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Erst EZB-Negativzinsen würden SNB unter Zugzwang setzen

(Keystone-SDA) Der EZB-Zinsentscheid kommt auch für Schweizer Ökonomen unerwartet. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) könne aber auch mit einem Leitzins von 0,25 Prozent in der Eurozone den Euro-Mindestkurs verteidigen, sagt UBS-Wirtschaftsexperte Caesar Lack.

“Für die Untergrenze-Politik der Nationalbank hat die Senkung des Refinanzierungszinses von 0,5 auf 0,25 Prozent keine grossen Auswirkungen”, sagte Lack im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Anders wäre es, wenn der Einlagenzins auf der unteren Seite des Zielkorridors der EZB-Geldpolitik ins Negative gesenkt würde.

“Im Moment liegt er weiterhin bei Null. Würde die EZB den Einlagenzins ins Negative drehen, müsste die Nationalbank wohl mitziehen.” Für die Schweiz wäre das gravierender als für Europa, wo relativ weniger Geld davon betroffen wäre als in der Schweiz.

“In der Schweiz würde der Negativzins über 300 Mrd. Fr. Giroguthaben der Banken bei der SNB – über 50 Prozent des Bruttoinlandprodukts – betreffen”, so der Experte.

Grosse Nebenwirkungen

Negativzinsen könnten starke und unerwartete Nebenwirkungen haben: “Würde die SNB bei Negativ-Einlagenzinsen der EZB nicht folgen, könnte sie womöglich die Untergrenze des Frankens zum Euro nicht mehr verteidigen.”

Die SNB hat das Zielband für ihren Leitzins – den Drei-Monts-Libor – im August 2011 auf 0 bis 0,25 Prozent gesenkt: Am Donnerstag betrug der von der SNB nur indirekt beeinflussbare Zinssatz 0,021 Prozent. Er entspricht dem Mittelwert der von führenden Banken gemeldeten Zinskonditionen für unbesicherte Frankenkredite mit dreimonatiger Laufzeit zwischen Banken.

Tiefe Inflation

Die EZB begründete ihren historischen Schritt mit der zuletzt extrem niedrigen Inflation. Diese war im Oktober auf 0,7 Prozent gesunken – den tiefsten Stand seit vier Jahren. Das hatte Forderungen nach noch billigerem Zentralbankgeld und einem Leitzins noch unter dem bisherigen Rekordtief von 0,5 Prozent neue Nahrung gegeben.

Das billige Geld soll helfen, eine deflationäre Abwärtsspirale aus fallenden Konsumentenpreisen und schwachem Wirtschaftswachstum zu verhindern. Denn niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und Investitionen und kurbeln so die Wirtschaft an. Das stärkt den Preisauftrieb.

Die europäischen Börsen feierten die Zins-Entscheidung mit einem Kursfeuerwerk. Der Euro verlor gegenüber dem Dollar und dem Schweizer Franken an Wert.

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