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Kehrichtsäcke, Steuergeschenke und Lehrpläne

Zürcher Volksschüler werden weiterhin Französisch und Englisch bereits in der Primarschule büffeln. Keystone


Zu Steuer- und Bildungsfragen wurde das Stimmvolk in mehreren Regionen der Schweiz an die Urne gerufen. Im Tessin sorgte vor der Abstimmung eine Kehrichtsack-Gebühr für hitzige Debatten, im Wallis das Bauland.

Kanton Zürich: zwei Fremdsprachen in Primarschule

Die Zürcher Volksschüler werden auch in Zukunft Englisch und Französisch in der Primarschule lernen. Das Stimmvolk lehnt eine Initiative ab, welche die zweite Fremdsprache in die Oberstufe verbannen wollte.

Mit diesem Entscheid bestätigt es seine Haltung. 2008 hatte es sich bereits deutlich für das Harmos-Konkordat ausgesprochen, welches die Einführung von zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe regelt. Und 2006 war die Beibehaltung der zweiten Fremdsprache in der Primarstufe an der Urne klar angenommen worden.

Anders als vor elf Jahren standen diesmal aber verschiedene Lehrerverbände hinter der Initiative. Sie machten sich für einen Systemwechsel stark. Mit dem heutigen System seien die Schüler überfordert und die Lernziele würden nicht erreicht.

Heute beginnen die Zürcher Volksschüler mit der ersten Fremdsprache (Englisch) in der zweiten Klasse. Französisch kommt als zweite Fremdsprache ab der fünften Klasse dazu. Die Initianten verlangten, dass die zweite Fremdsprache in der Zürcher Volksschule erst in der Oberstufe eingeführt werde – dafür mit mehr Lektionen.

Regierungs- und Kantonsrat lehnten die Initiative ab. Das Zürcher Bildungssystem würde nach unten nivelliert. Sie befürchteten, dass das “beliebte” Frühenglisch und nicht Französisch geopfert würde.

Das Thema ist derzeit hoch aktuell: Erst Anfang Monat hatte das Thurgauer Kantonsparlament entschieden, den Französischunterricht in die Sekundarschulstufe zu verschieben.

Die Nidwaldner Stimmbevölkerung hatte sich bereits im März 2015 deutlich für das Beibehalten der zwei Fremdsprachen an der Primarschule ausgesprochen. Und im Kanton Luzern wird im September über eine ähnliche Initiative wie jene in Zürich abgestimmt.

Kanton Solothurn: Ja zu Harmonisierung der Lehrpläne

Im Kanton Solothurn kann der Lehrplan 21 wie geplant eingeführt werden. Die Stimmberechtigten haben eine Volksinitiative deutlich verworfen, die den umstrittenen Lehrplan verhindern wollte. Fünf weitere Kantone hatten bislang ähnliche Begehren abgelehnt.

 Der Lehrplan 21 geht auf eine eidgenössische Volksabstimmung aus dem Jahr 2006 zurück. Damals sprach sich eine Mehrheit der Stimmberechtigten für eine Harmonisierung der Schulen aus. Der Lehrplan umfasst 11 Schuljahre und beschreibt den Bildungsauftrag neu in Form von Kompetenzen.

Der Regierung des Kantons hatten vor den Folgen der Initiative gewarnt. Ein Alleingang isoliere die Solothurner Schulen von den Schulen in den anderen 20 deutschsprachigen Kantonen. Notwendig sei vielmehr, die Ziele der Volksschule zu harmonisieren.

Ein Komitee aus Parlamentariern verschiedener bürgerlicher Parteien hatte die Initiative lanciert. Der Lehrplan werde der Schule schaden und sei eine weitere Reform auf dem Buckel der Kinder, betonten sie.

Mit dem Entscheid des Solothurner Volkes fuhren die Lehrplan-Gegner eine weitere Niederlage ein. Im Februar versenkten die Aargauer Stimmberechtigen eine ähnliche Initiative. Zuvor hatten die Stimmberechtigten in den Kantonen Appenzell Innerrhoden, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau den Lehrplan-Gegnern eine Abfuhr erteilt.

Keine Steuererhöhung im Kanton Schaffhausen,…

Schaffhauser Unternehmer können aufatmen. Die Stimmberechtigten haben die Initiative der Sozialdemokratischen Partei SP “Keine Steuergeschenke für Grossaktionäre” bachab geschickt. Damit müssen Personen, die mindestens 10% des Kapitals einer Firma besitzen, ihre Erträge weiterhin nur zum halben Satz versteuern.

Die Initianten sahen in diesem Steuerrabatt einen Verstoss gegen die Steuergerechtigkeit und forderten eine Gleichbehandlung, egal ob Klein- oder Grossaktionär.

Auch die Gegner beriefen sich auf die Steuergerechtigkeit. Mit dem reduzierten Satz soll nämlich die Doppelbelastung der Dividenden gemildert werden. Denn Gewinne müssen zunächst bei den Unternehmen versteuert werden und dann noch einmal bei der Gewinnausschüttung bei den Inhabern des Unternehmens.

Ausserdem, argumentierten die Gegner, wäre die Steuererhöhung mit einem Umzug in einen anderen Kanton leicht zu umgehen.

Die so genannte Halbsatzbesteuerung ist keine Schaffhauser Spezialität. Einen reduzierten Satz gibt es auch in allen anderen Kantonen sowie beim Bund.

…im Kanton Luzern…

Im Kanton Luzern müssen Regierung und Parlament die Staatsausgaben kürzen, um den Haushalt ins Lot zu bringen. Die Stimmberechtigten haben sich gegen Mehreinnahmen durch eine Steuererhöhung im Umfang von 64 Millionen Franken ausgesprochen. Das Volk verwehrt damit nach 2014 eine weitere Steuererhöhung und korrigiert die bürgerliche Finanzpolitik von Regierung und Parlament.

Gegen die Erhöhung hatte die SVP das Referendum ergriffen. Der Kanton hat deshalb seit Anfang Jahr kein gültiges Budget. Der budgetlose Zustand wird nun weiter verlängert, weil der Regierungsrat einen neuen, auf dem tieferen Steuerfuss beruhenden Voranschlag ausarbeiten muss. Es werde zu einem Kahlschlag kommen, der die sozial Schwächeren am härtesten und den Mittelstand stärker als die Reichen treffen werde, hatte die Kantonsregierung vor der Abstimmung gewarnt.

…und in Chaux-de-Fonds

In der Neuenburger Stadt La Chaux-de-Fonds werden die Steuern nicht vorübergehend um drei Prozentpunkte erhöht. Die Stimmberechtigten lehnen die Steuererhöhung deutlich ab.

Mit der Steuererhöhung hätten die roten Zahlen der Uhrenstadt bis 2020 mit zusätzlichen Steuereinnahmen ausgeglichen werden sollen.

Das Stadtparlament hatte die Steuererhöhung im Dezember gutgeheissen, worauf bürgerliche Parteien das Referendum ergriffen. 

Wallis bremst Zersiedelung

Der Kanton Wallis wird in den nächsten 15 Jahren die Baulandreserven um 1000 Hektaren oder 1400 Fussballfelder verkleinern, um die Zersiedelung zu bremsen. Die kantonale Umsetzung des Raumplanungsgesetzes wird deutlich angenommen worden.

Nach einem emotional geführten Abstimmungskampf folgten die Walliser Stimmberechtigten dem Vorschlag der Kantonsregierung sowie der Mehrheit der grossen Parteien mit Ausnahme der SVP. Die Gesetzesvorlage hatte im Kanton Wallis die Wogen hoch gehen lassen, ähnlich wie vor der Abstimmung über das Bundesgesetz über die Raumplanung. Dieses war vom Schweizer Volk am 3. März 2013 deutlich angenommen worden; einzig im Kanton Wallis war das RPG mit wuchtigen 80% Nein-Stimmen verworfen worden.

Ziel des revidierten Raumplanungsgesetzes ist es, durch die Förderung einer kompakten Siedlungsentwicklung die Zersiedelung in der Schweiz zu bremsen. Dazu sollen zu grosse Bauzonen verkleinert und bestehendes, brach liegendes Bauland effizienter genutzt werden.

Nach dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes 2014 haben die Kantone bis 2019 Zeit, ihre Baulandreserven zu überprüfen und den Bedarf bis 2030 anzupassen. Dass im Wallis die Umsetzung besonders schwierig ist, ist darauf zurückzuführen, dass im Bergkanton der Besitz von Grundstücken aus historischen Gründen weit verbreitet ist. So war es im Wallis üblich, dass Bauern ihr Hab und Gut auf alle Kinder verteilten und nicht einfach auf einen Sohn, der gewillt war, den Hof zu übernehmen.

Diese Erbteilung führte dazu, dass heute rund 70% der Walliser Bevölkerung in den eigenen vier Wänden leben. Das Wallis verfügt schweizweit gesehen über die grössten Baulandreserven.

Kehrichtsack-Gebühr auch im Tessin

Im Kanton Tessin gibt es künftig eine einheitliche Regelung für die Müllgebühr. Kantonsweit werden nun eine jährliche Abgabe und zusätzlich ein Obolus für den einzelnen Kehrichtsack fällig.

Als einziger Kanton kennt derzeit Genf noch keine Kehrichtsackgebühr. Der Kanton will die Bundesvorgaben auf andere Weise erfüllen und dafür sorgen, dass 50% der Abfälle wiederverwertet werden können. So werden bereits heute 46% der Abfälle recycliert. Im Kanton Bern, der seit 1991 eine Kehrichtsackgebühr kennt, beträgt dieser Anteil 48%.

Die Abstimmung wurde nötig, weil eine Gruppierung innerhalb der rechtskonservativen Lega dei Ticinesi mit einem Referendum gewehrt hatte, weil sie eine “anti-soziale” neue Steuer witterte, die besonders die mittleren und unteren Einkommensschichten treffe.

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