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Die erstaunliche Wandlung des EHC Biel

(Keystone-SDA) Der verblüffende Qualifikations-Dritte Biel will sich nicht mit dem letztjährigen Überraschungs-Vierten Lausanne vergleichen lassen.

Denn die Waadtländer gingen 2017 in ihrem Playoff-Viertelfinal gegen Davos mit 0:4 unter.

Biel will gegen Davos “einfach vier Siege einfahren, egal ob dies nach vier, fünf, sechs oder sieben Spielen der Fall sein wird”, sagt Biels Trainer Antti Törmänen gegenüber der Nachrichtenagentur sda.

Der letzte der drei Meistertitel in Biels Klubgeschichte resultierte in der Vor-Playoff-Ära (1983). Seit dem letzten Playoff-Halbfinal (1990) sah man sich ausschliesslich in der Rolle des Liga-Underdogs oder war gar zweitklassig. Ein Weiterkommen gegen Davos würde Biels Metamorphose zu einem Spitzenteam komplettieren. Es wäre die Geschichte eines Underdogs, der an Aufgaben und Zielen wuchs.

Rückblende. Am 14. November 2017 zieht Biel in einem blutleeren Heim-Auftritt gegen das zuvor kriselnde Zug mit 1:4 den Kürzeren. Goalie Jonas Hiller zertrümmert während der Partie aus Wut über wiederholte Nachlässigkeiten seiner Vorderleute die Stockschaufel am Gehäuse.

Sportchef Martin Steinegger ortete die Konzentrationsmängel schon im Training. Die unzureichende Passqualität sei eine Fortsetzung von fehlender Konsequenz im Alltag gewesen.

Biel scheint unter Mike McNamara in Richtung Abstiegsrunde zu taumeln. Kein Wunder, dass Steinegger kurze Zeit später selbst das Kommando übernimmt. Der frühere Schweizer Rekordnationalspieler ebnet mit fünf Siegen in sechs Spielen dem ehemaligen SCB-Meistermacher Törmänen den Erfolgsweg. Unter dem Finnen marschiert Biel unwiderstehlich weiter; in 19 der restlichen 20 Meisterschaftsspiele punkteten die Seeländer, bemerkenswerte 13 mal gar mit drei Zählern.

Mit Steinegger ins Hoch – von Törmänen abgeholt

“Der Trainerwechsel erwies sich als richtig. Steinegger brachte uns als Interimstrainer mit seinem emotionalen Stil auf einen Flow. Und Törmänen konnte uns als Mannschaft mit seiner ruhigen Art richtig abholen. Und so konnten wir den Lauf weiterziehen”, sagt Beat Forster.

Für den im Verlaufe der Saison zum Captain aufgerückten Jan Neuenschwander (25) ist das Team seit jenen Tagen im Spätherbst zusammen gerückt. Die Trainings wurden besser, die Intensität erhöht. “Das Ganze zeigte sich dann auch im Spiel. Und schliesslich fanden wir unseren Spielstil”, so Neuenschwander.

Das heisst: Mehr Scheibenbesitz und damit Spielkontrolle in der offensiven Zone. Die beiden 4:1-Siege gegen die vermeintlich “talentierteren” ZSC Lions zum Qualifikations-Abschluss stehen exemplarisch dafür.

“Wurden lange unterschätzt”

Neuenschwander hatte seine NLA-Karriere einst in seinem Heimatort Davos gestartet. Vor drei Jahren bestritt der Center mit den ZSC Lions die legendäre “Holywood-Serie” gegen Biel (4:3 für die ZSC Lions), ehe er 2016 zu den Seeländern wechselte. Mittlerweile ist der einstige Lückenbüsser der ZSC Lions auch mit Diabetes zum wichtigen Rollenspieler und Captain in Biel avanciert.

Und machte auch dadurch dem Noch-ZSC-Stürmer Mike Künzle den Wechsel ins Seeland schmackhaft. Neuenschwander sagt: “Wir wurden lange unterschätzt und verfügen jetzt über Selbstvertrauen. Bei den ZSC Lions verhält es sich umgekehrt; sie hadern mit sich.”

Biels Trainer Antti Törmänen nennt das gegenseitige Helfen und aufmunternde Pushen im Alltag als wichtigen Faktor für die stabilen Bieler Auftritte in der zweiten Hälfte der Qualifikation. “Es war nicht nur eine Sache von einer oder zwei Linien, sondern vom ganzen Team.”

In der Playoff-Viertelfinalserie gegen Davos werden neben Neuenschwander zwei andere Ex-Davoser bei den Seeländern im Fokus stehen: Mit Jonas Hiller (36) der derzeit formstärkste Torhüter der Liga und der auf diese Saison hin vom HCD gekommene Abwehr-Haudegen Beat Forster (35).

“Forster hat der Defensive sehr viel Stabilität gegeben und offensiv unsere Durchschlagskraft erhöht”, sagt Neuenschwander. Mehr als 110 Skorerpunkte realisierten die Bieler Verteidiger in den 50 Qualifikationsspielen – ein Liga-Topwert. “Forster kann den Jungen viel mitgeben. Er ist ein Riesengewinn für uns”, weiss Neuenschwander.

“Keine Serie Forster vs. HCD”

Forster hatte sich unlängst öffentlich kritisch über seinen ehemaligen Trainer Arno Del Curto geäussert. Er will dennoch von einer “Serie wie jeder anderen auch” sprechen. “Die Emotionen stehen hinten an. Es wird von aussen vielleicht als Serie von Forster gegen Davos dargestellt. Doch das wird es für mich nicht sein. Es ist einfach Biel gegen Davos und nichts anderes. Und ich spiele für Biel. Fertig”, so Forster gegenüber der sda.

Freundschaften, die sich über Jahre entwickelt hätten, seien geblieben. “Mit gewissen Spielern habe ich immer noch Kontakt, mit anderen weniger oder keinen. Doch ich nenne keine Namen”, sagt Forster, der fünf Mal mit Davos und einmal mit den ZSC Lions Meister wurde.

Jonas Hiller, der 2007 nach seinem letzten Meistertitel Davos seine NHL-Karriere lancierte, pflegt noch Kontakte zum legendären Davoser Goalie-Trainer Marcel Kull, der wie Hiller und Forster Appenzeller ist. Oder auch zuletzt mit Andres Ambühl und Enzo Corvi bei Olympia über das Nationalteam.

Forster sieht Biel gegen Davos auch als Qualifikations-Dritter in der Rolle des Aussenseiters. Doch Hiller verspricht: “Wir werden alles daran setzen, dass Biel endlich wieder eine Playoff-Serie gewinnt.” Captain Neuenschwander weiss, was für die Seeländer spricht, wenn es eng werden sollte: “Hiller!”

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