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“Max & Co.”: Der Produzent pokert hoch

Die Zwillingsbrüder Samuel (links) und Frédéric Guillaume mit ihren Filmhelden. Keystone

Am Mittwoch wurde an den 43. Solothurner Filmtagen der Schweizer Filmpreis verliehen. Nominiert war auch der Trickfilm "Max & Co.": Doch die teuerste Schweizer Produktion aller Zeiten ging leer aus.

Produzent Robert Boner hat mit der Finanzierung des Films ein Kunststück vollbracht. Jetzt will er die Schweiz zum Standort für Animationsfilme machen.

Der kleine Fuchs Max schreckt vor nichts zurück: Er kämpft gegen den Patron einer Fliegenklatschenfabrik und zettelt eine Revolution an. Max ist der Hauptdarsteller von “Max & Co.”: Er ist aus Latex und Silikon.

“Wir müssen keine Stars anheuern, wir machen sie selber”, sagt Robert Boner. Er ist der Produzent des Animationsfilms “Max & Co.”, dem Kinoerstling der Zwillingsbrüder Samuel und Frédéric Guillaume, mit dem am Montag die Solothurner Filmtage eröffnet wurden. Doch auch Boners Protagonisten haben ihren Preis: “Max & Co.” ist die teuerste Schweizer Produktion aller Zeiten.

Boner gelang eine kleine Revolution in der Schweizer Filmbranche: 30 Mio. Franken kostet sein neuester Film. Das ist fast doppelt so viel, wie das Bundesamt für Kultur (BAK) insgesamt an Filmgeldern ausgibt. Und rund das Fünffache dessen, was “Mein Name ist Eugen” als bislang teuerster Schweizer Spielfilm gekostet hat. In der Schweiz galt die Geldbeschaffung für solche Grossproduktionen bisher schlicht als Illusion.

Fehlende Finanzstrukturen

Da wird ständig über fehlende Filmförderungsgelder gesprochen und plötzlich kommt einer und vollbringt das vermeintlich Unmögliche. “Es war schwierig, aber dank der Koproduktion mit Frankreich, Belgien und England haben wir es geschafft”, sagt Boner.

Die Produktionskosten von “Max & Co.” seien im internationalen Vergleich immer noch relativ kostengünstig. Der Film koste etwa die Hälfte einer englischen Produktion und einen Drittel dessen, was die Amerikaner für einen Film aufwenden.

“Das Schwierigste war, das Geld zur richtigen Zeit zu haben”, sagt Boner. Bei einem Animationsfilm müsse man zwischen 25% und 30% der Kosten bereits vor Drehbeginn investieren. In der Schweiz fehlten bisher jedoch die dafür notwendigen Finanzstrukturen. “Die Schweiz verfügt über die Mittel und die Instrumente, sie muss sie nur anpassen”, ist er überzeugt.

Traumfabrik statt Tetra Pak

In den ehemaligen Industriehallen der Firma Tetra Pak im freiburgischen Romont, dort wo noch vor zwei Jahren Beutel für Milch und Fruchtsäfte hergestellt wurden, steht heute eine Traumfabrik. Statt Verpackungen werden nun Filmfiguren produziert. Hier haben die Gebrüder Guillaume “Max & Co.” zum Leben erweckt. Die Puppen sind künstlich, die Umgebung jedoch, in denen sie sich bewegen, ist echt: Gefilmt wurde zum Teil direkt vom Dach des Filmstudios aus.

38 Drehwochen, 27 Sets, über 200 Mitarbeiter aus ganz Europa: Produzent und Regisseure scheuten keinen Aufwand.

“Wir wollten uns an den Engländern messen, am Studio Aardman (“Chicken Run”), an den Produktionen von Tim Burton (“Corps Bride”). Wir wollten so nahe wie möglich an diese Perfektion kommen”, sagt Boner. “Man darf das Ganze nicht an Geldfragen scheitern lassen.”

Grosse Pläne

Noch bevor sein erster Animationsfilm überhaupt in den Kinos angelaufen ist, schmiedet Boner schon weitere Pläne. Der Schweizer Produzent, der sich mit Filmen wie “Les petites fugues” von Yves Yersin und “Mais im Bundeshaus” von Stephane Bron einen Namen machte, hat Grosses vor: Er will die Schweiz zum Standort für Animationsfilme machen.

“Die Schweizer sind gut im Tüfteln und Basteln und bekannt für ihre Präzision, das passt zum Animationsfilm”, so Boner. Das Land habe auch eine lange Tradition im Bereich Animations-Kurzfilm. Es habe genügend Talente, man müsse nur die entsprechende Produktions- und Ausbildunsstruktur schaffen.

Natürlich brauche es dazu den politischen Willen. “Der Standort ist eine Frage der kulturellen Unterstützung”, so Boner und fügt lakonisch hinzu: “Wenn wir diese finden, bleiben wir hier, sonst gehen wir anderswo hin.”

Mythos des Erfolgsfilms

Für einen kontinuierlichen Marktanteil von 6% bis 8% brauche es eine grosse Anzahl von Filmen. “Es ist ein Mythos zu glauben, man könne nur Erfolgsfilme fördern. Wenn man das könnte, wären wir alle reich”, sagt Boner. So habe zum Beispiel niemand den Erfolg von “Herbstzeitlosen” voraussehen können. Für ihn ist klar: “Es gibt keine andere Lösung als mehr Geld seitens des Bundes.”

Auf dem kleinen Fuchs lastet ein grosser Druck. Nachdem die Schweizer Kassenschlager 2007 ausblieben, sind die Hoffnungen auf einen Publikumserfolg gross. Auch Nicolas Bideau, der Filmchef des BAK, wartet auf “Lokomotiven”, zugkräftige Schweizer Filme bezeichnet. Um die Produktionskosten zu amortisieren, braucht es jedoch mehr als einen Schweizer Erfolg. Boner hofft immer noch auf einen US-Deal.

Eines ist klar: Boner, der auch Geld seiner Produktionsfirma Saga-Productions in den Film steckte, kann nicht mehr zurück. Hat er seinen Mut nie bereut? “Nein, keine Sekunde”, antwortet er ohne zu zögern. “Samuel und Frédéric Guillaume sind diesen Effort wert. Es wird nicht der erste und letzte Film mit ihnen sein. Ich hoffe, es ist der Anfang einer langen Geschichte.”

swissinfo, Corinne Buchser

Die Schweizer Beteiligung am Budget beträgt rund 42% (12,5 Mio. Franken). Das Bundesamt für Kultur hat 1,5 Mio. Franken bereit gestellt, bei Erstlingswerken gilt sonst ein Maximalbetrag von rund 500 000 Franken. Eine knappe Million stammt von der SRG SSR idée suisse. Der Film erhielt auch Beiträge aus der Wirtschaftsförderung und private Gelder. Das restliche Budget kommt aus den Koproduktionsländern Frankreich, England und Belgien.

Einen wichtigen Beitrag leistete auch der Kanton Freiburg, der eine Anschubfinanzierung machte und den Aufbau des Studios Cinémagination der Gebrüder Guillaume und Benoît Dreyer in Romont mitfinanzierten.

Für die Herstellung der Puppen konnten die Gebrüder Guillaume das renommierte Atelier von Mackinnon & Saunders in Manchester gewinnen, das schon die Marionetten für “Corps Bride” und “Mars Attacks” gefertigt hat.

In Zusammenarbeit mit der technischen Hochschule in Freiburg wurde zudem eigens eine Software namens “Animotion” entwickelt, um die Dreharbeiten zu beschleunigen.

“Max & Co.” wurde bisher in rund 20 Länder verkauft. Ab Februar läuft er in den Schweizer Kinos.

Der Animationsfilm hat am Filmfestival in Annecy letzten Juni den Publikumspreis gewonnen.

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