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Keine Verwahrung für Mann, der in Genf mit Messer Juden attackierte

(Keystone-SDA) Das Genfer Strafgericht hat am Mittwoch einen Mann der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig gesprochen, der Ende 2011 in Genf mit einem Messer auf einen orthodoxen Juden eingestochen hatte. Wegen Unzurechnungsfähigkeit kommt er in eine geschlossene Anstalt.

Das Gericht folgte damit nicht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Verwahrung gefordert hatte. Der Staatsanwalt war der Ansicht, dass die Medizin heute nicht sagen könne, ob der Angeklagte, der unter paranoider Schizophrenie leidet, jemals geheilt werden kann.

Die Verteidigerin zeigte sich überzeugt, dass ihr Mandant geheilt werden könne. Sie verlangte die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt. Sie machte dabei das junge Alter geltend und versicherte, dass der Mann bereit für eine Therapie sei.

Das Gericht sah eine Verwahrung als letzten Ausweg, der in diesem Fall nicht gerechtfertigt sei. Es folgte damit den Empfehlungen des psychologischen Sachverständigen, der dem 23-jährigen Chancen auf Erfolg bei einer psychiatrischer Behandlung attestiert hatte.

Familienvater niedergestochen

Zu der Bluttat war es im Dezember 2011 beim Naturhistorischen Museum gekommen. Der Kippa tragende Familienvater war gerade im Begriff, in das Auto zu steigen, als er attackiert wurde. Im Auto befanden sich seine Frau, seine fünf Kinder und seine Schwiegermutter.

Er erlitt mehrere Messerstiche, konnte sich jedoch ins Auto retten. Der Angreifer wurde zehn Monate später in den Niederlanden in einem besetzten Haus gefunden. Der Brite beteuerte vor Gericht, nie die Absicht gehabt zu haben, den Juden zu töten.

Opferanwalt spricht von Antisemitismus

Er sei in dieser Zeit unter dem Einfluss einer Gruppe von Antisemiten gestanden. Gemäss seiner Verteidigerin vermischte er die Aktualität mit seinem Wahn. Damals habe er die Durchsuchung eines türkischen Frachtschiffs durch die israelische Armee nicht ertragen.

Der Anwalt des Opfers sprach von einem niederträchtigen und abscheulichen Verbrechen. Für ihn seien die Beweggründe einzig in einem “tiefen und charakteristischen” Antisemitismus zu suchen. Das erstinstanzliche Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann angefochten werden.

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