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“Öl für Nahrung”: Der Schlussbericht

Das Programm sollte die humanitäre Krise im Irak während des Embargos mildern. Keystone

Rund 2200 Unternehmen, darunter etliche aus der Schweiz, zahlten dem irakischen Regime im Rahmen des UNO-Programms "Öl für Nahrung" Schmiergelder.

Beim grössten Korruptions-Skandal in der Geschichte der UNO geht es um rund 1,8 Mrd. Dollar. Die Untersuchungs-Kommission, der auch ein Schweizer angehört, präsentierte ihren Schlussbericht.

1,8 Mrd. Dollar seien an den UNO-Kontrollorganen vorbeigeschmuggelt worden, erklärte Mark Pieth. Der Basler Strafrechtsexperte gehört der dreiköpfigen Kommission an, die am Donnerstag in New York ihren 600-seitigen Bericht vorstellte.

Er sei erschüttert über die hohe Zahl von Firmen, die bei dem Hilfsprogramm “Öl für Nahrung” zu illegalen Zahlungen bereit gewesen seien, sagte Pieth im “Echo der Zeit” von Radio DRS. Es handle sich um rund die Hälfte der etwa 4500 Firmen, die an dem Programm beteiligt waren.

Belege seien allerdings nicht in allen Fällen vorhanden, und sämtliche Firmen verneinten, dass bewusst solche Zahlungen gemacht worden seien, sagte Pieth weiter.

Interessenskonflikt bei Schweizer Banken

Die Schweizer Banken seien wegen eines Vertrags mit der UNO und dem Bankgeheimnis in eine Interessenskollision geraten. Pieth schloss nicht aus, dass die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) als Aufsichtsbehörde noch Arbeit bekommen dürfte, etwa bei der Überprüfung der Einhaltung der Identifikationspflicht.

Die EBK hatte kurz vor der Veröffentlichung des Schlussberichts erklärt, es seien bisher keine Verstösse gegen die Sorgfalt-Standards ans Licht gekommen. Sollte der Schlussbericht des Untersuchungsausschusses neue Erkenntnisse bringen, würden die Untersuchungen der EBK wieder aufgenommen.

Strafverfahren in der Schweiz einleiten

In einem früheren Bericht waren die Ermittler zum Schluss gekommen, dass die UNO mit Missmanagement illegalen Zahlungen Vorschub geleistet hatte.

Der Schlussbericht zeige nun, wie die Zahlungen abgelaufen seien, so Pieth weiter. Im Schlussbericht seien zahlreiche Begleitbriefe abgedruckt, die laut Pieth beweisen, welche Unternehmen gewillt waren, künstlich verteuerte Produkte zu liefern.

Nach Ansicht von Pieth sollten nun auf nationaler Ebene Strafverfahren eingeleitet werden. In der Schweiz müssten dahingehend die Rolle von Ölhändlern wie Taurus, Glencore und Vitol aber auch die Machenschaften des in der Schweiz lebenden US-Financiers Marc Rich untersucht werden.

Auch Firmen, die humanitäre Güter lieferten, und die Schweizer Niederlassung der Banque Nationale de Paris (BNP) müssten genauer unter die Lupe genommen werden, riet Pieth. 60% der illegalen Bankpapiere waren dem Bericht zufolge von der BNP in Genf eröffnet worden.

Ziel Hilfe für irakische Zivilbevölkerung

Das 64 Mrd. Dollar umfassende Programm hatte Saddam Hussein von 1996 bis 2003 erlaubt, in kontrolliertem Rahmen Öl zu verkaufen und im Gegenzug dafür Lebensmittel sowie Medikamente zu kaufen. Dies sollte die Folgen der Wirtschaftssanktionen für das irakische Volk mildern.

Die Sanktionen hatte die UNO 1990 nach dem Einmarsch des Irak in Kuwait verhängt, um den Diktator zur Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft zu zwingen. Saddam Hussein und seine Vertreter fanden laut dem Untersuchungskomitee Wege, das Programm systematisch zu politisieren und die Verträge irakfreundlichen Partnern zuzuhalten.

Vier Schweizer Strafverfahren eröffnet

Die Schweiz hat im Zusammenhang mit dem Programm “Öl für Lebensmittel” bisher vier Strafverfahren eröffnet und diverse Bankkonten gesperrt. Im Juni 2004 war bereits eine Genfer Ölhandelsfirma wegen einer unerlaubten Zahlung an den Irak zu einer Busse von 50’000 Franken verurteilt worden.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) will nun die im Schlussbericht der Untersuchungskommission enthaltenen Informationen genau überprüfen, wie es am Donnerstag mitteilte.

Sollte sich zeigen, dass sich weitere Firmen oder Personen rechtswidrig verhalten haben, würde man die Betroffenen der Bundesanwaltschaft melden, sagte Othmar Wyss, der seco-Verantwortliche für Exportkontrollen und Sanktionen.

In der Schweiz niedergelassene Firmen haben insbesondere im Ölhandel mit dem Irak eine bedeutende Rolle gespielt. Insgesamt hatte das seco im Rahmen des “Öl-für-Nahrung”-Programms 75 Firmen eine Bewilligung für den Handel mit irakischem Erdöl erteilt.

swissinfo und Agenturen

Das UNO-Hilfsprogramm “Öl für Nahrung” im Irak lief von 1996 bis zum Sturz von Saddam Hussein 2003.

In dieser Zeit verkaufte der Irak Öl im Wert von rund 64 Mrd. Dollar an 248 ausländische Unternehmen.

Rund 5% des verkauften Öls ging an Schweizer Konzerne.

Für das Öl lieferten 3614 ausländische Konzerne dem Irak Lebensmittel und Medikamente im Wert von 34,5 Mrd. Dollar.

Bei dem Programm kam es zu illegalen Geldflüssen in der Höhe von rund 1,8 Mrd. Dollar.

Im April 2004 setzte die UNO eine dreiköpfige Untersuchungskommission ein. Zum Leiter der Kommission bestimmt wurde Paul Volcker, der ehemalige Chef der US-Notenbank.

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