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Japan erhebt Störfall auf Stufe 5 und erwägt Tschernobyl-Szenario

(Keystone-SDA) Japan hat den Störfall im AKW Fukushima 1 hoch gestuft. Die Verantwortlichen erwägen erstmals den drohenden Super-GAU mit ähnlichen Mitteln wie vor 25 Jahren in Tschernobyl zu bekämpfen. Techniker, Soldaten und Feuerwehrleute versuchten unter Einsatz ihres Lebens eine Katastrophe noch abzuwenden.

Die Einsatzkräfte kämpften auch am Freitag gegen die drohenden oder bereits begonnen Kernschmelzen in sieben Anlagen – drei Reaktoren und vier Abklingbecken.

Mit Wasserwerfern bespritzten 140 Feuerwehrleute den mit hoch giftigem Plutonium bestückten Reaktor 3. Wie die Regierung erklärte, waren die Kühlversuche erfolgreich.

IAEA: Lage stabil

Nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hat sich die Lage stabilisiert. Wie der IAEA-Experte Graham Andrew in Wien sagte, bleibe die Situation aber sehr ernst. IAEA-Direktor Yukiya Amano hatte zuvor in Tokio die Verantwortlichen für ihre Informationspolitik kritisiert.

Letzter Ausweg: Sarkophag

Die Betreiberfirma Tepco denkt inzwischen laut darüber nach, das AKW unter einem Berg aus Sand und Beton begraben werden – wie in Tschernobyl, wo sich am 26. April 1986 die bislang schlimmste Reaktor-Katastrophe ereignete. Dies sei aber ein letzter Ausweg, hiess es.

In Tschernobyl hatte sich der Sand zunächst wegen der Hitze in Glas verwandelt. Der Aufbau des Sarkophags aus Beton gelang erst nach Monaten. Er ist heute rissig und droht einzustürzen.

Zwei Stufen vor Tschernobyl

Am Freitag hob die Atombehörde Japans hob den Schweregrad des Unglücks von 4 auf 5 auf der bis 7 reichenden Havarie-Skala an. Dies bedeutet, dass sie nicht mehr nur von einem lokalen Problem ausgeht.

Mit der Anhebung hat Fukushima nun die gleiche Stufe wie das Atomunglück von Harrisburg in den USA, wo es 1979 zu einer teilweisen Kernschmelze kam. Tschernobyl hatte die höchste Stufe 7 erreicht.

Kühlung ist das A und O

Neben den Feuerwehrleuten und Soldaten kämpften auch 120 Atomarbeiter in der Anlage gegen die Radioaktivität. Die Helfer können draussen wegen hoher Strahlenwerte nur kurz eingesetzt werden, sonst riskieren sie eine tödliche Dosis.

Strom ab Samstag?

Tepco meldete, dass die Reaktoren 1 und 2 ab Samstag durch eine Notleitung wieder mit Strom versorgt werden. Ob die Kühlung wieder in Gang gebracht werden kann, blieb offen.

Meteorologen warnten, dass der Wind, der bislang meist in Richtung Pazifik blies, Anfang kommender Woche in Richtung der 35-Millionen-Metropole Tokio drehen wird. Weiter wird mit Regen gerechnet.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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