Mio. 2014.

“Unsere Mitglieder werden alle drei Jahre kontrolliert. In der Schweiz ist das Qualitätsniveau relativ hoch”, sagt Thomas Allemann, Geschäftsleitungsmitglied von Hotelleriesuisse.

“Aber es fehlt teilweise an Renovationen”, sagt Byrne, dessen Klientel nach den besten verfügbaren Unterkünften verlangt. “Viele Luxushotels haben unterschiedliche Zimmerqualitäten. Sie haben sehr gute, aber auch schlechte Zimmer.”

Komplett-Renovationen seien selten machbar, antwortet Allemann. “In Anbetracht der finanziellen Ressourcen sind Renovationen ein über eine gewisse Zeit dauernder Prozess. Deshalb gibt es Zimmer, die renoviert wurden und andere, die noch im alten Zustand sind.”

Eine komfortable Nacht

“Das Whitepod-Hotel braucht keinen Spa-Bereich. Eine Sauna und ein Behandlungsraum genügen”, sagt Sommier und fügt an, das Hotel habe dafür in sehr gute Matratzen investiert. “Das wichtigste ist, dass die Nacht angenehm ist.”

Die Zimmer sind praktisch identisch und hochwertig eingerichtet. Gäste, die zusätzlich einen TV, eine Kaffeemaschine oder WLAN wollen, bezahlen einen Aufpreis.

Das Hotel legt grossen Wert auf die Ökologie. Energieeffizienz wird gross geschrieben. Die einzelnen Kuppeln verbrauchen weniger Energie, als ein konventioneller Hotelbau. Das Holz zum Feuern kommt aus der Region,das Papier aus zertifiziert nachhaltiger Produktion.

Da ist noch das Essen

“Wir kaufen unser Fleisch, den Käse und andere Produkte von Bauern der Region”, sagt Sommier und fügt an, dass auch der Wein aus der Gegend komme. Das Wasser stammt aus einer Quelle.

Es scheint, dass Whitepod eine gewinnversprechende Formel gefunden hat. Die Gäste werden von der alpinen Atmosphäre eingenommen und können ihre Beine strecken, ohne einen allzu grossen ökologischen Fussabdruck zu hinterlassen.

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