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Arbeit statt Rente: IV-Stellen kritisieren Bund für Sparziele

(Keystone-SDA) Bis 2018 sollen 17’000 IV-Rentner wieder in den Arbeitsmarkt zurückfinden. Das ist das ehrgeizige Ziel der letzten IV-Revision. Eine Studie im Auftrag des Bundes zieht nun ein ernüchterndes Fazit: Politik und Verwaltung gehe es bloss darum, ihr Sparziel zu erreichen.

Die 2012 in Kraft getretene Revision 6a beabsichtigt, IV-Rentnerinnen und -Rentner wieder ins Erwerbsleben einzugliedern. Deren ambitioniertes Ziel: In den nächsten sechs Jahren 17’000 Personen aus der Invalidenversicherung (IV) herauszuführen. Bis 2019 sollen so 12’500 laufende Renten wegfallen.

Damit wollten das Parlament und der Bund erreichen, dass die IV-Rente nicht mehr als definitive Lösung, sondern als Brücke zur Eingliederung verstanden wird. Der IV stehen neu Instrumente wie ein Arbeitsversuch, finanzielle Zuschüsse und Integrationsbeiträge zur Verfügung, um Rentner und Arbeitgeber enger zu begleiten.

Die Revision verfolgte aber nicht zuletzt finanzpolitische Ziele: Die vermehrte Integration in den Arbeitsmarkt sollte die Rechnung der hoch verschuldeten IV jährlich im Schnitt um 119 Millionen Franken entlasten.

Revision verfolgte politische Sparziele

Eine Studie, über die der “Tages-Anzeiger” und der “Bund” am Mittwoch berichteten, hat nun die Umsetzung und Wirkung der Eingliederungsmassnahmen unter die Lupe genommen. Beurteilt wurde die Vorgabe an die 26 kantonalen IV-Stellen, insgesamt 8000 Renten durch Wiedereingliederung einzusparen.

Die Resultate sind wenig schmeichelhaft: Eine grosse Mehrheit der IV-Stellen kritisiert, dass die sehr aufwendige Umsetzung in keinem Verhältnis zur Zahl der erfolgreich wiedereingegliederten Menschen stehe. Das “Missverhältnis von Aufwand und Ertrag” kommt für die IV-Stellen indes nicht überraschend, wie es in dem Bericht heisst.

Politik und Verwaltung hätten “das Potenzial für Rentenreduktionen durch Wiedereingliederung massiv überschätzt”. Irritiert zeigen sich die IV-Stellen auch über die “praxisfremden Zielsetzungen”, die an “politischen Sparzielen” orientiert gewesen seien.

Paradigmenwechsel

Als Hauptgrund sehen die IV-Stellen die deutlich restriktivere Praxis bei der Gewährung von IV-Renten. Dadurch sei das Eingliederungspotenzial von Beginn an überschätzt und der Aufwand für die Wiedereingliederung unterschätzt worden, heisst es im Bericht, den das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in Auftrag gegeben hatte.

Kritik üben die IV-Stellen auch daran, dass man sich “zu wenig am Aufnahmepotenzial des Arbeitsmarktes” orientiert habe. Und dieses werde in Zukunft noch weiter geschwächt, prophezeien sie. “Immer weniger Arbeitsplätze für niedrig Qualifizierte, verschärfte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und eine unsichere Wirtschaftslage”, sind hier die Stichworte.

Trotz dieser Schwierigkeiten begrüssen die IV-Stellen die Stossrichtung der Revision. Insbesondere sei dadurch ein Paradigmenwechsel von “einmal Rente, immer Rente” hin zur “Rente als Brücke zur Eingliederung” eingeleitet worden.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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