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Spannung bei den Retortenbabys und dem Radio- und TV-Gesetz

Die Wahllokale im Land sind bis Sonntag 12 Uhr geöffnet. Keystone

Das Schweizer Stimmvolk stimmt am Wochenende über 4 Vorlagen ab. Laut den Umfragen haben die Einführung einer landesweiten Erbschaftssteuer und die Harmonisierung der Stipendien keine Chancen. Bei der Präimplantations-Diagnostik und bei den Radio- und TV-Gebühren zeichnet sich ein knapper Ausgang ab.

Im Vorfeld des Abstimmungswochenendes warf die Auseinandersetzung über die Radio- und TV Gebühren am meisten Wellen. Laut der letzten Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR gaben vor zwei Wochen 43% der Befragten an, sie wollten Ja stimmen. 47% waren dagegen und 10% noch unentschlossen.

Im Laufe des Abstimmungskampfes konnten die Gegner zulegen. Die grosse Frage ist, für welche Seite sich die Unentschlossenen letztlich entschieden haben. Der Ausgang der Abstimmung bleibt offen mit einem leichten Vorteil für die Gegner der Vorlage.

Neue Hör- und Sehgewohnheiten

Das revidierte Radio- und Fernsehgesetz sieht vor, dass künftig alle Haushalte eine Empfangsgebühr bezahlen sollen. Davon befreit sollen lediglich Personen sein, die Ergänzungsleistungen aus AHV oder IV (Invalidenversicherung) erhalten oder die in Alters-, Pflege- oder Studentenheimen wohnen, sowie alle Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 500’000 Franken. Gegenwärtig ist nur beitragspflichtig, wer ein Radio- oder TV-Gerät besitzt. Die Ausweitung auf mehr Gebührenzahler würde erlauben, die Gebühr von 462 auf 400 Franken pro Jahr und Haushalt zu senken.

Das käme der Einführung einer neuen Steuer gleich, argumentierten die Gegner im Abstimmungskampf und prophezeiten einen massiven Anstieg der Gebühren in den kommenden Jahren. Für die Befürworter ist der Systemwechsel eine Anpassung an die neuen Hör- und Sehgewohnheiten und zudem gerechter als das bisherige System.

Retortenbabys: Ausgang ungewiss

Offen ist auch der Ausgang der Abstimmung zum neuen Verfassungsartikel über die Präimplantations-Diagnostik. Dem Ja-Lager von 46% der Befragten stand vor zwei Wochen das Nein-Lager mit 40% gegenüber. 14% hatten sich noch nicht entschieden.

Doch im Gegensatz zum Radio- und TV-Gesetz hat das Ja-Lager seit der ersten Befragung um 6 Prozentpunkte zugelegt, während die Gegner 4 Prozentpunkte verloren haben.

Laut den Politologen vom gfs.bern ist es bei diesem ethisch sehr delikaten Thema schwierig, eine Prognose zu machen, zumal die Meinungsbildung nicht dem üblichen Schema von Parteien und Sprachregionen folgt. Zudem braucht es für ein Ja eine doppelte Mehrheit, also eine Volksmehrheit und eine Mehrheit der Kantone.

Die Änderung des Verfassungsartikels sollte auch in der Schweiz Gentests an künstlich, etwa durch In-vitro-Fertilisation erzeugten Embryonen erlauben, bevor diese in die Gebärmutter eingesetzt werden.

Diese Präimplantations-Diagnostik, die heute in der Schweiz im Gegensatz zu weiten Teilen des Auslandes verboten ist, soll künftig Paaren mit schweren Erbkrankheiten erlauben, Embryonen auswählen zu können, die keine genetischen Anomalien aufweisen. Davon Gebrauch machen könnten aber auch Paare, die auf natürliche Weise keine Kinder haben können. Dies mit dem Ziel, jene Embryonen mit den besten Entwicklungschancen in die Gebärmutter einzupflanzen.

Erbschaftssteuer: Nein ist so gut wie sicher

Kaum Chancen auf eine Zustimmung haben laut den gfs.bern-Umfragen die beiden Volksinitiativen zur Harmonisierung der Stipendien und zur Einführung einer Erbschaftssteuer.

Bei der von der politischen Linken lancierten Erbschaftssteuer zeichnet sich ein deutliches Nein ab. 61% der bei der Umfrage Befragten lehnten sie ab. 34% hiessen sie gut und 5% waren noch unentschieden. Zwischen den beiden Umfragen hat das Lager der Gegner mit 10 Prozentpunkten deutlich zugenommen.

Die Initiative schlägt die Einführung einer Bundessteuer auf Erbschaften und Spenden von über 2 Millionen Franken vor. Dabei würde nur jener Anteil mit einem Steuersatz von 20% besteuert, der über diesen Betrag hinausgeht. Von der Steuer ausgenommen wären Erbschaften und Schenkungen zugunsten des Ehe- oder eingetragenen Partners.

Zwei Drittel des Ertrags aus der Erbschaftssteuer sollen in den Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) fliessen, ein Drittel würden die Kantone erhalten. Aktuell erheben alle Kantone, ausser Schwyz, eine kantonale Erbschaftssteuer.

Föderalismus versus Einheit

Die Stipendien-Initiative wurde von 50% der Befragten abgelehnt und von lediglich 38% befürwortet. Im Laufe der Wochen hat das Nein-Lager mit 13 Prozentpunkten klar zulegen können, ein Phänomen, das bei Volksinitiativen oft zu beobachten ist.

Die vom Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) eingereichte Volksinitiative verlangt eine Harmonisierung der Kriterien für die Gewährung von Stipendien und Studiendarlehen, indem diese Kompetenzen von den Kantonen an den Bund übergeben werden sollen.

Die Befürworter argumentierten im Abstimmungskampf, es sei gerechter, wenn alle Studierenden gleich hohe Stipendien bekämen. Das sei gegen den Föderalismus und die Hoheit der Kantone, machten die Gegner geltend.

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