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"Lausanne Jardins 2004" - eine der 36 Garten-Installationen, die noch bis Ende Oktober besichtigt werden können. swissinfo.ch

Zum dritten Mal nach 1997 und 2000 setzt sich die Stadt Lausanne mit Gartengestaltung auseinander und lässt "Jardins de passage" erwandern.

“Lausanne jardins 2004” zeigt im einstigen Flon-Tal von der Place de l’Europe bis zum Bahnhof Renens experimentelle Gartenkunstwerke.

Was in Lausanne an der Place de l’Europe beginnt, ist zwar eine Gartenschau, jedoch keine, wie etwa die Insel Mainau oder ähnliche Einrichtungen, wo durch üppige Rosenbeete oder schmucke Anlagen eines Schlossgartens gewandelt werden kann.

“Lausanne Jardins 2004” lässt den Besucher, die Besucherin, 36 “Gärten” entdecken, wobei in einigen gar keine Pflanzen wachsen. Kurz: bei dieser Gartenschau harren “Kunstinstallationen in Gartenform” der Entdeckung.

Die Gärten gingen aus einem 2003 durchgeführten Ideenwettbewerb hervor. Aus 170 Ideen wurden 36 Installation ausgewählt. Sie stammen aus dem In- und Ausland.

Historischer Hintergrund



Der Parcours beginnt an der lärmigen Place de l’Europe, wo Lausanne seine Metro weiter baut. Hoch oben beim Personenlift. Sicher eine eher exotische Stelle, um einen Gartenrundgang zu beginnen. Doch passt der Ort gut zum Gebotenen.

Der Gang durch die Gärten kann individuell oder geführt unternommen werden. Sind die am Boden aufgeklebten grünen Wegweiser einmal ausgemacht, lässt sich dem Parcours relativ leicht folgen.

Die geführte Version (10 Franken pro Person) hat den Vorteil, dass der Besucher über die fast notwendigen historischen und konzeptionellen Hintergründe der Wegstrecke sowie der Installationen aufgeklärt wird.

Das Flon-Tal

Die Gartenkunstwerke befinden sich in einem dem Lausanne-Touristen unbekannten Stadtteil: dem Flon.

Bis vor gut 150 Jahren floss der Flon ungestört durch das gleichnamige Tal dem Genfersee zu. Die Hügel an der Sonnenseite waren mit Reben bedeckt. Später bauten die reichen Lausanner auf der Anhöhe ihre Villen.

Dann kam die Eisenbahn nach Lausanne und im Gebiet Flon wurden die Güter gelagert. Deshalb entstanden dort im 19. Jahrhundert zahlreiche Lagerhäuser, darunter 1890 das erste der Schweiz aus armiertem Beton.

Das Flon ist also kein Nobel-, sondern ein Industrie- und Gewerbequartier. Nach und nach wurden durch Menschenhand 5 Niveaus aufgeschüttet. Zudem wurde eine lokale Eisenbahn gebaut, um von Malley ins Zentrum von Lausanne zu gelangen.

All diese historischen Aspekte wurden in die Gestaltung der Gärten mit einbezogen, die sich entlang des Bahngleises im Flontal befinden. Das Flüsschen selber ist heute unsichtbar, in einem Kanal verschwunden.

Das Bohnenrennen

Ein typisches Beispiel dafür, was die Garteninstallationen in sich bergen, ist der Garten 12. Er heisst “Les Coureuses” (die Wettkämpferinnen) und wurde von einem Team aus Paris gestaltet.

Zu sehen sind rund ein Dutzend Startpflöcke, wie man sie vom Schwimmbad her kennt. Sauber nummeriert. Vom Startpflock gehen Drähte weg, die mit blauen Korkschwimmern versehen sind, wie beim Trennen der Bahnen im Bassin.

An den Drähten wachsen spanische Bohnen – wie Stangenbohnen – gegen oben. Das Rennen gewinnt die Pflanze, die entlang des Seiles bis zum Ende von “Lausanne Jardins” am 17. Oktober die längste Distanz zurückgelegt hat.

Der Garten ist eine Art Pflanzen-Sportplatz mit einem natürlichen Boden, einem Spielfeld und zwei Schiedsrichterstühlen. Angedeutet wird, dass sich in Lausanne der Sitz des Internationalen Olympischen Komitees befindet.

Witzig auch die Umgebung von “Les Coureuses”. Ein riesiges Graffiti, ein Totenkopf, überwacht das Rennen der spanischen Bohnen.

Unterschiedliche Reaktionen

“Die Gärten führen bei den Besucherinnen und Besuchern zu unterschiedlichen Reaktionen”, sagt Béatrice Lovis gegenüber swissinfo. Die Kunsthistorikerin führt einen Tag in der Woche die Gäste durch den Parcours.

Es stimme, sagt sie, dass nicht wenige eine herkömmliche Gartenschau erwarten und nicht unbedingt eine “intellektuelle Herausforderung mit wachsenden Pflanzen”. Andere wiederum seien hell begeistert.

Lausanne Jardins habe 2,2 Mio. Franken gekostet. Die Hälfte bezahle die Stadt Lausanne, den Rest die Sponsoren. “Die Installationen haben praktisch alles Geld verschlungen, so ist für eine detaillierte Information etwas wenig Geld übrig geblieben”, sagt Lovis.

Multikulturelle Suppe



Für die Bevölkerung von Lausanne und Umgebung bietet “Lausanne Jardins 2004” zudem zahlreiche zusätzliche Projekte und Feste.

So stellen sich die in Lausanne tätigen Ausländer-Vereinigungen dem Publikum im Rahmen der Gartenschau vor.

Bis zum 15. Oktober werden zudem jeweils am Freitag Abend im Garten “Ecrous, baignoires et calebasses” so genannte “multikulturelle Suppen” gereicht. Jede Vereinigung bereitet für rund 200 Personen Suppe, die gratis verteilt wird.

Fast erfreulich ist auch die Tatsache, dass von den 36 Gärten, die alle rund um die Uhr zugänglich sind, bislang nur zwei durch Vandalenakte verwüstet wurden.

swissinfo, Urs Maurer, Lausanne

Die Installationen im Rahmen von “Lausanne Jardins 2004” erstrecken sich von der Place de l’Europe im Flon bis zum Bahnhof Renens.
Die Schau dauert noch bis zum 17. Oktober.

An der Wegstrecke nach Renens sind 36 Gärten eingerichtet.

Die Installationen gingen aus 170 Bewerbungen hervor.

Das Tal des Flon wurde ab 1870 aufgeschüttet.

Bis 1922 wurden 5 Plateaus geschaffen (Le Flon, Sévelin, Sébeillon, Malley und Renens).

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