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Zürich vor einer Welle

Eine Welle in der Limmat für Fluss-Surfer in der Schweiz. (Bild: Fabian Staehelin) Fabian Staehelin

Zürich hat die Streetparade. Jetzt soll auch eine künstlich erzeugte Welle auf der Limmat junge Leute mit Sinn für das labile Gleichgewicht in die Stadt locken.

Das Vorhaben stösst bei Behörden und bei der Politik auf unterschiedliches Echo.

Seit Jahrtausenden versucht der Mensch auf Wellen über das Wasser zu gleiten. Als erster Europäer berichtete Captain James Cook 1778 aus Hawaii über das Wellenreiten der Eingeborenen. Und am Anfang des 20. Jahrhunderts kamen die ersten Reisenden in den Südpazifik, unter ihnen Jack London. Der amerikanische Schriftsteller beschrieb, wie die Einheimischen mit den Wellen spielten.

Jetzt soll auch die Stadt Zürich ihre Welle bekommen, damit Trendsportler im Binnenland ihre Lebensphilosophie des labilen Gleichgewichts kultivieren und lustvoll über das Wasser gleiten können.

Welle und Kraftwerk

Das Surfprojekt auf der Limmat unterhalb des Elektrizitätswerks Letten wurde im Frühjahr 2004 baurechtlich geprüft und gilt als bewilligungsfähig, wie die Initianten vom “Verein Stehende Welle” erklären. Das Wasser fliesst an der ausgewählten Stelle regelmässig und ohne Strudel, ist zwei bis drei Meter tief und geschützt vor extremem Hochwasser.

Das Prinzip der künstlichen Welle auf dem Fluss ist einfach. An einer Stelle mit grosser Fliessgeschwindigkeit wird am Grund ein punktuell verankerter Gummisack quer zur Flussrichtung ins Wasser gelegt und aufgepumpt. Der Gummisack erzeugt eine künstliche, stehende Welle an Ort. Der Wellensack ist nicht sichtbar, und das Material beeinflusst die Wasserqualität nicht.

Auch ökologisch soll die geplante Kunstwelle unbedenklich sein. Der Fluss werde durch den künstlich erzeugten Stau mit Luft gemischt und das Wasser somit mit Sauerstoff angereichert, erklären die Initianten.

Die Politik staut

Die Theorie zum Surferparadies an der Limmat mag verblüffend einfach sein. Die Umsetzung der stehenden Welle muss bis zu ihrer Verwirklichung aber noch zahlreiche politische und mentale Hürden nehmen. Behörden und Parteien debattieren darüber, ob es sich beim neuen Wasserprojekt um eine städtebauliche Flause oder um eine authentische Bereicherung des Sportangebots von Zürich handelt.

Mit einer Interpellation an den Zürcher Gemeinderat (Legislative) verlangen die Initianten des Projekts Auskunft darüber, warum der Stadtrat (Exekutive) gegen die stehende Surfwelle an der Limmat ist.

Die künstlich erzeugte Welle führt nach den Berechnungen der Initianten zu einem Produktionsverlust von maximal 0,2 Promillen des Elektrizitätswerks Letten. Gegner des Projekts glauben, die Surfanlage führe zu einer Verschwendung eines ökologisch sinnvollen Energieträgers, welche die Zertifizierung des Kraftwerks Letten als ökologischen Stromproduzenten in Frage stellen könnte.

Anwohner befürchten, eine stehende Welle in der Limmat ziehe laute Surf-Sounds an und führe zu Konflikten mit Schwimmern.

Andere Städte haben schon ihre Kunstwelle

Andere Städte haben bereits Erfahrungen mit stehenden Wellen gesammelt. In München wird seit Jahren in verschiedenen Spots in der Isar und ihren Kanälen gesurft, genau so wie in Österreich und in Italien.

In der Schweiz gibt es bisher nur eine Kunstwelle. Sie liegt im aargauischen Bremgarten an der Reuss und gilt als eine der besten in Europa. Die Wellen verleihen einer Stadt ein jugendliches und sportliches Image.

Die Initianten der stehenden Welle von Zürich sind davon überzeugt, dass von der Anlage in der Limmat nicht nur die rund 10’000 aktiven Surfer, sondern auch verwandte Trendsportarten profitieren werden.

swissinfo, Erwin Dettling, Zürich

Aktive Trendsportler In der Schweiz:
Ca. 10’000 Surfer
4000 Kanuten
500’000 Snowboarder
50’000 Skateboarder
Je 10’000 Wake- und Surfboarder

Damit die Initianten beim Projektieren des Baus und beim Betrieb überzeugender auftreten können, haben sie sich im Verein “Stehende Welle” zusammen-geschlossen.

Zweck des Vereins ist, zusammen mit Partnern eine stehende Welle in Zürich zu bauen. Auch setzt sich der Verein zum Ziel, sich um Unterhaltsarbeiten, Präsenz auf dem Gelände und um ein Rahmen-Programm zu kümmern (z.B. Schnupperkurse).

Der Verein will zudem mit dem Bau der stehenden Welle verschiedene Wasser-Sportarten fördern.

Der Verein ist politisch und konfessionell neutral.

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