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(Fast) alles dreht sich um Bale

(Keystone-SDA) Keine andere EM-Mannschaft ist derart abhängig von einem Spieler wie Wales von Gareth Bale. Im Viertelfinal gegen Belgien könnte der Superstar mit dem EM-Neuling Geschichte schreiben.

Der walisische Medienchef hatte die Lacher auf seiner Seite, als er die letzte Medienkonferenz im Trainingscamp in Dinard vor der Abreise nach Lille schloss und auf das Wiedersehen in der nächsten Woche am selben Ort verwies. Ein Sieg am Freitag im Viertelfinal gegen Belgien würde den Aufenthalt der walisischen Delegation an der Atlantikküste im Norden Frankreichs um fünf Tage verlängern und dem walisischen Fussball den grössten Erfolg in der 140-jährigen Geschichte bescheren.

Auch Gareth Bale zeigte sich in den Tagen vor dem wichtigsten Spiel seines Heimatlandes seit dem WM-Viertelfinal 1958 locker, lässig und entspannt. “Ich war der Cleverste und habe alle meine Termine in die Zeit nach dem Final gelegt”, sagte der Flügelstürmer von Real Madrid mit einem Lachen, nachdem bekannt geworden war, dass wegen des Erreichens des Viertelfinals seine Teamkollegen Neil Taylor und Chris Gunter ein Beyoncé-Konzert respektive die Hochzeit des Bruders verpassen werden.

Die gute Stimmung ist verständlich. Die Waliser sind in den Viertelfinals das einzige der vier zum Turnier angetretenen Teams von den britischen Inseln. “Wir sind stolz, dass wir als letzte Nation verblieben sind und die Fahne hochhalten”, sagte Bale. “Es scheint, dass unsere Zeit gekommen ist, um zu glänzen.” Einen Seitenhieb in Richtung der englischen Nationalmannschaft und deren Scheitern in den Achtelfinals verkniff sich Bale, nachdem er die “Three Lions” nach dem ersten Spieltag kritisiert hatte. England mache sich gross, bevor es irgendetwas erreicht habe, monierte damals der Stürmer.

“Wie mit Kumpels im Urlaub”

Zusammen mit dem England-Bezwinger Island ist Wales der letzte verbliebene Underdog im Kampf um den Titel. Das Erfolgsrezept der Aussenseiter tönt simpel. “Eine perfekte Vorbereitung, rausgehen, spielen und geniessen”, sagte Bale. Er fühle sich, als sei er mit seinen Kumpels im Urlaub, beschrieb der 25-Jährige die Stimmung im walisischen Trainingscamp in der Bretagne. Rätseln, Golf- und Tischtennisspielen würden den Teamgeist stärken. “Wir machen alles zusammen und geniessen die gemeinsame Zeit.” Gemeinsam feierten sie am Montag auch das Ausscheiden Englands überschwänglich. “Zusammen sind wir stärker”, lautet der Slogan, der im Complex Sportive in Dinard an den Wänden prangt.

Aus dem Lager der Isländer sind ähnliche Worte zu hören und zu lesen, doch im Gegensatz zu den Nordländern ist Wales mit Bale von einem einzelnen Spieler abhängig. Bale, der als einziger der 23 Spieler der Mannschaft nicht auf der Insel spielt, schoss drei der sieben walisischen Tore in Frankreich und bereitete den Siegtreffer gegen Nordirland vor. Noch dominanter trat er in der Qualifikation auf, in der er sieben der elf Treffer erzielte und zwei weitere vorbereitete. Bale ist bemüht, seine Rolle zu schmälern: “Wir haben mehr als nur zwei starke Spieler, sonst stünden wir nicht in den Viertelfinals.”

Bales Adujanten auf dem Platz sind Aaron Ramsey und Joe Allen, immerhin bei Arsenal und Liverpool unter Vertrag, sowie Captain Ashley Williams. Williams steht exemplarisch für die Kampfkraft und den Teamgeist der Waliser. Trotz einer Schulterverletzung in der Schlussphase des Achtelfinals gegen Nordirland biss er sich durch und feierte später mit dem Arm in der Schlinge den Sieg. “Er ist unser Fels, unser Anführer und auf dem Feld ein Vorbild für alle”, sagte Bale über den 31-jährigen Innenverteidiger von Swansea, der mit 23 Jahren noch in der vierthöchsten englischen Liga spielte. Nachdem befürchtet worden war, dass Williams für die Partie gegen Belgien ausfallen würde, meldete sich dieser Anfang Woche und früher als erwartet im Training zurück.

Bales Stolz ist spürbar, wenn er über seine Kollegen und die Nationalmannschaft spricht. “Der rote Drachen auf dem Trikot gibt mir zusätzliche Motivation.” Solche ist im Viertelfinal gegen Belgien nicht vonnöten. Vor einem Jahr schlugen die Waliser in der Qualifikation die Belgier zuhause 1:0. Einziger Torschütze war – Gareth Bale. “Der Sieg gab uns den Glauben, dass wir auch grosse Teams schlagen und uns für die EM qualifizieren können.” Von diesem Glauben werden die Waliser auch am Freitag profitieren. “Warum sollten wir sie nicht ein zweites Mal schlagen”, fragte Bale. Trifft dieser Fall ein, dürfte die gute Stimmung bei ihm und seinen Kollegen neue Höhen erreichen.

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