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Drogerieketten-Gründer Schlecker zu Bewährungsstrafe verurteilt

Anton Schlecker (Mitte) kommt mit eine Freiheitsstrafe auf Bewährung davon. Seine beiden Kinder müssen jedoch hinter Gitter. KEYSTONE/EPA POOL/RONALD WITTEK / POOL sda-ats

(Keystone-SDA) Der ehemalige Drogerieunternehmer Anton Schlecker kommt um eine Gefängnisstrafe herum. Ein Gericht in Deutschland verurteilte den 73-Jährigen am Montag wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe. Seine Kinder müssen aber ins Gefängnis.

Lars Schlecker erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, seine Schwester Meike von zwei Jahren und acht Monaten. Ihnen gehörte die Logistikfirma LDG, die für die Drogeriekette den Transport der Waren vom Zentrallager in die zeitweise 8000 Filialen abwickelte. Das Landesgeticht Stuttgart (Baden-Württemberg) legte ihnen unter anderem Insolvenzverschleppung, Untreue und Beihilfe zum Bankrott zur Last.

Viele Zuschauer im Gerichtssaal, darunter einige der ehemals 23’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma, nahmen die Bewährungsstrafe für Anton Schlecker enttäuscht zur Kenntnis. Auf die Haftstrafen für die Kinder reagierten sie dagegen mit Beifall.

Pleite nicht sehen wollen

Anton Schlecker wurde zusätzlich mit einer Geldstrafe über 54’000 Euro gebüsst. Anton Schleckers Verteidiger Norbert Scharf hatte in seinem Plädoyer von einem “minderschweren, ungewöhnlichen Fall” des Bankrotts gesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Gefängnis für ihn gefordert, mehr als für seine Kinder. Sie sah es als erwiesen an, dass er als Eigner der gleichnamigen Drogeriekette in den Monaten vor der Pleite Vermögen in Millionenhöhe zugunsten seiner Familie beiseite geschafft hatte – Geld, das den Gläubigern am Ende fehlte.

Im Prozess ging es im Kern darum, wann Schlecker die drohende Pleite kommen sah. Von diesem Zeitpunkt an hätte er dem Unternehmen kein Geld mehr entziehen dürfen.

“Er wusste, dass die Firma am Ende war – und hoffte dennoch weiter”, sagte der Vorsitzende Richter Roderich Martis. Die einst grösste deutsche Drogeriekette hatte im Januar 2012 nach jahrelangen Verlusten Insolvenz angemeldet.

Schlecker hatte vor Gericht betont, er habe bis zuletzt an das Überleben der Firma geglaubt. Dabei schrieb diese schon seit 2004 Verluste, nur in einem Jahr standen danach noch schwarze Zahlen zu Buche.

Anfang 2011 hatte Schlecker gerade noch sieben Millionen Euro liquide Mittel – und keine Chance mehr auf neue Kredite, erklärte Richter Martis. Ein Sanierungsplan floppte, weil das Geld fehlte.

Rückendeckung vom Insolvenzverwalter

Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz plädierte kurz vor dem Ende des acht Monate dauernden Prozesses für ein mildes Urteil. Er hatte sich mit den Schleckers auf eine Rückzahlung von 10,1 Millionen Euro geeinigt.

So musste Schleckers Frau Christa für die Familienvilla, die ihr Mann ihr 2010 geschenkt hatte, 2,5 Millionen an Geiwitz zahlen. Der Prozess gegen Christa Schlecker war eingestellt worden.

Lars und Meike Schlecker waren angeklagt, weil die LDG für die Transporte nach Meinung des Gerichts zu viel Geld von Schlecker kassierte. Damit habe die Familie der Kette Millionen entzogen, die den Gläubigern fehlten.

Für strafbar hielt die Staatsanwaltschaft auch zwei Immobiliengeschäfte kurz vor der Pleite. Anton Schlecker hatte drei Tage vor dem Gang zum Insolvenzrichter in Ulm Immobilien einer Österreich-Tochter und einer deutschen Drogeriekette für sieben Millionen Euro zu Gunsten seiner Kinder verkauft. Das Geld liessen sich Lars und Meike noch am gleichen Tag als Gewinnausschüttung auf ihre Konten überweisen.

Alleinherrscher eines Milliardenkonzerns

Anfang November zahlte die Familie weitere vier Millionen Euro als “Wiedergutmachung”, um das Gericht milde zu stimmen. Anton Schlecker selbst gilt allerdings als mittellos. Er musste sich zwei Millionen von seiner Frau leihen. Denn er hatte den Milliardenkonzern als “eingetragener Kaufmann” geführt – für ein Unternehmen dieser Grösse einzigartig.

Damit hatte er zwar allein das Sagen im Schlecker-Reich, haftete aber mit seinem gesamten Vermögen für die Firma. Das allein hielten seine Verteidiger für ein Indiz, dass er nichts absichtlich beiseite schaffen wollte. Durch die rechtzeitige Umwandlung der Firma in eine GmbH hätte er sein Privatvermögen aus der Pleite heraushalten können.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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