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“Hochhäuser sind umweltbelastender”

Horst Eisterer

Kürzlich publizierten wir einen Artikel darüber, warum in der Schweiz kaum in die Höhe gebaut wird. Der Architekt Horst Eisterer beklagt hingegen einen regelrechten Hochhaus-Wildwuchs. Insbesondere in der Stadt Zürich gebe es eine irrationale Vorliebe, ja Besessenheit für Dichte und Hochhäuser.

Zuerst: Wird tatsächlich wenig in die Höhe gebaut? Das hängt vom Ort und der Baupolitik der Kommunen ab. 

Kürzlich wurde von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern in Spreitenbach ein Hochhausprojekt abgelehnt. Und die Bevölkerung in Zürich-Schwamendingen erzwang, die vorgesehenen Hochhäuser aus dem Richtplan herauszunehmen. 

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Warum in der Schweiz kaum in die Höhe gebaut wird

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht In der Schweiz gibt es vergleichsweise wenige Wohnhochhäuser. Erste Versuche in den 1960er- und 1970er-Jahren gerieten schnell in Verruf.

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Hochhaus-Wildwuchs

Wer aber in Zürich auf dem Käferberg steht, sieht die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden schiessen. Und dies nicht etwa an städtebaulich begründeten Stellen, sondern wie in einem Stoppelfeld, völlig willkürlich, wo gerade zufällig ein Investor ein grösseres Grundstück erwerben konnte. 

Dies steht völlig im Widerspruch zu den Hochhausrichtlinien der Stadt, welche das Hochhaus als Ausnahme vorsehen. Selbst dort, wo zum Schutz der Landschaft Hochhäuser ausdrücklich verboten sind – in den Hochschulgebieten auf dem Hönggerberg und am Irchel – sind Hochhäuser geplant. 

“Hochhäuser dürften allein wegen des Klimaschutzes nicht mehr gebaut werden.”

Das ist wohl der Grund, warum die Stadt Zürich mittels einer aufwändigen Testplanung die Hochhausrichtlinien überarbeiten lässt, wohl um den Wildwuchs zu “legalisieren”. 

Was früher mit guten Gründen erarbeitet wurde, wird einer neuen irrationalen Vorliebe, ja Besessenheit für Dichte und Hochhäuser geopfert. Ich denke da insbesondere an die Stadt Zürich, weil sie als Wirtschaftsmotor eine Vorreiterrolle für die ganze Schweiz hat. 

Nachteile von Hochhäusern

Zum ersten sind Hochhäuser wesentlich umweltbelastender als gewöhnliche Hauszeilen. Besonders zu Buche schlägt bei Hochhäusern die noch zu wenig berücksichtigte graue Energie. Die neuen, monsterhaften Hochhäuser – wie auf dem Hardturmareal mit zweimal 137 Meter Höhe –dürften allein wegen des Klimaschutzes nicht mehr gebaut werden, zumal sie schlicht nicht notwendig sind.

Zweitens ist die Behauptung, weil das Bauland rar sei, müsse man in die Höhe bauen, fachlich leicht zu widerlegen. Die Ansicht, durch Geschossanhäufung würde viel Freifläche generiert, ist nämlich falsch. Denn diese nimmt mit steigender Geschosszahl exponentiell ab, wie Sie im Video sehen können:

Drittens betonen zahlreiche humanwissenschaftliche Quellen, das Silowohnen in Hochhäusern isoliere die Menschen vom Boden, verhindere Hausgemeinschaften, schaffe ein soziales Gefälle von oben nach unten und sei für Kinder schlecht geeignet. Deshalb empfahl der bekannte, human denkende Architekt Roland Rainer fürs Wohnen die schattenspendenden Bäume als Höhenmass, um wohnliche, bergende Aussenräume entstehen zu lassen.

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Enger bauen heisst nicht schlechter leben

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht In der Schweiz werden kaum neue Bauzonen geschaffen. Wie kann man trotz Verdichtung qualitativ guten Wohnraum schaffen?

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Setzen Sie sich, liebe Leserschaft, einmal neben die bedrohlichen, riesigen Klötze, in die verbliebenen ungemütlichen, fallwindanfälligen und für viele beängstigenden Resträume. Sie werden hier kaum allein spielende Kinder in für sie geeigneten Refugien finden, und auch keine so wichtigen Abstufungen zwischen privaten und öffentlichen Räumen wie im Flachbau. 

“Ausser der guten Aussicht und der mit der Geschosszahl steigenden Rendite haben Hochhäuser mehr Nach- als Vorteile.”

Viertens sind Hochhäuser in allen Phasen – bei der Planung, Erstellung, im Betrieb, Unterhalt und Rückbau – wesentlich aufwändiger und teurer als der verdichtete Flachbau. Einer der Gründe ist der erheblich grössere, systembedingte Flächenbedarf pro Bewohner oder Bewohnerin durch Erschliessungen, Aufzüge, Haustechnik, Statik, Brandschutz und dergleichen. Wegen der vom Markt noch angeheizten hohen Mietpreise leisten sich eher begüterte Menschen mit hohem Flächenbedarf solche Wohnungen. Grössere Wohnungen laufen aber der Verdichtung entgegen.

Menschenfreundlich bauen

Wozu also Hochhäuser? Ausser der guten Aussicht und der mit der Geschosszahl steigenden Rendite haben Hochhäuser mehr Nach- als Vorteile. 

Wir von der Arbeitsgruppe Städtebau und Architektur vertreten den menschenfreundlichen, sozial engagierten und umweltschonenden Städte- und Wohnungsbau. Abgesehen von stringent begründeten Ausnahmen gelingt dies ohne Hochhäuser besser.

Kontaktieren Sie den Autor per Mail: h.eisterer@hispeed.ch.

Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.

Horst Eisterer ist Architekt ETH SIA SWB, em. Lehrer und Mitglied der Arbeitsgruppe Städtebau und Architektur Zürich sowie der Allianz lebenswerte Stadtentwicklung.

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