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Rettung der Maniok-Kulturen braucht globalen Effort

Nigeria ist der weltgrösste Produzent von Maniok. Keystone

Maniok, für rund 300 Millionen Menschen in Afrika ein bedeutendes Grundnahrungsmittel und eine Einnahmequelle, ist von einem Virus bedroht. Schweizer Forscher sind bereit für Feldversuche in Afrika mit einer gentechnisch veränderten Variante der Knolle, die gegen das Virus resistent sein soll.

Hoffnungen für die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung ruhten lange auf der auch als Kassava bekannten Maniok-Pflanze. Die Knolle, die Dürre und Hitze widerstehen kann, galt als perfektes Grundnahrungsmittel für viele Regionen, wo die Wachstumsbedingungen im Zug des Klimawandels schwieriger werden.

Doch nun ist die Maniok-Produktion in Afrika von einem Virus bedroht, der die Braunstreifen-Krankheit (Cassava Brown Streak Disease, CBSD) verursacht. Landwirtschaftsexperten warnen: Werde nichts dagegen unternommen, könnte die CBSD-Pandemie zu Verhängnis und gar Hungersnöten in vielen Teilen des Kontinents führen.

“Wir sind sehr besorgt, dass sich die Krankheit nach Westafrika und Nigeria ausbreiten könnte. Dies könnte verheerende menschliche und wirtschaftliche Auswirkungen nach sich ziehen”, sagt der Wissenschaftler Claude Fauquet von der Globalen Kassava-Partnerschaft für das 21. Jahrhundert (Global Cassava Partnership for the 21st Century, GCP21) gegenüber swissinfo.ch.

Nigeria ist der weltweit grösste Produzent und Konsument von Maniok, doch die stärkehaltige Knolle wird in den meisten tropischen Ländern angepflanzt. “Es gibt sogar Befürchtungen, dass die Krankheit sich in Südamerika und in Ländern wie Thailand ausbreiten könnte, wo die Kassava-Kulturen pro Jahr einen Wert von zwei Mrd. Dollar zur Wirtschaft beitragen”, sagt Fauquet.

Eigentlich eine robuste Pflanze, die dem Klimawandel widerstehen kann, sie gedeiht auch in sehr mageren Boden und bei grosser Hitze.

Ein Grundnahrungsmittel für mehr als 750 Millionen Menschen in 100 Ländern, vor allem in Afrika.

Eine der weltweit wichtigsten Nahrungsquellen für Kohlenhydrate und eine wichtige Einnahmequelle für Millionen von Kleinbauern.

Zudem die weltweit zweitwichtigste Quelle von Stärke für den industriellen Einsatz in Hunderten von Produkten wie Mehl, Sirup, Papier, Leim, Nahrungsmittel, Tiernahrung und Ethanol.

(Quelle: CIAT)

Vor Feldversuchen

Unter Leitung von Hervé Vanderschuren haben Forscher an der Eidgenössischen Hochschule Zürich (ETHZ) mit Hilfe von Gentechnologie eine neue, CDSB-resistente Maniok-Variante entwickelt.

Vanderschuren hat jüngst bei einem Besuch in einem Forschungszentrum in Südnigeria Diskussionen geführt über eine mögliche Zusammenarbeit für Feldversuche mit der genetisch veränderten Maniok-Sorte. Er hofft, dass afrikanische Forscher in naher Zukunft in Labors in Afrika ihre eigenen transgenen, den lokalen Bedürfnissen entsprechenden Pflanzen entwickeln werden.

“Wir versuchen, beim Technologietransfer einen ganzheitlicheren Ansatz zu verfolgen. Die langfristige Lösung kann nicht nur beim Transfer der Technologie aus den Labors im Westen nach Afrika liegen, sondern darin, dass die Anwendung der Technologie in Afrika selber möglich wird”, sagt Vanderschuren gegenüber swissinfo.ch.

Das Schweizer Team verfügt über eine gewisse Anschubfinanzierung, um die Feldversuche vorzubereiten, doch für die Einrichtung der kostspieligen Gentech-Testinstallationen braucht es weitere Gelder.

Reizthema Gentechnologie

Die Finanzierung ist aber nicht das einzige Hindernis. Die Akzeptanz gentechnisch veränderter Pflanzen in Afrika ist bisher gering. Nur in vier Ländern dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen kommerziell angebaut werden: Ägypten, Burkina Faso, Südafrika und Sudan. Fünf weitere Länder haben in einem ersten Schritt begrenzte Versuche erlaubt.

In Nigeria hat das Parlament einen Gesetzesentwurf zur Lockerung des Verbots gentechnisch veränderter Organismen angenommen; die Vorlage braucht aber noch die Zustimmung des Präsidenten.

Die ETH-Forscher sind sich bewusst, dass es heikel ist, eine Technologie zu fördern, die auch in Europa vielen Restriktionen unterliegt. “Das Einzige, was wir tun, ist, ihnen diese Technologie zukommen zu lassen. Wir versuchen weder, sie ihnen aufzudrängen, noch sie zu zwingen, sie zu nutzen”, erklärt Vanderschuren.

Die Globale Kassava-Partnerschaft erklärt, um die Gefahren anzugehen, welche die Maniok-Kulturen bedrohten, brauche es bahnbrechende Technologien. Fauquet glaubt, dass die Gentechnologie einen dazu Beitrag leisten kann – und macht einen Unterschied zwischen gentechnischen Veränderungen der Kassava und Gentechnologie aus Profitgründen.

“Es geht hier um einen humanitären Zweck, nicht darum, Geld zu machen oder Leute in irgendeiner Art auszubeuten. Aber es gibt kein Wundermittel, und dies ist nur ein Element des Fahrplans.”

Neue Ausbrüche

Wichtige Komponenten seien auch Überwachung und Monitoring, um effizient auf neue Ausbrüche reagieren zu können. Denn bei neuen Invasionen sei die Krankheit viel einfacher zu kontrollieren.

Bisher ist die Braunstreifen-Krankheit in Malawi, Tansania, Mozambik und Uganda weit verbreitet. In letzter Zeit gab es Berichte über neue Ausbrüche in der Demokratischen Republik Kongo, dem weltweit drittgrössten Maniok-Produzenten, sowie in Angola, wo die Produktion in den vergangenen Jahren florierte.

Auf Forschungsseite sei eine Reihe von Dingen noch nie gemacht worden, etwa was die Weisse Fliege angehe, sagt Fauquet. Die Braunstreifen-Krankheit wird wie die Kassava-Mosaik-Krankheit (CMD), eine andere Geissel der Bauern in Afrika, von derselben Fliege übertragen, die nur sehr schwer zu kontrollieren ist.

1935 in Ostafrika erstmals identifiziert und bis vor etwa zehn Jahren nur wenig bekannt, ist CBSD heute die bedrohlichste aller Viren-Krankheiten des Maniok.

Ansteckungen mit dem Virus können eine ganze Ernte vernichten, wobei die Bauern erst sehen, ob ihre Pflanzen bedroht sind, wenn sie die Knollen bei der Ernte ausgraben.

Die Blätter infizierter Pflanzen sehen gesund aus, während die Knollen kaputtgehen. Das verräterische Zeichen sind braune Streifen im Fleisch der Knolle.

Übertragen wird das Virus von der Weissen Fliege. Während es Jahre dauern könnte, bis die Krankheit sich aufgrund der Übertragung durch Weisse Fliegen allein über den ganzen Kontinent ausbreiten würde, können infizierte Stecklinge praktisch über Nacht zu Ausbrüchen in neuen Gegenden führen.

(Quelle: Globale Kassava-Partnerschaft GCP21)

Gute Praxis

Hans R. Herren ist ein bekannter Schweizer Maniok-Experte. Seine Arbeit im Kampf gegen die in Afrika grassierende Maniok-Schmierlaus, die er mit Marienkäfern und Wespen bekämpfte, rettete Millionen von Menschen das Leben. Für diesen Einsatz wurde er 1995 mit dem Welternährungs-Preis ausgezeichnet.

Herren, Gründer und Präsident der Schweizer Stiftung Biovision, sieht bei der Bekämpfung der neusten Probleme der Maniok-Kulturen keinen Platz für den Einsatz von Gentechnologie.

“Ich habe die Braunstreifen-Krankheit und die Mosaik-Krankheit gesehen. Die Probleme werden vom Menschen verursacht, durch schlechte landwirtschaftliche Praktiken wie das Pflanzen infizierter Stecklinge”, erklärt Herren gegenüber swissinfo.ch.

“Das Problem mit gentechnisch veränderten Pflanzen ist, dass sie in der Regel Symptome bekämpfen statt Ursachen… Und damit bringen sie nur eine vorübergehende, teure Lösung.” Zudem wisse man nichts über die ökologischen, gesundheitlichen und öko-sozialen Kosten solcher Lösungen.

“Am Ende kommen wir nicht wirklich voran, sondern verlieren Biodiversität und verursachen steigende Kosten, für Bauern und Konsumenten”, fügt Herren hinzu.

“Biologisch bekämpfen”

Was schlägt Herren vor? Eine Massnahme mit sofortiger Wirkung wäre, das Bewusstsein über gute Pflanz-Praktiken bei den Bauern zu erhöhen. Gleichzeitig würde er die Bekämpfung der Weissen Fliege auf dieselbe Art angehen, wie er es mit der Schmierlaus und der Grünmilbe tat – mit biologischer Schädlingsbekämpfung.

“Wir nutzten, was die Natur zum Nulltarif zur Verfügung stellt, und lösten das Problem auf diese Weise dauerhaft. Wir suchten nach nützlichen Insekten – im Wesentlichen nach guten Milben, die schlechte Milben essen – und fanden diese auch. Heute sind beide Plagen unter Kontrolle.”

In einem sind sich Beobachter einig: Im Fall der Maniok-Kulturen muss gehandelt werden, und es braucht Ressourcen zum Schutz der Pflanze.

“Es braucht einen Denkwandel. Wir müssen der Welt sagen, dass dies eine sehr bedeutende Kulturpflanze ist. Und um sie zu schützen, müssen wir seriös sein, was Investitionen und Organisation angeht “, sagt Fauquet.

Die Höhe der Investitionen müsse verdoppelt oder verdreifacht werden. “Die Weltbevölkerung nimmt rapide zu. Wenn wir nicht in der Lage sind, die Menschen zu ernähren, wird es zu enormen Unruhen kommen. Dies wird die globale Gesellschaft auf lange Sicht viel teurer zu stehen kommen.”

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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