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“Es steht schlecht um die Glaubwürdigkeit der BaZ”

Die BaZ-Holding besteht aus der "Basler Zeitung" und der Druckerei. Keystone

Die Übernahme des Verlags der "Basler Zeitung" durch die Familie des rechtskonservativen Politikers und Wirtschaftsführers Christoph Blocher könnte in der Schweiz zu einer verstärkten Polarisierung der Medienlandschaft führen, sagen Experten.

Dass die traditionsreiche Basler Zeitung endgültig im Umfeld der Familie Blocher landet, sorgte am Dienstag in der Schweiz vorwiegend für negativ gefärbte Schlagzeilen. Kritisiert wurde dabei die intransparente Art der Übernahme des wirtschaftlich geschwächten Verlagshauses. Dieses geniesst aber in der Region Basel noch ein gewisses, wenn auch ein bröckelndes, Monopol.

Im Vorfeld der Übernahme vor gut einem Jahr hatte Christoph Blocher, Chefstratege der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und seit Jahren an der Basler Zeitung interessiert, wiederholt verneint, ein Aktienpaket zu besitzen. Das hat sich jetzt nicht als die ganze Wahrheit herausgestellt.

Diese vom Zürcher Tages-Anzeiger als “Oligarchisierung” bezeichnete Entwicklung, bei der die Milliardärsfamilie Blocher Partei-Interessen mit “Firmen, Fabriken und Zeitungen” kombiniere, ist auch von der Neuen Zürcher Zeitung kritisch aufgenommen worden: Sie kommentiert den Deal als “Trauerspiel” und “blamables Versteckspiel um die Besitzverhältnisse”.

Geheimfinanzierung

Moritz Suter, Crossair-Gründer und bekannter Basler Unternehmer, hatte Ende November 2010 die BaZ-Holding übernommen – und damit die Aktien sowohl der Basler Zeitung als auch der Druckerei.

Hinter Strohmann Suter stand jedoch Blocher respektive seine Tochter Rahel und deren gemeinsame Beratungsfirma Robinvest. Diese konnte gemäss Vertrag Suters Aktien zurückverlangen. Robinvest stand auch hinter einem 70-Millionen-Franken-Darlehen, wobei Marcel Ospel als Kreditgeber und weiterer Basler Strohmann von Blocher auftrat. Unter der Ägide von Ospel war vor Jahren die Grossbank UBS in ihre grosse Finanzkrise geraten.

Zerschlagenes Geschirr als Hauptproblem

“Was den Leuten Sorge macht, ist, dass ein politischer Akteur sich ein Medienunternehmen unter den Nagel reisst, um damit seine politische Macht auszubauen”, sagt Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik und Medienforschung am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft in Winterthur, gegenüber swissinfo.ch.

Das Problem der BaZ-Übernahme liege weniger darin, dass ein potenter Polit-Akteur Verleger werde, sondern im “Versteckspiel um die Eigentümerschaft und das Geschirr, das damit langfristig zerschlagen worden ist”.

Die Gesellschaft verlange von Medienunternehmen, deren Aufgabe es ja sei, Transparenz in die Gesellschaft zu bringen, ihrerseits transparent zu sein. Um die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der BaZ stehe es deshalb schlecht, sagt Wyss.

Medienhäuser fahren grundsätzlich mit einer Vielfalt von Besitzern am besten. “Das dürfen auch politische Akteure sein, solange dies offen ist.” Dennoch wünscht sich Wyss keinen Rückfall in die alten Zeiten der Parteienzeitungs-Landschaft. “Lieber eine vielfältige als eine Mainstream-Medienlandschaft, wo überall dasselbe geschrieben steht”, lautet seine Devise.

Grundsätzliches Finanzierungsproblem

Wyss verlangt von Verlegern jeglicher Couleur, dass sie ihre Eigentumsrechte etwas zurückschrauben und eine publizistische Grundhaltung gegen aussen kommunizieren. Auch sollten sie den angestellten Journalisten beispielsweise klare Redaktionsstatuten zugestehen.

“Es gibt generell ein Problem mit der Finanzierung von Journalismus”, so Wyss, “aber zur Zeit geht es den Medienhäusern eher schlecht, so dass sie noch anfälliger werden. Sie werden zu potenziellen Einfallstoren von politischen oder religiösen Akteuren.” Und denen sei es letztlich egal, ob eine Zeitung rentiere oder nicht. Sie wollen ihre Deutungsmacht durchsetzen, nicht unbedingt Geld verdienen.

Deshalb dürfe die Gesellschaft in dieser Branche nichts dem Zufall überlassen. Aber auch andere Finanzierungs-Modelle von Journalismus überzeugten wenig: Ein reines Staatsmedium führe zu einem Journalismus à la Prawda, Zeitungen als reine Geldmaschinen wiederum führten zur Murdoch-Boulevardpresse.

Rentabilität ist zweitrangig

Ähnliches befürchtet auch Heinz Bonfadelli, Publizistikprofessor an der Uni Zürich. Die konservativ denkenden Kreise um Christoph Blocher hätten bereits die Ausrichtung der einst liberalen Weltwoche geändert, sagt er. “Jetzt, so scheint es, möchten sie auch eine Tageszeitung in ihre Strategie miteinbeziehen – unabhängig von Rentabilitätsüberlegungen.”

Eigentlich widerspreche dies dem Trend der letzten 25 Jahre, während denen die ideologisch gefärbten (Partei-)Zeitungen den sogenannten Forums-Zeitungen wichen, die politisch unabhängiger seien, so Bonfadelli. Nur die Neue Zürcher Zeitung sei immer offen dem liberalen Gedankengut verpflichtet geblieben.

Falls die Schweizerische Volkspartei Mitte dieser Woche keinen zweiten Bundesrat in die Regierung schicken könne oder falls sie sich entschliesse, grundsätzlich in die Opposition zu gehen, nehme der Bedarf nach einer eigenen, parteimässig ausgerichteten Tageszeitung stark zu. Dies könnte zu einer verstärkten Polarisierung der Schweizer Presselandschaft führen.

Nach dem Abgang von Moritz Suter, der seine Aktien an
Rahel Blocher verkaufte, herrscht bei der Basler Zeitung Funkstille.

Weder das Unternehmen noch die Redaktion nehmen
Stellung. Am Donnerstag soll Suters Nachfolger offiziell bekannt gegeben werden.

In eigener Sache bleibt sich die BaZ treu: 13 Zeilen ist Suters Kapitulation Chefredaktor Markus Somm auf der Dienstags-Frontseite wert.

Online schwieg die BaZ
dazu gänzlich, während Partnerportale des “Newsnet” berichteten.

Somm kündigt im Blatt an, dass Suters Nachfolge bis spätestens am Donnerstag verkündet werde.

Christoph Blocher wollte nicht Stellung nehmen zum Gerücht, FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger werde neuer BaZ-VR-Präsident.

(sda)

Ende November 2010 war Moritz Suter als Retter der Basler Zeitung gefeiert worden.

Es schien, als ob er die BaZ nach den Turbulenzen um das Beratermandat der Robinvest AG von Christoph Blocher wieder in ruhigere Gewässer steuere.

Unklar blieb schon damals, ob Suters allfällige Partner finanziell unter die Arme gegrifffen hätten.

Auch über die editoriale Linie unter dem damals neuen Chefredaktor Markus Somm, der Christoph Blochers Biografie geschrieben hatte, wurde spekuliert.

Der deutsche Axel Springer-Verlag übernahm per Januar 2007 die Zürcher Jean Frey AG, unter anderem den Beobachter und die Bilanz, aber nicht die Weltwoche.

Tito Tettamanti erhielt dafür fast 140 Mio. Franken.

Weltwoche-Verleger und Chefredaktor Roger Köppel hatte dem Jean-Frey-Verlag die restlichen 40% der Aktien des Weltwoche Verlags abgekauft.

Bereits damals hatte es auf Grund der redaktionellen (Neu-)Ausrichtung gerüchteweise geheissen, im Hintergrund habe Christoph Blocher als indirekter Financier agiert.  

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