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Was Led Zeppelin mit dem Käse macht

Käsekeller
Der Käsekeller K3 in Burgdorf mit der Versuchsanordnung von neun Käselaiben. Christian Raaflaub/swissinfo.ch

Wird Käse besser, wenn er mit Musik beschallt wird? Oder reift er schneller? Ein Käsehändler und ein Musikwissenschaftler haben die Probe aufs Exempel gemacht. Das Medieninteresse war riesig, das Resultat lässt aufhorchen.

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Was haben Mozart, A Tribe Called Quest, Yello und Led Zeppelin gemeinsam? Ihre Musik wurde während der letzten acht Monate in einem Versuch zur Beschallung von Schweizer KäseExterner Link benutzt. Ergänzt mit einem Techno-Track und drei verschiedenen Sinustönen beschallten Stücke dieser Musiker und Komponisten je einen Käselaib – rund um die Uhr.

Alles begann in einem Käsekeller in Burgdorf. Beat Wampfler ist Pferde-Tierarzt in der Berner Kleinstadt und betreibt dort als Hobby das Käsehaus K3Externer Link, einen “Mikro-Käsehandel”, wie er es nennt. Vor drei Jahren kaufte er dieses Haus. Und weil über dem Keller Musiklehrer tätig sind, gefiel ihm der “Groove”, den er im Käsekeller hörte. “Ich dachte, mein Käse hätte sicher auch Freude an etwas Musik.”

Die Hochschule der Künste Bern (HKB) ihrerseits führt seit 2017 das Projekt HKB geht an LandExterner Link durch, mit dem sie bezweckt, ausserhalb der Stadt Bern einjährige Kooperationen mit unüblichen Partnern einzugehen.

Die Hochschule der Künste Bern (HKB) lädt jedes Jahr die rund 350 Gemeinden des Kantons Bern ein, an gemeinsamen Kulturprojekten mitzumachen. “Wir sind Teil eines vielgestaltigen Kantons, der über Stadt und Land verfügt. Diese Ausgangslage ist grundsätzlich interessant, diesem Kontext wollen wir uns stellen”, sagt Projektleiter Christian Pauli.

Es gehe darum, “aus dem Elfenbeinturm auszubrechen” und zu ermöglichen, dass “Studierende und Dozierende der HKB in komplett neuen Kontexten eine Arbeit auf die Beine stellen”.

Im Idealfall komme es dabei zu einem Kulturaustausch: “Auf einmal entsteht eine Begegnung, die vorher undenkbar war”, so Pauli. Als Beispiel erwähnt er eine Schreinerei, in der gemeinsam Instrumente gebaut wurden und schliesslich ein Konzert damit stattfand – nur mit Holzklängen. “Am Schluss sagte der Schreinermeister, er hätte sein Holz noch nie so wahrgenommen”, sagt Pauli.

In diesem Rahmen traf Wampfler auf Michael Harenberg. Der deutsche Komponist, Musik- und Medienwissenschaftler ist Co-Leiter des Studienbereichs Musik an der HKB. “Er war zuerst etwas skeptisch, weil die Idee etwas esoterisch tönte”, erzählt Wampfler.

Doch nach einer eingehenden Prüfung der Idee durch Tilo Hühn, Professor für Lebensmittel-Prozesstechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich, fühlten sich die beiden bestärkt, einen Versuch mit der Beschallung von KäselaibenExterner Link zu wagen.

Führen Schallwellen zu Veränderungen?

“Alles Leben der Welt hängt ab von physikalischen Gegebenheiten: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Nährlösung, also Nahrung, und sicher auch Schallwellen”, sagt Wampfler. “Als Tierarzt bin ich von Natur aus davon ausgegangen, dass sich ein Bakterium eigentlich durch Schallwellen beeinflussen lassen sollte.”

Und da die Bakterien für die Reifung des Käses verantwortlich sind, sollte sich eine Beschallung auf den Käse auswirken. “Dass etwas mit diesen Mikro-Organismen passiert, bin ich aufgrund meiner Erfahrungen als Tierarzt und der Recherchen, die ich gemacht habe, überzeugt. Ob das etwas Sinnvolles ist, bleibt noch zu beweisen”, sagt Wampfler.

Eine Hypothese wäre, dass so möglicherweise die Dauer der Reifung verkürzt werden könnte, was für den Käsehändler ökonomisch interessant wäre.

Ein besserer Käse in kürzerer Zeit würde bedeuten, dass die Käselaibe weniger lang im Keller lagern müssten, bis sie verkauft werden können – ein wichtiger Kostenfaktor in diesem Geschäft.

Die Testanlage

Als Testkäse ausgewählt haben die beiden schliesslich einen preisgekrönten Weltmeister-Käse, “Muttenglück” von Anton Wyss aus Mutten bei Signau im Emmental. Nun liegen neun Exemplare davon in einzelnen Kisten, die Wampfler und Harenberg zusammen entwickelten und von Studierenden des Studiengangs Sound ArtsExterner Link der HKB mit der nötigen Technik ausrüsten liessen.

Acht Laibe werden von unten direkt beschallt, einer bleibt als Referenzkäse unbeschallt. Mit so genannten Excitern oder Transusern werden die Musik und die Sinustöne direkt an die jeweilige Holzplatte abgegeben, auf der die Laibe liegen.

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HKB-Professor Harenberg komponierte in jungen Jahren schon elektronische Musik und schraubte an Synthesizern herum. “Das war damals mein Ersatz für meine Klangexperimente, die ich vorher an der Orgel durchführen konnte, die aber nicht sehr gerne gesehen waren in der Kirche”, erzählt er im kühlen Käsekeller.

1. Stille (Referenzkäse)
2. Elektro: Yello – Monolith
3. Klassik: W.A. Mozart – Die Zauberflöte
4. Techno: Vril – UV
5. Rock: Led Zeppelin – Stairway To Heaven
6. Sinuston Mittelfrequenz: 200 Hz
7. Sinuston Hochfrequenz: 1000 Hz
8. Hip-Hop: A Tribe Called Quest – We Got (The Jazz)
9. Sinuston Tieffrequenz: 25 Hz

Im Hintergrund ist die Arie der Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte zu hören. Allerdings in miserabler Soundqualität. Harenberg klärt auf: Am Anfang des Versuchs, als der Käse frisch war, habe man wegen des hohen Wassergehalts des Käses überhaupt nichts von der Musik gehört.

Nach acht Monaten sei der Käse nun viel härter und liege nicht mehr ganz satt auf den Brettern auf. “Das Brett selber kann deshalb mehr resonieren, und plötzlich haben wir das Gefühl, als ob wir hier im Raum den Klang von schlechten Lautsprechern hören”, betont er. Beschallt aber würden die Käse mit der höchstmöglichen Soundqualität.

Zwischen Kunst und Kulinarik

Eines allerdings will Harenberg ganz klar festgehalten haben: “Es ist kein wissenschaftliches Experiment.” Vielmehr würden er und seine Studierenden mit einem künstlerischen Ansatz an die Sache herangehen. Er möchte die Testanlage als Kunstinstallation verstanden wissen, als etwas zwischen Kunst und Kulinarik. Natürlich sei man gespannt darauf, was mit dem Käse passiere. “Aber es war nie der Hauptaspekt.”

Einige wissenschaftliche Ansätze allerdings hat er dennoch in das Projekt eingebaut. So werden Käselaibe in drei Kisten mit Sinustönen, also durchgehend gleichmässigen Schallwellen in unterschiedlichen Tonhöhen, beschallt. Sollte es bei einem Sinuston zu geschmacklichen oder Konsistenzveränderungen kommen, hätte man ein eindeutiges Kriterium, um damit weiterforschen zu können, so Harenberg.

Käse in einer Kiste, die vorne offen ist
Dieser Käselaib wird rund um die Uhr mit Beat Wampflers Lieblingsstück “Stairway To Heaven” von Led Zeppelin beschallt. swissinfo.ch

Hip-Hop macht das Rennen

Schliesslich führte Professor Hühn eine Verköstigung der beschallten Käselaibe unter wissenschaftlichen Aspekten in einer Doppelblind-Studie durch. “Die Bakterien haben gute Arbeit geleistet”, sagte Wampfler am Donnerstag bei der Präsentation der Resultate.

Bei der sensorischen Analyse kam heraus, dass jener Käse, der mit Hip-Hop beschallt wurde, “sowohl im Geruch als auch im Geschmack auffällig fruchtig ist und sich so deutlich von den anderen Proben unterscheidet”.

Für Harenberg war das Projekt auch ohne das Endresultat bereits ein Erfolg. Sound-Arts-Studierende, die sich normalerweise mit ganz anderen Themen auseinandersetzen, hätten während Monaten mit Beat Wampfler zusammen im Käsekeller an dieser Klanginstallation gearbeitet. Für seine Studierenden sei dies eine tolle Gelegenheit gewesen, Dinge musikalischer und technischer Art in einem “praxisnahen, relevanten Projekt” auszuprobieren.

Was das Projektteam nicht erwartet hatte, war das grosse Medieninteresse. Kaum hatten Harenberg und Wampfler letztes Jahr ihr Käsebeschallungs-Projekt angekündigt, waren sie bereits in aller Munde. “Wir waren überwältigt”, sagt Harenberg.

“Anfänglich dachte ich noch, es wäre eine typisch schweizerische Reaktion, weil der Käse kulturell – und gerade hier im Emmental – so eine grosse Rolle spielt. Aber sogar aus Südafrika kamen Journalisten auf uns zu für Interviews und Informationen.”

Für Käsehändler Wampfler ist bereits jetzt klar, dass er auf dieser Welle weitersurfen will. Für ihn war der Versuch nur ein erster Schritt. Denn: “Ich bin ziemlich überzeugt vom Potenzial dieser Geschichte.”

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Auch andere Musiker sorgen mit der Beschallung von Lebensmitteln für Schlagzeilen. So lässt etwa die US-Heavy-Metal-Band Metallica ihren eigenen Bourbon Whiskey namens “Blackened” beschallen.

Die Fässer würden mit Tiefton-Wellen beschallt, “die so intensiv sind, dass sie die molekulare Struktur und letztendlich das Finish des Whiskeys verbessern”, hiess es in einer Mitteilung.

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