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Kanton Bern startet Charme-Offensive mit Abstimmungsbotschaft

Charmeoffensive: Mit Christoph Neuhaus, Pierre Alain Schnegg und Bernhard Pulver (von links) machten sich am Freitag gleich drei Berner Regierungsräte stark für einen Verbleib des Städtchens Moutier beim Kanton Bern. KEYSTONE/PETER SCHNEIDER sda-ats

(Keystone-SDA) Drei Monate vor der Abstimmung über Wechsel des Städtchens Moutier zum Kanton Jura hat der Kanton Bern eine Charme-Offensive lanciert. Gleich drei bernische Regierungsräte präsentierten die Abstimmungsbotschaft und geizten nicht mit Emotionen.

Es wäre äusserst bedauerlich, wenn der französischsprachige Teil des Kantons Bern durch den Abgang Moutiers zum Kanton Jura geschwächt würde, sagte Gesundheits -und Fürsorgedirektor Pierre Alain Schnegg (SVP). Bern würde einen Teil seiner Westschweizer Dimension einbüssen, sagte er, der selber aus dem Berner Jura stammt. Der Kanton habe eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Deutsch- und der Westschweiz.

“Moutier hat seinen Platz im Kanton Bern. Moutier ist mir lieb, ja, Moutier liegt uns am Herzen”, erklärte Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) am Freitag vor den Medien in Bern.

“Bleiben wir zusammen”, warb auch Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor Christoph Neuhaus (SVP) für einen Verbleib des Städtchens beim Kanton Bern. Der Kanton Bern wäre nicht mehr der gleiche ohne Moutier.

Bern führt Vorteile ins Feld

Doch mit Charme und Goodwill allein lasse sich die Bevölkerung von Moutier nicht überzeugen, waren sich die drei Regierungsräte einig und lieferten auch handfeste Fakten, die aus ihrer Sicht für einen Verbleib beim Kanton Bern sprechen.

Ins Feld führt die Berner Kantonsregierung vor allem Stabilität, wirtschaftliche Prosperität und Entwicklungsmöglichkeiten. Rund 20 Prozent der Arbeitsplätze in Moutier hängten direkt von der Kantonszugehörigkeit ab: Allein die kantonale Verwaltung bietet 170 Arbeitsplätze, dazu kommen 100 Stellen im Schulwesen und 320 im Spital von Moutier.

Schliesslich wirft die Berner Regierung auch Geldfragen in die Waagschale: Rund 700’000 Franken erhalte Moutier jährlich für kulturelle Institutionen und Projekte. 2,5 Millionen Franken kämen aus dem Finanzausgleich. Und eine Million Franken erhalte die Stadt für die Finanzierung von Tagesschulen.

Ende eines langen Wegs

“Unsere Botschaft ist einfach: Wir wollen die Stimmberechtigten überzeugen, beim Kanton Bern zu bleiben und die Jurafrage ein für allemal zu lösen”, schloss Schnegg.

Tatsächlich ist der kommunale Urnengang in Moutier die letzte Etappe eines jahrzehntealten Konflikts. In den 1970er Jahren führten Plebiszite zur Gründung des Kantons Jura. Ein Teil der Region, der Berner Jura und mit ihm das Städtchen Moutier, verblieb beim Kanton Bern.

Seit Jahrzehnten aber wählt die Bevölkerung von Moutier mehrheitlich Autonomisten, die sich für einen Anschluss an den Kanton Jura stark machen.

Hitzige Geschichte

Die Stimmung in der Region war lange alles andere als friedlich und entspannt. Nach der Gründung des Kantons Jura 1979 führten separatistische Kreise ihren Kampf für einen Anschluss an den neuen Kanton weiter. Die Regierungen in Bern und Delsberg schafften es nicht, einen vernünftigen Dialog aufzubauen.

Um die Blockade zu lösen und auf die Unzufriedenheit eines Teils der Bevölkerung einzugehen, schufen die Kantone Bern und Jura unter der Ägide des Bundes 1994 schliesslich die Interjurassische Versammlung (IJV). Uhr Ziel: Den Jurakonflikt endlich zu lösen.

Auf Initiative der IJV erarbeiteten die Kantone Bern und Jura im Februar 2012 eine “Roadmap”. 2013 konnte sich die Bevölkerung äussern, ob der Berner Jura und der heutige Kanton Jura einen neuen, gemeinsamen Kantone gründen sollen. Das Vorhaben wurde im Berner Jura haushoch verworfen. Einzig Moutier stimmte dafür.

Eine Hintertüre blieb aber offen: Einzelne Gemeinden konnten nun, wenn sie das wollten, eine Abstimmung über einen Wechsel zum Kanton Jura anberaumen. Moutier tat dies erwartungsgemäss, ebenso vier kleinere Gemeinden in der Nachbarschaft.

Sie wollen aber erst abstimmen, wenn Moutier sich am 18. Juni für einen Kantonswechsel ausspricht. Ob die Bevölkerung das tut ist offen. Es wird ein knappes Ergebnis erwartet.

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