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Kosovare wegen mehrfachen Mordes vor dem Bezirksgericht Wil

(Keystone-SDA) Bei einem Streit zwischen verfeindeten kosovarischen Familien sind im Mai 2008 in Wil ein 56-jähriger Mann und dessen 18-jähriger Sohn auf offener Strasse erschossen worden. Der Täter stand am Mittwoch vor dem Kreisgericht Wil.

Die Verhandlung fand unter Polizeischutz im Gerichtsgebäude in Flawil statt. Der heute 51-jährige Kosovare aus dem Kanton Bern war des mehrfachen Mordes, eventuell der mehrfachen vorsätzlichen Tötung angeklagt.

Der Staatsanwalt forderte eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Gemäss Anklage hatte es zwischen den beiden Familien wiederholt Beschimpfungen und Schlägereien gegeben. Am 3. Mai 2008 kam es auf einer Strassenkreuzung in der Nähe des Bahnhofs Wil zur blutigen Abrechnung.

Über den Tathergang machten die Beteiligten widersprüchliche Aussagen. Die beiden Familien warfen sich gegenseitig vor, die Auseinandersetzung bewusst gesucht zu haben. Der Hauptangeklagte äusserte sich vor Gericht nur sehr vage zur Schiesserei.

Er habe die geladene Pistole aus Angst vor der anderen Familie mit sich getragen, sagte er. Nach der Bluttat fuhr er mit seinem Auto vom Tatort weg, stellte sich aber später der Polizei.

Mitangeklagt sind auch zwei Brüder des 51-Jährigen, ein Sohn und ein weiteres Familienmitglied. Einem Bruder wird versuchter Mord vorgeworfen, den andern Angeklagten Raufhandel.

Opfer als Angeklagter

Auch der überlebende Sohn und Zwillingsbruder der Opfer musste sich vor Gericht verantworten. Der Staatsanwalt forderte für ihn eine bedingte Gefängnisstrafe von zwei Monaten wegen Raufhandels und Verletzung von Strassenverkehrsregeln.

Der heute 22-Jährige gab vor Gericht unter Tränen Auskunft. Sein Vater habe an jenem Tag mit der verfeindeten Familie reden wollen. Sie hätten keinen Streit gesucht. “Jetzt weiss ich nicht mehr weiter”, klagte er.

Sein Verteidiger verlangte einen Freispruch. Durch den Verlust des Vaters und des Bruders sei der 22-Jährige psychisch schwer angeschlagen. Ihn auch noch zu bestrafen, sei fehl am Platz. Dass er nach der Tat unter Schock ins Auto gestiegen und weggefahren sei – ohne Fahrausweis – sei verständlich.

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