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Neues Thermalbad statt antike Ruinen

Das Modell des Stararchitekten Mario Botta sieht eine grossflächige Neugestaltung des Bäderquartiers der Stadt Baden vor, wo antike und mittelalterliche Bäderruinen stehen. baden.ch

Die Stadt Baden im Kanton Aargau war dank ihrer Thermen einst der bedeutendste Kurort in Europa. Heute ist es ein kleines Städtchen. Ein Mega-Projekt des Schweizer Stararchitekten Mario Botta mit Rehaklinik und Thermalbad soll Baden zu neuem Glanz verhelfen. Dafür müssen aber altrömische und mittelalterliche Bäder weichen.

Wer heute durch die beschauliche Kleinstadt Baden in der Nähe von Zürich flaniert, würde kaum vermuten, dass diese im Mittelalter und der Renaissance der bedeutendste Kurort Europas war. Besonders das Bäderquartier wirkt verschlafen.

Das war nicht immer so: Bereits im ersten Jahrhundert nach Christus bauten die Römer erste Thermenanlagen bei den Badener Quellen, aus denen warmes und stark schwefelhaltiges Wasser sprudelt. Die Anlagen nahmen eine Fläche von zwei Hektaren ein und umfassten mehrere Bassins sowie Schwitzbäder.

Das historische Hotel “Limmathof” im Bäderquartier von Baden. Keystone

Im Mittelalter wurden die Bäder weiter ausgebaut. Da diese nun dem Grafen von Habsburg gehörten, logierten Könige und Adlige aus ganz Europa in Baden. Und in der Belle Époque lockten mondäne Hotels Kurgäste aus der ganzen Welt in die aargauische Ortschaft.

Stararchitekt soll aus der Krise helfen

Der Erste Weltkrieg beendete diese blühende Periode. Ab den 1980er-Jahren kam endgültig die Krise: Die Krankenkassen bezahlten immer seltener für Badekuren. Luxushotels wurden geschlossen, Gebäude moderten vor sich hin. 2012 wurde gar das öffentliche Thermalbad geschlossen, da es nicht mehr den modernen Anforderungen entsprach.

“Ein zeitgemässes und funktionierendes Thermalbad ist schon längst überfällig”, sagt der Architekt Raphael Frei von pool Architekten, der 1999 mit seinem Architekturbüro im Rahmen eines Studienauftrages der Stadt Baden ein Entwicklungskonzept für das Bäderquartier erstellt hat. “Dass ein solches Vorhaben Jahre, gar Jahrzehnte braucht, ist bedenklich.”

Tatsächlich scheiterten bisher viele Pläne zur Wiederbelebung des Bäderquartiers. Politik, Behörden und Investoren debattieren seit Langem über Art, Umfang und Kosten einer neuen Überbauung. 

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Nun scheint Tempo in die Sache zu kommen. Private Investoren haben den Tessiner Stararchitekten Mario Botta mit der grossflächigen Neugestaltung des Bäderquartiers beauftragt: Drei historische Hotels – die bis zu 30 Jahre leer standen – werden teils abgerissen, teils renoviert und zu einer Rehaklinik umgebaut. Gleichzeitig wird ein öffentliches Thermalbad mit Flussbad, Sauna und Dampfbädern erstellt. Die Bauarbeiten beginnen dieses Jahr. 2018 soll der Neubau fertig sein.

Antike Bäder müssen weichen

Das Problem: Bei den Thermalquellen stehen altrömische und mittelalterliche Bäderanlagen sowie historische Hotels. Noch ist nicht ganz klar, was unter Denkmalschutz steht und was abgerissen wird. Der zuständige Denkmalpfleger Reto Nussbaumer hält sich wegen dem laufenden Bewilligungsverfahren bedeckt. Fest steht aber: “Von den drei Hotels stehen nur Teile unter Schutz.” Die Details müssten nun in der Baubewilligung präzisiert werden, so Nussbaumer.

Ein Zivildienstleistender hilft bei den Ausgrabungen. Keystone

Was auch klar ist: Die römischen und mittelalterlichen Bäderanlagen müssen weichen. Dass ein derart grossflächiger archäologischer Fund wie die römischen und mittelalterlichen Bäderanlagen von Baden nicht stehen gelassen oder an einen anderen Ort verlegt wird, mag erstaunen und schockieren.

Das Problem: Das neue Bad muss direkt bei den Thermalquellen gebaut werden und zwar auf den ursprünglichen Fels, damit der Baugrund stabil ist. Dies ist nur möglich, wenn die römischen und mittelalterlichen Bauten komplett abgetragen werden. Nach Einschätzung der Behörden überwiegen somit private und öffentliche Interessen. Gemäss Gesetz müssen in einem solchen Fall die archäologischen Stätten nicht erhalten werden. Sie müssen aber vor der Zerstörung wissenschaftlich untersucht und dokumentiert werden.

Fluch und Segen für die Archäologie

Der Kanton hat deswegen bereits seit 2006 die Archäologin Andrea Schaer mit wissenschaftlichen Grabungen beauftragt. Die historischen Bauten sollen Schicht für Schicht abgetragen und erforscht werden. Schaer kommt dem Auftrag mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach. “Es ist eine dokumentierte Zerstörung”, sagt die Expertin. Die Originalbauten könnten von der Öffentlichkeit nicht mehr besichtigt werden, dafür sei der Wissenszuwachs enorm: “Wir haben viele neue Erkenntnisse über die römischen Thermen sowie die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bäder gewonnen”, so Schaer.

Das Neubau-Projekt ist für die Archäologie also Fluch und Segen zugleich. Ohne das private Klinik- und Thermalbadprojekt hätte der Kanton keine archäologischen Ausgrabungen durchgeführt. Warum aber hat der Kanton die Bäder nicht an einen anderen Standort verlegt und dort dem Publikum zugänglich gemacht? Archäologin Schaer hält wenig von diesem Vorschlag: “Eine Versetzung der Bäder würde bedeuten, die an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zweck entstandenen Stätten aus deren Kontext zu reissen.”

Auch Geld dürfte für den Kanton eine Rolle gespielt haben: Archäologische Stätten zu versetzen, ist technisch herausfordernd und teuer. Eine Verlegung der badischen Thermenruinen wurde daher nie ernsthaft in Erwägung gezogen.

Ein kleiner Trost: Es ist davon auszugehen, dass die Fassaden und einige Räume der Hotels sowie eine Ruine aus der Römischen Zeit und ein Bad aus dem Mittelalter erhalten bleiben. Letzteres wird möglicherweise sogar ins neue Thermalbad integriert und als Bassin genutzt. Vielleicht werden die Gäste also bald schon in einem mittelalterlichen Bad planschen.

Das Botta-Projekt in Baden

Das Projekt des berühmten Architekten Mario Botta umfasst ein Thermalbad mit mehreren Innen- und Aussenbecken, Liegeplätzen, Saunalandschaften, Dampfbädern, einem Flussbad und mehreren Restaurants.

Zu der geplanten Überbauung gehören auch ein Haus mit einem Dutzend Arztpraxen und 35 Wohnungen sowie eine Privatklinik für Rehabilitation und Prävention mit 40 Zimmern. Diese werden in den ehemaligen Hotels gebaut.

Das Botta-Projekt im Badener Bäderquartier kostet 160 Millionen Franken, die von privaten Investoren aufgebracht werden. Die Kosten der Neugestaltung von Strassen und Plätzen sowie der archäologischen Grabungen trägt die öffentliche Hand. 2018 soll das Thermalbad eröffnet werden.

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