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Bundespräsident Wulff um Abberufung Sarrazins gebeten

(Keystone-SDA) Frankfurt/Berlin – Die Deutsche Bundesbank will sich von ihrem umstrittenen Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin trennen. Die Spitze der Zentralbank beantragte am Donnerstag bei Bundespräsident Christian Wulff die Entlassung Sarrazins. Eine solche ist juristisch aber heikel.
Mit dem Antrag auf Entlassung entzog der Vorstand Sarrazin auch dessen sämtliche Geschäftsbereiche. Bundespräsident Wulff kündigte an, den Antrag zu prüfen. “Bis zum Abschluss der Prüfung kann der Bundespräsident nicht Stellung nehmen”, teilte das Präsidialamt in Berlin mit.
Der Sozialdemokrat und frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin war wegen seiner Äusserungen zu muslimischen Zuwanderern und einem angeblichen Juden-Gen unter Druck geraten. Seine Amtszeit begann im Mai 2009 und sollte regulär im Jahr 2014 enden.
Juristisch heikles Novum
Das Votum des Vorstandes fiel in Abwesenheit Sarrazins einstimmig aus. Der Vorgang ist ohne Beispiel in der Geschichte der Bundesbank, deren Vorstand unabhängig agiert. Zwar werden die sechs Mitglieder von der Regierung und den Bundesländern berufen. Sie können aber von diesen nicht mehr entlassen werden.
Das Recht der Abberufung steht – auf Antrag der Notenbank – allein dem Bundespräsidenten zu. Voraussetzung für einen solchen Antrag sind entweder eine krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit oder eine “grundsätzliche und weitreichende Verfehlung” des zu feuernden Vorstands.
Mit dem Entscheid der Notenbank ist noch kein Schlussstrich unter die Affäre gezogen. Offen ist, ob die Regierung eingeschaltet werden muss. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa prüfen das derzeit Experten von Präsidialamt und Regierung. Der Entscheid des Staatsoberhaupts werde sicher nicht kurzfristig erfolgen, hiess es.
Wulff selbst hatte aber der Bundesbank bereits eine Trennung nahegelegt. Dem Nachrichtensender N24 hatte er am Mittwoch gesagt: “Ich glaube, dass jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet – vor allem auch international.”

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