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Belinda Bencic über ihr gelungenes Comeback

(Keystone-SDA) Belinda Bencic verblüfft mit ihrem Comeback nicht zuletzt sich selber. Nach der Rückkehr spricht sie im grossen Interview über die letzten Wochen und darüber, was sie in Zukunft besser machen will.

Die 22 Stunden Flug sind Belinda Bencic nicht anzusehen. Die 20-jährige Ostschweizerin strahlt, als sie ihre Mutter und ihre beste Freundin in die Arme schliesst. Mit Siegen bei kleineren WTA-Turnieren in Hua Hin und Taipeh hat sie zwei erfolgreiche Wochen hinter sich. Im September kehrte die ehemalige Nummer 7 der Welt nach einer Operation am linken Handgelenk und fast fünf Monaten Pause zurück und hat seither – auf tieferer Stufe als früher – 23 von 26 Spielen gewonnen.

Einen Business-Class-Flug gab es dafür nicht. “Ich war ja noch nicht Top 100”, meint sie lachend. “Das hatte ich noch nicht verdient.” Das ehemalige Wunderkind ist sichtlich erwachsener geworden und reist jetzt schon Mal alleine durch die Welt. Der neue Coach Iain Hughes und ihr Sparringpartner flogen vom Zwischenstopp in Dubai nach London respektive Wien. Das letzte Stück der Rückreise machte sie alleine. Bei einem Grüntee im Flughafen-Cafe sprach Bencic danach über die letzten Wochen und Fehler in der Vergangenheit.

Belinda Bencic, wie lautet Ihr Fazit der Asienreise?

“Ich habe mit Sicherheit nicht erwartet, so viele Matches zu spielen. Ich habe bei jedem Turnier mindestens zwei Spiele gewonnen. das ist super, das hätten wir nie erwartet. Ich ging sehr relaxt an die Sache heran und habe mich von Turnier zu Turnier gesteigert. Ich habe laufend besser gespielt, besser aufgeschlagen, mich besser bewegt.”

Ist diese Lockerheit der Schlüssel?

“Ja. Wenn man Top Ten ist, ist es klar, dass man selber und die Leute mehr von einem erwarten. Jetzt ist es wie automatisch so gekommen, dass die Erwartungen kleiner waren. Ich war schon froh, dass ich eine Rückhand spielen konnte und mir nichts weh tat. Das hat mir geholfen, nicht so ‘hässig’ zu werden, wenn ich einen Fehler machte.”

Das Handgelenk ist also wieder völlig in Ordnung?

“Ja. Es hat seit der Operation kein einziges Mal weh getan.” (Bencic zeigt die Narbe)

Hätten Sie im Nachhinein die Operation schon früher machen lassen sollen?

“Ich hatte die Probleme mit dem Handgelenk schon vorher während neun Monaten immer wieder. Ich habe wirklich alle Behandlungsmethoden versucht, und es wurde mir auch gesagt, dass eine Operation möglich wäre. Als Tennisspieler ist dies aber erst die letzte Möglichkeit. Man hört ja auch von anderen, Del Potro oder Keys, dass sie viermal operiert wurden und immer noch Probleme hatten. Bei mir war es aber eigentlich eine einfache Sache.”

War es ein Vorteil, bei kleineren Turnieren wieder einzusteigen und so nicht gleich in der ersten Runden auf Topspielerinnen zu treffen?

“Ja. Ich konnte das ja auch beeinflussen. Ich hätte noch einen Monat warten und das geschützte Ranking in Anspruch nehmen können. Ich entschied mich aber dagegen, weil ich vom Handgelenk her bereit war und keinen Sinn darin sah, länger zu warten. Ich wollte gegen schwächere Gegnerinnen viele Matches spielen und ausprobieren, ob das Handgelenk hält.”

Nach vier Monaten ohne Tennis, fühlten Sie sich da wie ein Tiger im Käfig, der endlich raus will?

“Nach der Operation spielte ich sechs Wochen gar nicht. Dann spielte ich wieder Vorhand und Rückhand-Slice (einhändig; d. Red.).”

Dann sind Sie jetzt richtig gut mit dem Slice…

(lacht laut) “Ich habe keinen einzigen Slice gespielt im Match. Aber es war schon eine lange Zeit. Als ich dann die ersten Trainingspunkte und dann das erste Turnier spielen konnte, fühlte ich mich schon mega, wie der Tiger, der aus dem Käfig kommt.”

Was haben Sie in den ersten Wochen gemacht?

“Mit dem Gips war es schon sehr mühsam. (Schaut zur Mutter) Puzzles habe ich gemacht. Ich war total am Durchdrehen. (lacht) Einen Hund habe ich nach Hause gebracht, einen jungen Golden Retriever namens Snowy, als Geschenk für meine Mutter.”

Wo ist im Moment Ihre Trainingsbasis?

(sehr bestimmt) “Das will ich noch richtigstellen. Es stimmt also nicht, dass ich der Schweiz den Rücken zugekehrt habe. Ich habe im Sommer in der Slowakei meine Vorbereitung gemacht, weil ich da viele Trainingsmöglichkeiten habe. Aber ich war auch viel in der Schweiz.”

Wo trainieren Sie in der Schweiz?

“Mal in Wollerau, mal im Gründenmoos (St. Gallen) oder auch in Biel mit Viki (Golubic) und Timea (Bacsinszky). Ich brauche die Abwechslung.”

Mit Melanie Molitor arbeiten Sie nicht mehr zusammen?

“Ja, das ist abgeschlossen.”

Und Vater Ivan?

“Er ist jetzt mehrheitlich mit meinem Bruder (Brian, 17-jährig) unterwegs. Er wird aber zur Vorbereitung nach Dubai kommen.”

Wie ist die Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer Iain Hughes zustande gekommen?

“Ich hatte schon länger gesehen, dass er frei ist und dachte nach der Verletzung, es wäre gut, einen Test von zwei Wochen zu machen. Ich war begeistert. Er ist mega ruhig, eher ein taktischer Typ. Er lebt fürs Tennis, und ich habe das Gefühl, dass er mir taktisch weiterhelfen kann. Bis jetzt läuft es super. Und er kommt da hin, wo ich trainieren möchte.”

Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten Wochen aus?

“Jetzt nehme ich sicher mal eine Woche frei, dann beginne ich mit Kondition und etwas Tennis. Am 6. Dezember fliege ich nach Dubai, mache dort die Vorbereitung und spiele im Rahmen des Trainings ein 100’000-Dollar-Turnier. Von dort fliege ich dann nach Australien.”

Dort spielen Sie mit Roger Federer am Hopman Cup. Vor einem Jahr war er in einer ähnlichen Situation. Haben Sie damals schon darüber gesprochen, wie es ist, von einer Verletzung zurückzukommen?

“Er wusste, wie seine Planung aussieht und welche Turniere er spielt. Ich habe dann nach meiner Verletzung versucht, meine Planung etwas cleverer zu gestalten.”

Das heisst auch, dass Sie in der Vergangenheit nicht so clever geplant haben?

“Ich war halt neu, habe gut gespielt und war motiviert. Jetzt würde ich eher eine Pause machen, wenn ich gut gespielt habe. Zwischen dem Hopman Cup und dem Australian Open werde ich zum Beispiel kein anderes Turnier spielen. Zum Teil habe ich sicher zu viel gespielt, dann kamen die Verletzungen und ich kam nicht mehr aus dem Kreis heraus.”

Jetzt sind Sie bereits wieder zurück in den Top 100. Damit hätten Sie kaum gerechnet?

“Nein. Ich wäre zufrieden gewesen, wenn ich es am Australian Open in die Qualifikation geschafft hätte, jetzt müsste es zu 95 Prozent für das Hauptfeld reichen. Das Ranking spielt im Moment aber keine Rolle.”

Wegen dem Hopman Cup verpassen Sie Weihnachten.

“Ja, das ist etwas schade. (lacht) Aber Roger ist mir das wert.”

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