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Abschied von den verunglückten Soldaten

Bundesrat Samuel Schmid spricht an der Trauerfeier für die sechs verstorbenen Soldaten. Keystone

An der Trauerfeier in Andermatt haben Familien, Angehörige, Armee und Politik von den sechs Männern Abschied genommen, die am letzten Donnerstag beim Aufstieg zur Jungfrau abgestürzt waren.

Verteidigungsminister Samuel Schmid suchte Trost zu spenden. Er sprach von der Notwendigkeit, den Unfall rasch aufzuarbeiten. Zum Hergang gibt es neue, aber noch nicht gesicherte Erkenntnisse.

Die Schweiz sei erschüttert angesichts des Todes von sechs hoffnungsvollen jungen Menschen, sagte der Verteidigungsminister am Gedenkgottesdienst in der Kirche von Andermatt (Kanton Uri), wo die Rekrutenschule der Gebirgsspezialisten stationiert ist.

“Was tun, wenn der Tod einbricht in unser Leben und uns wegreisst, was uns lieb war?” An Stelle einer Antwort zitierte er den Dichter Jean Cocteau: “Die wahre Grabstätte der Toten ist das Herz der Lebenden.”

Schmid sprach auch von der Notwendigkeit, den Vorfall seriös, unabhängig und rasch zu untersuchen und wenn nötig juristisch aufzuarbeiten. Es gelte auch, alles daran zu setzen, künftig ein solches Unglück zu vermeiden. Der Bundesrat warnte aber davor, “zu richten, bevor wir wissen”.

Korpskommandant Luc Fellay nannte den Tod der jungen Männer schmerzlich, unverständlich und ungerecht. “Unsere sechs Kameraden haben den Pfad des Lebens gesucht. Gefunden haben sie jenen des Todes”, sagte er.

Für jeden der Verunglückten wurde an der Trauerfeier eine Kerze angezündet. Der Trauerfeier wohnten auch Armeechef Christophe Keckeis bei sowie Delegationen der Kantone Wallis, Waadt und Freiburg, aus denen die Verstorbenen stammten.

Erstmals Aussagen eines Überlebenden

Unterdessen gehen die Untersuchungen zum Bergunfall vom vergangenen Donnerstag weiter. Bis zum Dienstag wurden laut Martin Immenhauser, Sprecher der Militärjustizalle, alle acht Überlebenden befragt.

Zu den bisherigen Erkenntnissen über den Unfallhergang sagte Immenhauser, es gebe Zeugenaussagen, wonach nicht nur die sechs Opfer ins Rutschen geraten seien, sondern auch die acht nachfolgenden Teilnehmer der Tour.

Nach der Trauerfeier in Andermatt äusserte sich vor den Medien erstmals ein Überlebender. Der 20-jährige Obergefreite A. P.* sagte, er habe von einer Lawine nichts bemerkt. Er sei gestürzt, weil der Vordermann auf ihn gefallen sei. Alle seien gestürzt.

Sturz als Ursache, nicht Lawine

Damit wäre die Ursache für das Bergunglück im Jungfraugebiet nicht eine Lawine, sondern ein Sturz im steilen Gelände.

Vor A. P. seien zwei Dreierseilschaften mit Romands unterwegs gewesen. Diese seien in den Tod gestürzt, während die beiden hinteren Seilschaften eine glücklichere Falllinie gehabt hätten und nicht abgestürzt seien.

Die Seilschaften hätten die Route entlang des Grates und nicht die übliche entlang der Sicherheitsstangen gewählt, um einer Neuschneemulde auszuweichen, sagte P.. Es hätten gute Verhältnisse geherrscht, denn der Neuschnee sei weggeblasen gewesen.

Georg Flepp vom Schweizerischen Bergführerverband bezeichnete A. P.’s Schilderungen als plausibel. So einen Unfall könne es geben, sagte er in Andermatt. Er warnte davor, voreilig Schuldzuweisungen zu machen.

Tour zum Mönch

Noch vor dieser Schilderung des Überlebenden hatte die Armee bestätigt, dass sieben Armeeangehörige am vergangenen Donnerstag nicht Richtung Jungfrau, sondern zum Mönch aufgebrochen waren.

Insgesamt hätten 24 Armeeangehörige die Nacht vor der Tour in der Mönchsjochhütte verbracht, sagte Armee-Sprecherin Kirsten Hammerich. Zwei seien wegen Unwohlseins in der Hütte geblieben. Ein Soldat des Jungfrau-Detachements habe die Tour beim Jungfraujoch abgebrochen, auch ihm sei unwohl gewesen.

Medien-Kritik

Die Tour auf den Mönch sei von Anfang an geplant gewesen, sagte Hammerich. Laut Militärjustiz-Sprecher Immenhauser sind gesicherte Erkenntnisse zum Unglück nicht mehr diese Woche zu erwarten.

Gleichzeitig kritisierte er die Sonntagspresse, die auf eine nicht verantwortungsvolle Weise mit Mutmassungen vorgeprescht sei.

*Der Name wurde am 11. Februar 2019 auf Wunsch des Betroffenen anonymisiert.

swissinfo und Agenturen

Die Tragödie an der Jungfrau vom Donnerstag ist das schwerste Armeeunglück der vergangenen Jahre. 1992 kamen bei einer Explosion eines Munitionslagers auf dem Sustenpass sechs Personen ums Leben.

Die schwerste Lawinen-Tragödie in der Schweiz ereignete sich am 24. Februar 1970. Damals riss eine Lawine in Reckingen im Oberwallis 30 Menschen in den Tod, sechs Kinder, fünf Frauen und 19 Armeeangehörige.

Die sechs Armeeangehörigen, die am Donnerstag an der Jungfrau den Tod fanden, gehörten zu den Gebirgspezialisten-Abteilung 1 der Schweizer Armee.

Die folgenden Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um als Gebirgspezialist in die Rekrutenschule in Andermatt eintreten zu können:

Erfolgreiche Absolvierung eines Jugend+Sport-Gruppenleiterkurses in einem der beiden Sportfächer “Skitouren” oder “Bergsteigen”.

Qualifikation gut bis sehr gut bei der Sportprüfung während der dreitägigen Aushebung.

Die Gebirgstruppen der Armee sollten innerhalb von neun Stunden nach der Alarmierung einsatzbereit sein.

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