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Schweiz zweitgrösster Investor in Slowenien

Slowenien: Kleines Land, grosse Wirtschaft. Folglich investieren auch Schweizer Firmen. Im Bild: Der Hafen Koper. Keystone

Slowenien, das EU-Musterland Südosteuropas, zog bisher über eine Milliarde Franken Direkt-Investitionen aus der Schweiz an. Über 120 Schweizer Firmen sind dort vertreten. Das EU-Land gehört auch zu den Empfängern des Schweizer Erweiterungs-Beitrags.

Bekannte helvetische Namen wie Geberit, Eternit, Charles Vögele, Marché, E.G.O. Elektro-Geräte, Landis & Gyr, Sika, Sibir, aber auch multinationale Unternehmen wie Novartis und ABB figurieren unter den 120 Schweizer Firmen, die in Slowenien Niederlassungen und Tochtergesellschaften gegründet haben. Das jährliche Handelsvolumen der beiden Länder überstieg 2010 eine halbe Milliarde Franken.

Doppelt so gross wie dieses Handelsvolumen sind die direkten Investitionen, welche die Schweiz bisher in Slowenien eingebracht hat: Nach Österreich ist die Schweiz in Slowenien mit einem Anteil von 9% respektive mit 900 Mio. Euro der zweitgrösste Investor.

Das Potential sei aber bei weitem nicht ausgeschöpft, befanden Experten am von der Handelskammer Schweiz – Mitteleuropa SEC organisierten Anlass “Invest Slowenien” Mitte Juni in Zürich.

Die ausländischen Direktinvestitionen in Slowenien beliefen sich 2010 insgesamt auf über 11 Mrd. Euro, was fast 22% des Bruttoinlandprodukts BIP entspricht.

Direktinvestitionen dienen – viel mehr als Schuldscheine oder andere Wertpapiere – als Indikator für das Vertrauen, das Unternehmen in die Stabilität und Rechtssicherheit eines anderen Landes haben: Es handelt sich sehr oft um Ein-, Aufkäufe und Engagements ausländischer Unternehmen in einheimische Produktions- und Servicebetriebe.

“Erfreulich” entwickeln sich deshalb laut Eidgenössischem Department für auswärtige Angelegenheiten (EDA) die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern. Auch die bilateralen Beziehungen seien “ausgezeichnet”. Bern hatte Slowenien 1992 schon wenige Monate nach dessen Unabhängigkeitserklärung anerkannt.

Erweiterungsgelder im Cleantech-Bereich

Von allen neuen EU-Mitgliedstaaten Mittel- und Osteuropas weist Slowenien das höchste Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf aus, nämlich 20’700 Euro (2009).

Dennoch erhält das Land Schweizer Gelder aus dem Erweiterungsbeitrag, für den das Schweizer Stimmvolk 2006 grünes Licht gegeben hatte (“Kohäsionsmilliarde”).

Diese dienen in allen neuen EU-Mitgliedsländern Mittel- und Osteuropas der Verminderung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten. Allerdings fällt die Summe angesichts der nur zwei Millionen zählenden Bevölkerung relativ bescheiden aus: Bis 2012 werden in Slowenien laut EDA Projekte in der Höhe von 22 Mio. Franken genehmigt.

Die Gelder werden vor allem für Projekte zur Förderung erneuerbarer Energien genutzt. 2009 unterzeichneten die beiden Länder ein erstes Abkommen für die Küstenregion, im Januar 2011 ein zweites für den alpinen Nordwesten.

Bei beiden Projekten geht es um die Beheizung öffentlicher Gebäude mit Solarenergie, Biomasse und Wärmepumpen – bei Aufwendungen von insgesamt 9 Mio. Franken.

Exportorientiert und zentral gelegen

Gründe für das hohe wirtschaftliche Engagement aus dem Ausland liegen in Sloweniens stark international eingebundener Wirtschaft und seiner zentralen Lage an den verkehrsstarken West-Ost- und Nord-Südostachsen.

Weitere westbalkanische und südosteuropäische Märkte können aus geografischen und kulturellen Gründen gut aus Slowenien heraus bearbeitet werden, betonen sowohl slowenische Behörden wie auch Schweizer Investoren.

Denn Slowenien wiederum hat von seinen knapp 5 Mrd. Euro Auslandinvestitionen fast 30% in Serbien und 22% in Kroatien investiert.

Experten gehen davon aus, dass mit dem baldigen Eintritt Kroatiens in die EU Slowenien eine mögliche Standort-Konkurrenz erwachsen könnte, besonders im Dienstleistungsbereich. Andererseits würden die beiden Volkswirtschaften wegen des Schengen-Abkommens und der Aufhebung der Zollschranken näher rücken.

Beide Länder feiern am 25. Juni ihr 20-jähriges Bestehen. “Im Eiltempo sind in den letzten zwei Jahrzehnten alle Ziele der jungen Nation Slowenien erreicht worden”, sagte der Botschafter Bojan Grobovsek am Anlass in Zürich. Nach dem UNO- und NATO-Beitritt sei Slowenien 2007 auch der Eurozone beigetreten.

Keine Auslagerung, sondern Markterschliessung

Slowenien diene schweizerischen (mittelständischen) Unternehmen aber nicht als Auslagerungsland: “Wir wollen nicht Arbeitsplätze aus der Schweiz nach Slowenien auslagern, sondern südosteuropäische Märkte erschliessen”, sagte Eternit-Vertreter Mathias Eichmann in Zürich. Dank der in Slowenien erreichten Marktvergrösserung habe Eternit sogar seine Produktionsstätten in der Schweiz besser auslasten können.

Roman Sidler von Geberit, dem traditionellen Schweizer Sanitärunternehmen mit über zwei Mrd. Franken Umsatz, sagte, dass die Beziehungen mit Slowenien noch in jugoslawische Zeiten zurückreichten.

“Die erste Kooperation geht auf 1988 zurück. 1997 aquirierte Geberit die slowenische Prosan, und seit 2004 sind alle dort hergestellten Produkte unter der Marke Geberit vertrieben worden.” Unter den insgesamt 15 Produktionsstätten des Unternehmens aus Jona-Rapperswil  befinde sich eines in Slowenien.

Markenübernahme, Markenkonkurrenz

Auch andere Schweizer Unternehmen haben sich in Mittel- und Osteuropa bekannte slowenische Industrie-Firmen samt Label einverleibt. Sibir, die Schweizer Marke für Waschmaschinen und Kühlschränke, hat sich in Slowenien mit dem in Mitteleuropa bekannten Haushaltsgeräte-Namen Gorenje zusammen getan.

Anderseits sind auch slowenische Marken in der Schweiz etabliert, wie Elan, Gorenje oder Iskra Autoelektrik.

Der bisher grösste schweizerisch-slowenische Deal fand im Pharmabereich statt. 2002 gab Novartis bekannt, für rund 1,2 Mrd. Franken den slowenischen Pharmaproduzenten Lek zu übernehmen. Damit hatte sich Novartis in den Heilmittel-Markt Mittel– und Osteuropas eingekauft und stieg in einer Reihe von Ländern zur Nummer 1 auf.

Lek, 1946 gegründet, war im wirtschaftlichen Transformationsprozess Anfang der 1990er-Jahre die erste slowenische privatisierte Gesellschaft, deren Aktien an die Börse kamen.

Es gibt aber auch harte Konkurrenz: So hatte der Zuger Messgerätehersteller Landis+Gyr, der kürzlich selbst von einem japanischen Unternehmen übernommen wurde, in Slowenien eine Niederlassung gegründet – in jenem Land, in dem ihm mit Iskra ein harter global agierender Wettbewerber gegenüber steht.

Slowenien hat 2 Mio. Einwohner.

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) betrug 2010 36,1 Mrd. Euro.

Zwei Drittel davon wurden durch Dienstleistungen erbracht.

2010 exportierte das Land für 18,3 Mrd. und importierte für 19,6 Mrd. Euro.

Das grösste Abnehmerland slowenischer Waren ist Deutschland, gefolgt von Italien und Österreich. Auf die Schweiz entfällt nur 1% aller Exporte.

Die Importstruktur ist ähnlich.

Bei den Direktinvestitionen ist die Position der Schweiz viel wichtiger: Von den 11,2 Mrd. Euro ausländischen Direktinvestitionen in Slowenien entfallen rund 0,9 Mrd. auf die Schweiz.

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