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“Ethik-Bilanz”: Politiker folgen ihrem Gewissen

Das Schweizer Parlament, Hort des politischen Gewissens. Keystone Archive

Wenn Politikerinnen und Politiker handeln, hören sie zuerst auf ihr eigenes Gewissen, wie die Studie "Ethik 2006" zeigt. Der Glaube spielt kaum mehr eine Rolle.

Ethische Haltungen und Verhalten sollten vermehrt geschult werden, plädieren die Mandatsträger.

Für sechs von zehn befragten Politikerinnen und Politikern bedeutet Ethik, dem eigenen Gewissen zu folgen. Mehr als die Hälfte nennt Verantwortung für Erde und Kosmos sowie humanistische Prinzipien. Für knapp ein Drittel ist Ethik auch die Einhaltung von Normen und Gesetzen, für mehr als zehn Prozent das Handeln nach religiösen Grundsätzen.

Dies die Resultate der Studie “Ethik 2006”, welche am Freitag an einer Tagung in Zürich präsentiert wurde. Sie basiert auf einer Befragung von 800 Politikern von Bund, Kantonen und Gemeinden. Zweck der Studie war, Verständnis und Stellenwert der Ethik in der Schweizer Politik zu ermitteln.

Kein Anspruch auf repräsentative Ergebnisse

Untersucht wurde namentlich, welche Rolle die Ethik für Volksvertreter persönlich und allgemein in der Politik spielt. Die Autoren erheben nicht den Anspruch auf eine repräsentative und neutrale Untersuchung.

Hinter dem Projekt steht das 1995 vom Jesuitenpater und Zenmeister Niklaus Brantschen gegründete Lassalle-Institut in Bad Schönbrunn im Kanton Zug.

Mehr Humanismus bei den Linken,…

Aus parteipolitischer Sicht zeigt sich, dass bei linken Politikern humanistische Prinzipien wie Emanzipation eine wichtigere Rolle spielen als bei Volksvertretern aus dem rechten Lager. Umgekehrt verhält es sich bei der Einhaltung von Regeln in unserer Kultur.

… mehr Law and Order bei den Rechten

Die Unterschiede zwischen Links und Rechts kommen auch bei der Beurteilung von konkreten Politikfeldern zum Ausdruck. Nach Ansicht von Politikern der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP) spielen im Asylwesen ethische Überlegungen eine zu starke Rolle. Eine gegenteilige Meinung haben Politiker der Sozialdemokraten (SP).

Wird nach der Orientierung bei wichtigen politischen Entscheidungen gefragt, steht wiederum das eigene Gewissen an erster Stelle (98%). Es folgen Gemeinwohl (97%), Weltanschauung/Glaube (72%), Wählerinteressen (57%), Parteibeschlüsse (43%) und Parteikollegen (32%).

Am Schluss der Liste der Faktoren, welche die Entscheidungen von Politikern beeinflussen, liegen persönliche Interessen (19%) und Medienresonanz (10%). Diesbezüglich dürfte die Einschätzung durch die Öffentlichkeit ein anderes Bild ergeben. Denn wie bei allen Menschen gilt es zu bedenken, dass das Selbstbild stark davon abweichen kann, wie das Handeln von aussen wahrgenommen wird.

Aus- und Weiterbildung in Ethik

Bei der Frage, welche Massnahmen die Schweizer Politik zur Förderung von ethischem Verhalten braucht, hat für die Mehrheit der Politiker Aus- und Weiterbildung oberste Priorität. Danach folgen das Erstellen von Ethikkodizes und gesetzgeberische Massnahmen.

Schliesslich zeigt die Studie, in welchen Politikfeldern mehr Ethik gewünscht wird. Auf den ersten Platz stellten die Befragten das Bildungswesen (73%), gefolgt vom Gesundheitswesen (72%) und dem Finanzplatz Schweiz (71%).

Mehr linke als rechte Antworten

Für die im letzten Jahr durchgeführte Studie wurden die Antworten von über 800 Politikerinnen und Politikern ausgewertet. Insgesamt waren fast 3700 Personen angeschrieben worden. Dabei zeigte sich, dass sich Politiker der Linken stärker an der Umfrage beteiligten als Politiker des rechten Parteienspektrums.

Verfasser der Studie sind Forscher des Lassalle-Instituts in Zusammenarbeit mit Soziologen der Universität Zürich und anderen Experten. Das Lassalle-Institut richtet sich an Führungskräfte in Wirtschaft, Politik und anderen Bereichen der Gesellschaft mit dem Schwerpunkt einer Ethik aus ganzheitlichem Bewusstsein.

swissinfo und Agenturen

Das Lassalle Insitut in Zürich hat für die Studie “Ethik 2006” über 800 Politikerinnen und Politiker von Bund, Kantonen und Gemeinden befragt.
98% handeln gemäss eigenen Angaben nach ihrem Gewissen.
97% nach dem öffentlichen Wohl.
72% gemäss Weltanschauung/Glaube
57%: Wählerinteressen,
43%: Parteibeschlüsse
32%: Parteikollegen.
19%: Persönliche Interessen
10% im Hinblick auf die Resonanz in den Medien.

Das Lassalle-Institut betreibt seit 1993 in Bad Schönbrunn das “Zentrum für Spiritualität und soziales Bewusstsein”.

Es ist eine Nichtregierungs-Organisation, die auch für die UNO arbeitet.

Das Institut besitzt ein Mandat des Wirtschafts- und Sozialrats der UNO (ECOSOC).

Es gehört ferner dem Department für Information für NGO der UNO an.

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