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Der Wienerwalzer dreht nach rechts

Sebastian Kurz, der die Wahlen vom Sonntag gewonnen hat, wird mit 31 Jahren der jüngste Regierungschef Europas. AP / Matthias Schrader

Die Wahl in Österreich hat die Karten neu gemischt. Der deutliche Sieg der "neuen" konservativen Österreichischen Volkspartei ÖVP mit dem jungen Senkrechtstarter Sebastian Kurz und das Erstarken der rechts-nationalen Freiheitliche Partei Österreichs rückt die Alpenrepublik nach rechts. Dieser Rechtsrutsch sowie die wahrscheinliche Rechtsregierung, die jetzt kommt, sorgen in der Schweizer Presse für Besorgnis und zurückhaltende Kritik.

Der Politjungstar Sebastian Kurz hat in den letzten Monaten konsequent und strategisch geschickt das Thema Zuwanderung bearbeitet und seine “neue” ÖVP weiter rechts positioniert. Mit seinem Sieg wird er wohl zum neuen Kanzler und jüngsten Regierungschef Europas gekürt.

Europaweit bekannt wurde Kurz, der auch schon als “Anti-Merkel-Modell” gehandelt wurde, wegen seiner klaren Haltung gegenüber Migration und Islamisierung. Es ist auf den bisherigen Aussenminister zurückzuführen, dass die Balkanroute geschlossen und der Migrationsstrom eingedämmt wurde.

“In Wien bleibt nichts beim Alten”, titelt das Boulevard-Blatt Blick am Tag danach. “Rechtsumkehrt in Österreich”, so die Basler Zeitung, “mit aller Wucht an die Spitze”, schreiben Tages-Anzeiger und Der Bund und von “einer zweideutigen Walzerdrehung nach rechts” spricht der Corriere del Ticino.

Parlamentswahlen in Österreich

Bei der Wahl am Sonntag hat die ÖVP nach Hochrechnungen 31,6 Prozent der Stimmen. Die Sozialdemokratische Partei Österreichs SPÖ erzielt 26,9 Prozent. Die Freiheitliche Partei Österreichs FPÖ kommt auf 26 Prozent. Die Grünen liegen mit 3,9 Prozent unter der Vier-Prozent-Hürde. Am Montag werden die Briefwahlstimmen ausgezählt.

“Kurz wird es richten”

“In Österreich ist ein intensiver, mit harten Bandagen geführter Wahlkampf zu Ende gegangen. Die Sieger sind klar: die politische Rechte, vor allem aber der 31-jährige Sebastian Kurz. Strategisch geschickt und mit machiavellistischem Machtinstinkt hat er sich an die Spitze seiner ÖVP manövriert und diese zum Wahlsieg geführt”, analysiert die Neue Zürcher Zeitung. Kurz habe es geschafft, sich als die personifizierte Erneuerung des verkrusteten österreichischen Politikbetriebs zu profilieren und hat dabei von einer ausgeprägten Wechselstimmung profitiert. “Revolutionäre neue Ideen oder ein Leistungsausweis ausserhalb der Migrationspolitik waren dabei nicht zentral. Die Wahlbotschaft lautete: ‘Kurz wird es richten’ – und sie verfing.”

“Österreich ist nach rechts gerückt, mit satten Zugewinnen für die Volkspartei und die FPÖ. Zum Erfolg hat die beiden Parteien eine harte Flüchtlingspolitik getragen, denn dafür gibt es im Land eine grosse Mehrheit”, kommentieren Tages-Anzeiger und Bund. Gewonnen habe auf jeden Fall der Populismus. “Ein Einzel- oder Sonderfall ist Österreich damit nicht. Mit Xenophobie, Islamophobie und dem bösen Spiel mit Abstiegsängsten lässt sich derzeit fast überall in Europa vortrefflich Politik betreiben.” Auf die Spitze treibe das Viktor Orban in Ungarn, so die beiden Zeitungen. Es sei zu befürchten, dass die Windstärke noch zunehme.

“Die Österreicher scheinen der grossen Koalition zwischen den Sozialdemokraten und den Konservativen überdrüssig zu sein”, meint das Freiburger Blatt La Liberté. “Ein Gespann zwischen den Konservativen und der extremen Rechten ist also möglich. Auch wenn sich die beiden Partien hassen, so surfen sie doch auf der gleichen Anti-Flüchtlingswelle.”

Ende der Gemütlichkeit

Von Rechtsrutsch sei nur deshalb die Rede, weil die konservative ÖVP weit nach rechts zur FPÖ gerutscht sei, heisst es in der Luzerner Zeitung und in der Südostschweiz. “Kurz hat einen Ein-Thema-Wahlkampf geführt und die Position von FPÖ-Chef Strache übernommen, der stets die Themen Flüchtlinge und islamistischer Terror in einem Atemzug nennt. Kurz ist viel zu intelligent, als dass er die eigene Propaganda glaubt: Er spielte mit den diffusen Ängsten der Wähler – mit Erfolg.”

Für die Zukunft ahnt die Luzerner Zeitung nichts Gutes. “Die rot-schwarze Koalition mag zwar unbeliebt gewesen sein, aber sie war besser als ihr Ruf, vor allem garantiere sie politische Stabilität. Mit einer reinen Rechtsregierung ÖVP/FPÖ, die jetzt wohl unweigerlich kommt, steht die Sozialpartnerschaft und damit der innere Frieden auf dem Spiel. Ende der Gemütlichkeit.”

Unter dem Titel “Sebastian Kurz und die rechte Wand” schreibt die Basler Zeitung, wie der ÖVP-Chef mit seinem “rechten Überholmanöver” die Konkurrenz an die Wand spielte – mit Vorschlägen wie einem Verbot muslimischer Kindergärten, einem “Burkaverbot” und etwa der Schliessung der Balkanroute. “Die ÖVP, die sich mit dem neuen Chef auch einen runderneuerten Anstrich verpasste – Türkis statt Schwarz als Parteifarbe, Eigendefinition als ‘Bewegung’ – zementierte sich in den Umfragewerten auf rund 33 Prozent ein und lag damit in bequemem Abstand zur politischen Konkurrenz”, so die BAZ.

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