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Die Evakuierung von Ost-Aleppo geht weiter

Ein von Bewaffneten in Brand gesetzter Bus in der Provinz Idlib, der für Evakuierungen gedacht war. Keystone/AP/UNCREDITED sda-ats

(Keystone-SDA) Die Evakuierung der Rebellengebiete im Osten der syrischen Stadt Aleppo ist wieder aufgenommen worden. Mindestens fünf Busse mit hunderten Bewohnern kamen in der Nacht zum Montag in Gebieten westlich der Metropole an, die von den Aufständischen kontrolliert werden.

Dies berichteten Aktivisten und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die türkische Hilfsorganisation IHH berichtete, in den Bussen, die in Raschidin ankamen, seien rund 400 Menschen gewesen. “Fünf Busse mit 350 Menschen sind aus Ost-Aleppo eingetroffen”, sagte auch Ahmad al-Dbis, der Chef einer Gruppe Mediziner und Freiwilliger, die die Evakuierungen in einem Rebellengebiet westlich von Aleppo koordiniert, in dem die Menschen aus Ost-Aleppo ankommen.

Am Sonntag hatte sich der geplante Abtransport Tausender Menschen trotz einer Vereinbarung zunächst verzögert. Offensichtlich hatte ein Angriff auf einige Busse in der Nachbarprovinz Idlib den Deal torpediert.

Noch Zehntausende in Aleppo

Es wird davon ausgegangen, dass sich noch mehrere Zehntausend Menschen, Rebellen und Zivilisten, in dem seit Monaten von Regierungstruppen belagerten Osten der Grossstadt aufhalten. Die Rebellengebiete dort waren in den vergangenen Wochen nach heftigen Luftangriffen fast vollständig vom syrischen Regime mit Hilfe seiner Verbündeten Russland und Iran erobert worden.

Regierungskreise hatten zuvor von einer neuen Vereinbarung zwischen der syrischen Führung und den Rebellen berichtet. Diese schliesse auch die Evakuierung der belagerten Orte Fua und Kafraja mit ein.

Am Freitag war wie Räumung unterbrochen worden, nachdem es erneut Gefechte gegeben hatte. Die Führung in Damaskus und die Opposition hatten sich dafür gegenseitig die Schuld zugeschoben.

Deal der Iraner

In die schiitschen Dörfer Fua und Kafraja in der Provinz Idlib südwestlich von Aleppo waren nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag ebenfalls Busse eingefahren. Sie sollen rund 1500 Verletzte, Frauen und Kinder in Sicherheit bringen, wie syrische Regierungskreise mitteilten.

Milizen aus dem schiitischen Iran, die an der Seite der syrischen Armee kämpfen, hatten nach Angaben aus Regierungskreisen gefordert, dass im Gegenzug für die Evakuierung der Rebellengebiete Aleppos auch die Blockade dieser beiden Orte aufgehoben werden müsse.

Gleichzeitig zu der Evakuierungsmission in Ost-Aleppo sollen auch 200 Menschen aus den von der Regierung belagerten Orten Madaja und Sabadani nahe der Grenze zum Libanon gebracht werden.

Verheerende Lage

Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatte am Donnerstag Aleppos “Befreiung” von den Rebellen verkündet. Eine mühsam ausgehandelte Evakuierungsaktion begann, nach Angaben von Aktivisten wurden rund 8500 Menschen aus den zerstörten Stadtvierteln gebracht, darunter 3000 Kämpfer. Am Freitag brach die syrische Armee die Evakuierungen jedoch ab.

Angesichts der verheerenden humanitären Lage in Aleppo äusserte sich Deutschlands Aussenminister Frank-Walter Steinmeier besorgt: “Die verheerende Lage der Menschen in Ost-Aleppo ist verzweifelt und zum Verzweifeln.” Viele warteten frierend und ohne ausreichende humanitäre und medizinische Versorgung auf die Wiederaufnahme der rettenden Evakuierungen.

UNO-Sicherheitsrat vertagt Entscheid

Der UNO-Sicherheitsrat diskutierte am Sonntag stundenlang bei einer Sondersitzung über eine mögliche Entsendung von Beobachtern nach Aleppo. Die Beratungen wurden vertagt und sollten am Montag fortgesetzt werden.

Ob eine von Frankreich eingebrachte Resolution das Gremium passieren würde, war fraglich. Schon vor Beginn des Treffens hinter verschlossenen Türen kündigte Russland an, sie nicht mitzutragen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg rechtfertigte indes die militärische Zurückhaltung des Bündnisses. Ein Militäreinsatz könnte zu einer weiteren Eskalation beitragen, sagte Stoltenberg der “Bild am Sonntag”. Am Dienstag wollen die Aussenminister von Russland, der Türkei und dem Iran über Syrien beraten.

Am Samstag demonstrierten mehrere Tausend Menschen in verschiedenen europäischen Städten gegen den Krieg. In Lausanne gedachten am Sonntagabend rund 500 Personen mit einer Schweigeminute der Opfer von Aleppo.

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