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1971: Max Frisch: ein Gessler mit Widerspruchsgeist

Der subversive Geist der Nachkriegszeit kommt auch in einem Buch zum Ausdruck, das der grosse Deutschschweizer Schriftsteller Max Frisch (1911-1991) der Jugend gewidmet hat: “Wilhelm Tell für die Schule.” Hier wird der Landvogt Gessler zur Hauptfigur, und, um die Verwirrung komplett zu machen, nicht als Tyrann, sondern als rundlicher Verwalter des Kaisers dargestellt, der sich mit der ungastlichen Bergbevölkerung schwer tut. Tell hingegen erscheint als Hinterwäldler: Seine berühmte Tat ist nichts weiter als das Resultat von Missverständnissen. Frischs Werk fügt der Tell-Legende eine weitere Deutung hinzu: Sie entspricht der aufmüpfigen Denkweise der damaligen Intellektuellen, die in den Demonstrationen der 68er-Jahre gipfelte.

Auffallend ist der umfangreiche kritische Apparat. Die Anmerkungen kommen einer historischen Abhandlung gleich und machen einen Grossteil des Buches aus. Der Leser nimmt damit nicht nur am literarisch aufbereiteten Geschehen teil, sondern erhält auch einen detaillierten Einblick in die geschichtlichen Ereignisse der damaligen Schweiz. Ein weiterer Meilenstein im Verhältnis zwischen der Schweiz und ihrem Nationalhelden.

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