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Experten exhumieren Leiche von Schriftsteller Pablo Neruda

(Keystone-SDA) Der Leichnam des chilenischen Dichters Pablo Neruda (1904-1973) ist exhumiert worden. In Anwesenheit des Richters Mario Carroza wurde am Montag in Isla Negra die Urne mit den Überresten des Literaturnobelpreisträgers ausgehoben, wie Radio Bío Bío berichtete.

Ein internationales Expertenteam soll klären, ob Neruda von Agenten der Pinochet-Diktatur vergiftet worden sein könnte.

Das Grab in der Nähe von Nerudas langjähriger Wohnung an der Pazifikküste sei nicht vom Meersalz angegriffen worden, erklärte der Leiter des gerichtsmedizinischen Dienstes SML, Patricio Bustos, dem Sender TV Chile. Die Zementkammer, in der sich die Urne befand, habe die gute Konservierung der Überreste ermöglicht.

Nerudas Leiche wurde nach Santiago de Chile transportiert, wo sie im Laboratorium des SML untersucht werden soll. Beobachter des Internationalen Roten Kreuzes nehmen an der Untersuchung teil. In den nächsten Tagen soll entschieden werden, ob Proben zur Prüfung der Todesursache ins Ausland gebracht werden, wie Bustos erklärte.

Kein Einzelfall

Neruda war nach seinem Tod auf einem Friedhof von Santiago de Chile beigesetzt worden. Erst 1992, nach dem Ende der Diktatur, wurde er nach seinem Wunsch in Isla Negra begraben, neben seiner dritten Frau Matilde Urrutia. Der Poet starb in der Klinik Santa María in Santiago de Chile wenige Tage nach dem Militärputsch, der die Regierung Salvador Allendes am 11. September 1973 stürzte.

Bislang galt als Todesursache Prostatakrebs. Der letzte Chauffeur und Sekretär des Dichters, Manuel Araya, hat seit Jahrzehnten jedoch die These der Ermordung vertreten. Neruda sei wenige Stunden nach der Verabreichung einer Spritze mit einem verdächtigen Schmerzmittel gestorben.

In der selben Klinik starb 1982 der ehemalige christdemokratische Staatschef Eduardo Frei Montalva, angeblich an den Folgen einer Operation. Die Exhumierung seiner Überreste erwies 2006, dass er mit dem Gas Sarin vergiftet worden war.

Drei Jahre später wurden sechs frühere Mitarbeiter des Geheimdienstes von Augusto Pinochet verhaftet, unter ihnen vier Ärzte. Sie wurden wegen des Mordes an Frei angeklagt.

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