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Franco Marini verpasst Mehrheit bei Italiens Präsidentenwahl klar

(Keystone-SDA) Noch hat Italien keinen neuen Staatschef: Nach zwei Durchgängen wurde die Fortsetzung der Wahl auf Freitag verschoben. Der frühere Gewerkschaftsführer und Senatspräsident Franco Marini verpasste in der ersten Runde die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit klar.

Auf den Favoriten Marini entfielen gut 520 Stimmen. Nötig gewesen wäre die Zustimmung von 672 der 1007 Wahlleuten, die sich aus Abgeordneten der beiden Parlamentskammern sowie regionalen Vertretern zusammensetzen.

In der zweiten Abstimmung gaben die meisten Parlamentsmitglieder der stärksten Gruppierungen leere Stimmzettel ab. Damit wollten sie mehr Zeit für politische Absprachen und Sondierungen gewinnen.

Die Stimmen, die ein Umschwenken auf andere Kandidaten forderten, mehrten sich. Vom vierten Wahlgang an reicht dann die absolute Mehrheit von 504 Stimmen. Spätestens dann könnten auch neue Namen ins Spiel kommen, sollte sich Marini als der gemeinsame Kandidat des linken und des rechten Lagers bis dahin nicht durchgesetzt haben.

“Kandidat aus dem vergangenen Jahrhundert”

Der linke Spitzenpolitiker Pier Luigi Bersani und sein konservativer Gegenspieler Silvio Berlusconi hatten sich nur Stunden vor dem ersten Wahlgang auf den 80-jährigen Marini als ihren Kandidaten für die Nachfolge Giorgio Napolitanos, dessen Amtszeit Mitte Mai endet, geeinigt.

Allerdings spaltete dieser Schritt das Mitte-Links-Bündnis Bersanis. Marini ist zwar wie Bersani Mitglied der sozialdemokratischen PD, gehört aber zu deren christdemokratischem Flügel.

Bersanis parteiinterner Widersacher, der 38-jährige Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, lehnte Marini als “Kandidat aus dem vergangenen Jahrhundert” ab. Vor dem Parlament demonstrierten am Donnerstag vor allem junge Leute gegen Marini.

Politische Beobachter vermuteten, dass einige Mitte-links-Abgeordnete aus Protest für Stefano Rodota stimmten, dem Kandidaten der Fünf-Sterne-Bewegung des Ex-Komikers Beppe Grillo. Auf Rodota entfielen 240 Stimmen. Mehr als 100 Stimmzettel waren ungültig oder Enthaltungen.

Neuer Präsident könnte Neuwahlen ausrufen

Die Wahl des Staatspräsidenten könnte den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen freimachen: Der scheidende Präsident Napolitano darf nämlich laut der italienischen Verfassung in den letzten sechs Monaten seiner Amtszeit keine Neuwahlen ansetzen.

Italien steckt seit der Parlamentswahl vor rund sieben Wochen in einer politischen Sackgasse. Die PD hat zwar eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, jedoch nicht im Senat. Bersani war nach der Wahl mit dem Versuch gescheitert, sich eine breite Mehrheit zu sichern. Er hatte eine Koalition mit Grillos Protestbewegung angestrebt, die dieser aber mehrfach ablehnte.

Berlusconi wiederum hatte Bersani mehrfach eine grosse Koalition angeboten, was dieser ablehnte. Beobachter gehen davon aus, dass Bersani mit einem Schulterschluss bei der Präsidentenwahl beim Mitte-rechts-Bündnis die Bereitschaft zur Tolerierung einer Minderheitsregierung seines Mitte-Links-Bündnisses fördern will.

An der Wahl des Staatschefs nehmen in Rom insgesamt 1007 Wahlmänner und -frauen teil. Es sind dies die 630 Abgeordneten und 319 Senatoren (darunter vier Senatoren auf Lebenszeit) sowie 58 Delegierte aus den 20 italienischen Regionen.

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