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“Big Joe” wird “Big Boss”

Auf Josef Ackermann wartet viel Arbeit. Keystone

Der Schweizer Josef "Big Joe" Ackermann ist ab Donnerstag Chef der Deutschen Bank - ein "Ausländer" mit Ambitionen.

Er gilt als ausgezeichneter klassischer Sänger und Pianist. In jungen Jahren war er ein guter Speerwerfer. Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule St. Gallen. 1977: Promotion zum Dr. oec. Josef Ackermann ist ein Mann mit vielen Talenten.

“Man könnte ihn als ziemlich modernen Banker charakterisieren. Wie die meisten seiner Sorte ist er seit langem im ‘Investment-Banking’ tätig. Wenn nötig, kann er ziemlich skrupellos sein”, erklärte David Hussey, Bankenanalyst bei Barkleys gegenüber swissinfo.

Zudem sei Ackermann eine charismatische Figur und sehr medienfreundlich. “Mit Sicherheit ist er Politiker”, fügte Hussey bei.

Seine Talente wird “Big Joe” brauchen: Am Mittwoch findet in Frankfurt am Main die ordentliche Aktionärsversammlung der Deutschen Bank statt. Ackermann wird zum obersten Chef der Bank ernannt – als Nachfolger des abtretenden Rolf Breuer.

Die Berufung des 54-jährigen Ackermann ist seit geraumer Zeit eine beschlossene Sache: Im September 2000 – nach Monaten der Spekulationen – hievte der Vorstand der Deutschen Bank den Schweizer Top-Shot an die Spitze des Traditionsunternehmens. Arbeitsbeginn: 23. Mai 2002.

Steile Karriere

Mit der Berufung zum Konzernchef der Deutschen Bank nimmt der im St. Gallischen Mels geborene Josef Ackermann eine weitere Stufe in einer steilen Karriere. Diese hatte 1978 bei der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) begonnen, die sich inzwischen zum Allfinanz-Konzern Credit Suisse Group entwickelt hat.

1990 – im Alter von 42 Jahren – rückte Ackermann in die Generaldirektion auf. Drei Jahre später wurde er Konzernchef. Ackermann galt als unangefochtene Nummer Zwei hinter dem damaligen CS-Chef Rainer E. Gut. Ackermann war unter anderem für die Integration der Schweizerischen Volksbank in die Credit Suisse Group besorgt.

Von der Schweiz nach Deutschland

Um so überraschender wirkte es, als der Kronprinz Anfang Juli 1996 den Hut nahm und in den Vorstand der Deutschen Bank wechselte. Ackermann machte für seinen Abgang Gründe der beruflichen Lebensplanung geltend. Wahrscheinlicher ist, dass er mit den Restrukturierungsplänen Rainer E. Guts nicht einverstanden war.

Die Deutsche Bank zog sich mit Ackermann einen guten Fisch an Land: Dies zeigte sich spätestens im Geschäftsjahr 1999, als Ackermanns Zuständigkeitsbereich “Globale Unternehmen und Institutionen” mehr als 60 Prozent zum Konzerngewinn beitrug.

“Die Deutsche Bank ist keine deutsche Bank mehr”, sagte der scheidende Rolf Breuer mit Blick auf die globalisierte Finanzwelt. Dass der neue Chef Josef Ackermann einen Schweizer Pass besitzt, ist in diesem Zusammenhang jedoch eher von symbolischer Bedeutung. Experten zufolge ist Ackermanns Berufung ein Zeichen für die zunehmende Internationalisierung des Geldhauses.

Die Bank verfolgt seit geraumer Zeit das Ziel, sich unter den internationalen Top-Banken zu etablieren – und so ihr Überleben zu sichern. Schweizer Banken waren schon viel früher zu entsprechenden Schritten gezwungen worden.

Verwundbare Deutsche Bank

Eine Herkulesaufgabe, die Ackermann vor sich hat: Die Deutsche Bank steht nämlich – ähnlich wie andere deutsche Grossbanken – vor erheblichen strukturellen Problemen. Ihre Kosten sind im internationalen Vergleich viel zu hoch, die Erträge zu klein. Die goldenen Zeiten, da man noch über nennenswerte stille Reserven verfügte, sind vorbei. Kurz: Die Deutsche Bank ist verwundbar. Sie muss sich vor einer feindlichen Übernahme schützen.

Ackermann will die Marktkapitalisierung der Bank von derzeit um die 40 Mrd. Euro mindestens verdoppeln (Summe des Werts der gehandelten und gehaltenen Aktien). Mit den altbewährten Sanierungsmitteln: Kosten drücken, unrentable Beteiligungen abstossen, sämtliche Geschäftsfelder auf ihre Profitabilität überprüfen, mehr Macht dem Chef, mehr Transparenz, schnellere Entschlussfassung.

Zudem machen Gerüchte über die Akquisition einer Schweizer Privatbank die Runde. Könnte es sein, dass da ein Wahldeutscher mit Schweizer Abstammung den ehemaligen Berufskollegen im hochrentablen Privat Banking auf die Pelle rücken möchte?

Felix Münger

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