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2003: Jahr der Stagnation

Die sinkenden Ölpreise sind momentan der einzige positive Wirtschafts-Faktor. Keystone

Ernüchternde Konjunktur-Nachrichten aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco): Zum zweiten Mal dieses Jahr korrigieren die Ökonomen des Bundes die Prognose nach unten.

Im Januar war das seco für 2003 noch von einem BIP-Wachstum von 0,8% ausgegangen, heute spricht es von Stagnation.

Die schlechtere Einschätzung der Wirtschaftslage begründet das seco mit der äusserst verhaltenen Konjunkturentwicklung in den Industrie- und Schwellenländern. Das gelte vor allem für den Euro-Raum und ganz besonders für Deutschland.

Auf die Serie von sich zerschlagenden Konjunkturhoffnungen angesprochen, räumt seco-Chefökonom Aymo Brunetti ein: “Es ist fast peinlich.” Die Schweiz stehe damit aber nicht allein. Ohne Impulse aus dem Ausland kämen die Investitionen nicht in Schwung.

seco-Analyst Max Zumstein begründet die starke Zurücknahme der Konjunktur-Prognose so: “Die Schweiz kann den Aufschwung nicht allein schaffen. Sie ist viel zu stark von ihren europäischen Handelspartnern abhängig, und diesen geht es gegenwärtig kaum besser als der Schweiz.”

An Bedingungen geknüpft

Das Null-Wachstum des schweizerischen Bruttoinlandprodukts (BIP) sei an die Voraussetzung geknüpft, dass sich die Konjunktur im Euro-Raum im prognostizierten Ausmass (+1,1%) entwickle und der reale Frankenkurs keine substanzielle Festigung erfahre, teilt das seco weiter mit.

Mit der Beendigung des Irak-Krieges hätten die geopolitischen Unsicherheiten und davon ausgehende Wirkungen auf die Weltwirtschaft etwas nachgelassen.

Keine freie Bahn für den Aufschwung

Altlasten aus dem vorausgegangenen Boom stünden jedoch einem raschen Aufschwung im Wege. Überinvestitionen seien vielfach noch nicht abgebaut. Auch der Rückgang Aktienkurse wirke vorerst noch bremsend.

Einen Silberstreif am Konjunktur-Horizont verheisst laut seco die expansive US-Budgetpolitik und der von den USA ausgehende Aufschwung in der zweiten Hälfte dieses Jahres und im nächsten Jahr.

Eine Rückkehr zu höherem Wachstum sei aber erst für 2004 zu erwarten. Das seco geht für das kommende Jahr von einem BIP-Wachstum von 1,6 Prozent aus. Noch im Januar war für 2004 war von einem Wachstum von 1,9 Prozent die Rede gewesen.

Mehr Arbeitslosigkeit

Das seco befürchtet zudem einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Nach der am Freitag veröffentlichten Prognose wird nun eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 4,2 Prozent in diesem und im nächsten Jahr erwartet. Bisher war das seco von 3,8 Prozent in diesem Jahr und einem Rückgang auf 3,6 Prozent im kommenden Jahr ausgegangen.

Der Ökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Serge Gaillard, appelliert an den Bundesrat: “Wir würden es nicht verstehen, wenn der Bundesrat angesichts dieser Entwicklung beschliessen würde, die Zahl der Bezugsatage für Taggeglder von 520 auf 400 zu senken.” Am 24. November 2002 hatte das Schweizer Stimmvolk einer entsprechenden Revision des Arbeitslosengesetzes zugestimmt.

Die Ausführungsbestimmungen überlassen es jedoch dem Bundesrat, das Datum der Einführung – vorgesehen ist der 1. Juli 2003 – selber zu bestimmen. Serge Gaillard: “Wir erwarten von Bundesrat Joseph Deiss, dass er die Herabsetzung der Bezugsdauer verschiebt.”

Reaktionen: Keine grosse Überraschung

Der SGB zeigt sich nicht erstaunt über die erneute Rücknahme der Prognosen. SGB-Ökonom Serge Gaillard macht dafür hauptsächlich den starken Franken verantwortlich: “Die Schweizerische Nationalbank muss die Zinszügel noch weiter lockern, wenn die Export-Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren soll.”

Bernard Lambert von der Privatbank Pictet & Cie überraschte vor allem das Ausmass der Rückgangs-Prognosen: “Wenn die seco-Experten ihre Prognosen derart stark zurückschrauben, kennen sie bereits die BIP-Zahlen für die ersten drei Monate 2003. Das lässt darauf schliessen, dass die Wirtschaft im ersten Quartal geschrumpft ist.”

swissinfo und Agenturen

Das seco prognostiziert für 2003 eine Wirtschafts-Stagnation.
Voraussetzung dafür: BIP muss um 1,1% zunehmen und der Kurs des Frankens darf nicht stärker werden.
Rückkehr zu höherem Wachstum frühstens 2004.

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