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Bundesgericht kippt seine bisherige Arztkosten-Praxis

(Keystone-SDA) Das Bundesgericht hat seine Praxis geändert: Um festzustellen, ob ein Arzt wirtschaftlich arbeitet, dürfen nur noch die direkten Kosten wie Honorare und Medikamentenkosten berücksichtigt werden. Die Richter haben einem Arzt Recht gegeben, der gegen über 20 Krankenkassen vorging.

Wenn Krankenkassen feststellen, dass ein Arzt im Vergleich zu seinen Berufskollegen zu hohe Kosten pro Patient ausweist, können sie von ihm Rückerstattungen verlangen. Diese Praxis führte in der Vergangenheit oft zu Streitigkeiten, zumal bisher die gesamten Kosten verrechnet wurden.

Die Lausanner Richter haben nun ihre bisherige Rechtsprechung revidiert und einem Arzt Recht gegeben, der sich mit über 20 Krankenkassen – vertreten durch den Dachverband santésuisse – angelegt hatte.

Damit widersprach das Bundesgericht dem Schiedsgericht Graubünden. Dieses hatte sich auf die Seite der Kassen gestellt und im Juli 2010 den Arzt dazu verpflichtet, für das Jahr 2004 gut 30’000 Franken zurückzuerstatten.

Das höchste Schweizer Gericht argumentiert nun in seinem Urteil, gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG) betreffe eine allfällige Rückerstattung nur die direkten Kosten des Arztes – also das Honorar und die von ihm abgegebenen Medikamente. Indirekte Kosten hingegen seien auszuschliessen. Darunter fallen etwa Medikamente, die ein Patient in der Apotheke selbst kauft, oder Laborkosten.

FMH und santésuisse zufrieden mit Urteil

Gemäss dieser Berechnung liege bei dem beschwerdeführenden Arzt “keine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots” vor, schreiben die Lausanner Richter. Berücksichtigt haben sie zudem die Tatsache, dass der Arzt besonders viele Ausländer behandelt und damit eine sogenannte “Praxisbesonderheit” aufweist.

Es habe sich eine Änderung der bisherigen Rechtssprechung aufgedrängt, weil ihr in der Lehre Kritik erwachsen sei, heisst es im Urteil. Noch vor wenigen Jahren hatte das Bundesgericht entschieden, dass die Gesamtkosten zu berücksichtigen seien.

Jacques de Haller, Präsident der Ärzteverbindung FMH, begrüsst den Entscheid. Er sei gut für das ganze Gesundheitssystem, sagte de Haller auf Anfrage.

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