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Estlands Eigentor als Schweizer Schlusspointe

(Keystone-SDA) Die Schweiz beendet das erfolgreiche EM-Ausscheidungspensum mit einem 1:0 in Estland. Breel Embolo provozierte das entscheidende Eigentor in der 94. mit der besten Szene der SFV-Auswahl.

“Die Esten können in der Defensive jedem Gegner Schwierigkeiten bereiten.” Vladimir Petkovics Prognose bewahrheitete sich – sogar in doppelter Hinsicht. Die Einheimischen, die in den vier Heimspielen zuvor lediglich ein Freistosstor der makellosen Engländer zugelassen hatten, verwickelten den EM-Teilnehmer allerdings auch in der Angriffszone reihenweise in delikate Zweikämpfe. Marwin Hitz, der die angeschlagenen Torhüter Sommer und Bürki formidabel ersetzte, hatte diverse Probleme zu bereinigen.

23 Jahre nach dem ersten von bislang drei einseitigen Duellen (drei Siege, 13:0 Tore) endete auch der vierte Vergleich zu Gunsten der Schweizer. Der glückhafte 1:0-Erfolg – begünstigt von einem Last-Minute-Eigentor von Marwin Hitz’ Augsburg-Teamkollegen Ragnar Klavans (94.) – war aus Sicht der mit zahlreichen Spielern aus der zweiten Kaderreihe angetretenen Schweizern gleichwohl (noch) keine Empfehlung für höhere EM-Aufgaben.

Dass die Schweiz seit Jahren eine bemerkenswerte hohe Zahl an überdurchschnittlichen Keepern zu bieten hat, bestätigte Marwin Hitz bei seinem Nationalteam-Debüt auf Qualifikations-Niveau. Der Augsburger, unter normalen Umständen in der SFV-Auswahl nur die Nummer 3, entschärfte in den ersten fünf Minuten gleich zwei ungemütliche Szenen – Wassiljews tückische Schüsse stoppte der Bundesliga-Professional im imponierenden Stil.

Derweil Hitz vom ersten Ballkontakt an Ruhe ausstrahlte, bemühte sich das Gros der im Vergleich zum entscheidenden 7:0 gegen San Marino auf sieben Positionen umformierten Equipe während der gesamten ersten Halbzeit vergeblich um einen einigermassen strukturierten Auftritt. Und offensiv fanden die Schweizer in jener Phase nahezu nicht statt. Die Balten hatten kaum eine Druckperiode zu überstehen.

Von der Rückkehr Shaqiris hatte sich Petkovic mehr Raffinesse in den Couloirs erhofft. Der Radius des inzwischen im unteren Tableau der Premier League engagierten Ex-Bayern-Edelreservisten war und blieb klein. Nur mit der offenbar suboptimalen physischen Verfassung ist seine minimalistische Darbietung nicht zu rechtfertigen.

Mit der Auswechslung zur Pause tat Petkovic für einmal mutmasslich allen Beteiligten einen Gefallen. Breel Embolo, der unbeschwerte Aufsteiger aus Basel, wertete das lange unspektakuläre Geschehen mit seiner Dynamik und Unberechenbarkeit ohne Anlaufzeit markant auf – sein entscheidender Input in der Nachspielzeit war kein Zufall.

Petkovic unterzog nicht nur Hitz einem Test, er gewährte auch Fabian Lustenberger, dem langjährigen Captain von Berlin, erstmals eine Bewährungschance. Und zu Gunsten des Rückkehrers Eren Derdiyok, der erstmals seit 2012 wieder zur Startfelf zählte, gruppierte der Nationalcoach das Team in einem 4-2-3-1-System.

Die erwarteten personellen Retouchen waren spürbar. Praktisch in jeder Reihe benötigten die Schweizer ungewöhnlich lange, bis sie einigermassen den Tritt fanden. Mit der aggressiven Gegenwehr der Balten taten sich die spielerisch überlegenen Gäste enorm schwer. Obschon sie sich auch im zehnten Spiel der Ausscheidungs-Kampagne deutlich mehr Ballbesitz als der Herausforderer erarbeiteten, hielt sich der Output in engen Grenzen.

Der Unterhaltungswert beim farblosen Schlusspunkt des EM-Vorprogramms gegen die Nummer 87 des FIFA-Rankings ist nur als knapp genügend zu werten. Von einer Mannschaft, die sich mit 24 Plustoren statistisch zusammen mit Weltmeister Deutschland auf Position 4 und sogar vor dem Europameister Spanien einreihte, ist auch in einer Partie ohne sportliche Relevanz mehr zu erwarten.

In der Schweizer Gruppe hat das schon länger für die EM qualifizierte England die Ausscheidung ohne Punktverlust abgeschlossen. Das Team von Roy Hodgson musste nicht die besten Leute aufbieten, um in Litauen einen souveränen 3:0-Sieg zu feiern.

Der erst 21-jährige Ross Barkley von Everton eröffnete den Torreigen nach einer halben Stunde mit einem herrlichen Schuss aus rund 25 Metern Torentfernung, der via Pfosten den Weg ins Netz fand. Wenig später provozierte der starke Harry Kane mit einem Schuss an den nahen Pfosten ein Eigentor von Litauens Goalie Arlauskis. Den Schlusspunkt setzte Oxlade-Chamberlain mit einem satten Schuss aus spitzem Winkel.

Slowenien, das immerhin die Barrage bestreiten darf, landete zum Abschluss der Gruppenphase einen glanzlosen 2:0-Pflichterfolg in San Marino.

Tallinn. Estland – Schweiz 0:1 (0:0). – 8000 Zuschauer. – SR Van Boekel (Ho). – Tor: 94. Klavan (Eigentor/Embolo) 0:1.

Estland: Aksalu; Teniste, Jääger, Klavan, Pikk; Puri (67. Lindpere), Antonov, Mets, Kallaste (80. Luts); Zenjov (61. Purje), Wassiljew.

Schweiz: Hitz; Lang, Djourou, Lustenberger, Moubandje; Inler, Xhaka (80. Kasami); Shaqiri (46. Embolo), Dzemaili, Mehmedi (71. Steffen); Derdiyok.

Bemerkungen: Schweiz ohne Rodriguez (Familie), Bürki, Lichtsteiner, Behrami, Seferovic, Fernandes, Frei, Stocker, Von Bergen (alle verletzt). 80. Xhaka nach Foul mit Fussverletzung ausgeschieden. Verwarnung: 78. Mets (Foul).

Serravalle. San Marino – Slowenien 0:2 (0:0). – SR Stavrev (Maz). – Tore: 54. Cesar 0:1. 75. Pecnik 0:2.

Vilnius. Litauen – England 0:3 (0:2). – SR Hansen (Dä). – Tore: 29. Barkley 0:1. 35. Arlauskis (Eigentor) 0:2. 62. Oxlade-Chamberlain 0:3.

England: Butland; Walker, Jones, Jagielka, Gibbs; Barkley (73. Townsend), Shelvey, Lallana (67. Alli); Kane (59. Ings), Oxlade-Chamberlain, Vardy.

Schlussrangliste Gruppe E: 1. England 10/30 (31:3). 2. Schweiz 10/21 (24:8). 3. Slowenien 10/16 (18:11). 4. Estland 10/10 (4:9). 5. Litauen 10/10 (7:18). 6. San Marino 10/1 (1:36).

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